Manchmal nervt das Schalten auf dem Motorrad – gerade dann, wenn man in den Bergen unterwegs ist. Auf der Yamaha MT-09 übernimmt diese Arbeit eine Kupplungs- und Schaltautomatik.
Die Straßen im südlichen Vorgebirge der spanischen Pyrenäen sind teils unglaublich kurvig. Wer hier sportlich Motorradfahren will, der muss viel schalten, selbst bei einem so durchzugsstarken Motorrad wie der Yamaha MT-09. Ständig wird gewechselt zwischen den Gangstufen zwei bis fünf; der sechste Gang ist wegen der zahllosen Kurven kaum vonnöten.
Trotz der vielen Schaltvorgänge hat unser linker Fuß heute Pause: Wir drücken nur zwei Wipp-Taster links am Lenker. „Zeigefinder vor“ hat runterschalten zur Folge, „Zeigefinger zurück“ bedeutet hochschalten. Den Rest macht die neue Kupplungsautomatik Y-AMT (Yamaha Automated Manual Transmission).
Ohne Schalt- und Kupplungshebel
Wir fahren also keine Getriebeautomatik, kein automatisches Getriebe, sondern in MT-09 (890 ccm, 119 PS, 11.700 Euro) steckt neben einem manuellen Schaltwerk ein bisschen zusätzliches High-Tech, das gerade mal 2,8 Kilogramm wiegt. Eingespart hat der japanische Hersteller dafür den Schalt- und auch den Kupplungshebel. Der Aufpreis für das stark fahrspaß-fördernde Heinzelmännchen liegt bei 500 Euro. Zusätzlich zum automatischen Kuppeln und zum manuellen Schalten auf Knopfdruck beherrscht das System Y-AMT auch noch das automatische Schalten; dazu muss nur ein Knopf am Lenker gedrückt werden. Im Mehrpreis enthalten ist zusätzlich ein Keyless-System.
Im Vordergrund steht ganz klar, dass die MT-09 nun auf Wunsch statt einer Fuß- eine elektrisch betätigte Handschaltung hat. Die arbeitet schneller als eine konventionelle Fußschaltung, Innerhalb von zwei Sekunden dreimal schalten, das ist kein Hexenwerk. Perfekt kann man den gierigen Dreizylindermotor im Bereich der idealen Drehzahl halten.
Grinsen unterm Helm
So geht es auf den oftmals leeren, immer aber kurvigen Straßen Nordkataloniens hurtig dahin, wobei des Fahrers Grinsen unterm Helm schon nach kurzer Gewöhnung ziemlich gewaltig ausfällt. Gegen die Y-AMT ist jeder Quickshifter ein alter Hut. Dabei ist diese Technik der kurzzeitigen Zündunterbrechung zum kupplungslosen Schalten ja noch recht jung: Y-AMT ermöglicht weitaus direktere, sanftere und vermutlich auch materialschonendere Gangwechsel.
Rauf wie runter lässt das System Gangwechsel unabhängig von der Gasgriffstellung zu, solange die Motordrehzahl nicht in bösartige Bereiche geraten würde. Die in der MT-09 angebotenen Fahrmodi (Rain, Street, Sport) stehen im manuellen Schaltmodus MT übrigens genauso zur Verfügung wie im Basismodell mit konventioneller Fußschaltung.
Schaltautomatik hat zwei Stufen
Kommen wir nun zur zweiten Ebene des Systems Y-AMT, die Schaltautomatik. Sie lässt sich in zwei Stufen wählen, heißt dann entweder D oder D+. Im letzteren Programm erfolgen die Gangwechsel bei höherer Drehzahl, was von den meisten Fahrern als „sportlicher“ empfunden wird. Auch dieser Programmteil funktioniert gut; Y-AMT in Stufe D bringt ruckfreie, aber ebenfalls gut hör- und auch wahrnehmbare Gangwechsel zustande. In Stufe D+ ist das nicht anders, doch unterscheiden sich die beiden Stufen nicht gerade dramatisch.
Nach strammen 323 Testkilometern an einem Tag, hätten wir aber den Vorschlag, zumindest in der Stufe D im Rahmen eines späteren Updates ein noch drehzahlärmeres Dahinfahren im Stadtverkehr zu ermöglichen. Beispielsweise kann die MT-09 im MT-Modus problemlos im 6. Gang mit nur 60 km/h gefahren werden; der AT-Modus schaltet jedoch erst bei 80 km/h vom 5. in den 6. Gang.
Und obwohl der Fahrer „stets“ die Oberhoheit hat, wie Yamaha sagt, sperrt sich Y-AMT gegen ein von Hand gefordertes Einlegen des 6. Ganges bei Tempo 70 oder auch 60, sondern bleibt standhaft im 5. Gang. Gut wäre es aus unserer Sicht dafür, wenn im AT-Modus bei deutlicher Schräglage – wir denken an 25 Grad oder mehr – eine Schaltsperre wirksam wäre; erfahrene Motorradfahrer würden in einer solchen Situation von sich aus in der Regel niemals schalten. Das ist freilich angesichts der vorwiegenden Ausrichtung von Y-AMT auf den manuellen (AT-)Betrieb nicht viel mehr als ein Schönheitsfehler.
Fahrer hat das letzte Wort
Grundsätzlich ist es im AT-Modus möglich, dass der Fahrer eingreift und die Schaltautomatik „überstimmt“. So kann er auf Knopfdruck vor Kurven herunterschalten und das Motorbremsmoment erhöhen, auch kann er kurz vor einem Überholmanöver manuell Zurückschalten, um stärker beschleunigen zu können. Denselben Effekt („Kickdown“) erreicht man durch sehr schnelles Öffnen des Gasgriffs. Um mehrere Gänge herunterzuschalten, drückt man am besten mehrmals die Minus-Wippe.
Neben mehr Fahrspaß mittels des Y-AMT-Systems scheint die neue Schalttechnologie auch einen leicht reduzierten Benzinverbrauch mit sich zu bringen. Während unsere Verbräuche beim ersten Test der damals noch nagelneuen MT-09 in diesem Frühjahr noch zwischen 5,2 und 5,6 Liter pro 100 Kilometer lagen, benötigten wir bei mindestens so flotter Fahrt jetzt nicht mehr über 5,2 Liter.
Kawasaki machte Anfang
Mit Yamaha hat sich der Pionier der automatisierten Schaltgetriebe in der Spitzengruppe jener Motorradhersteller etabliert, die derzeit auf die automatisierte Kupplung und Schaltung setzen. Den Anfang hatte zu Jahresbeginn Kawasaki bei seinem Hybridmotorrad Z7 HEV gemacht, jetzt folgen Yamaha und BMW praktisch gleichzeitig und es sieht danach aus, dass noch im September dieses Jahres auch KTM mit einer solchen Getriebelösung kommen wird. Honda hat ebenfalls dieses Jahr eine automatische Kupplung für seine Schaltgetriebe präsentiert, die „e-Clutch“; automatisch die Gänge wechseln kann dieses System aber nicht. Pionier ist Yamaha deshalb, weil man schon im Jahr 2006 im Großtourer FJ 1300 eine hydraulische Kupplungsautomatik angeboten hat. Sie blieb zwar viele Jahre im Programm, konnte sich aber nicht wirklich durchsetzen.
Das ist jetzt anders: Schon sehr zeitnah werden weitere MT-Modelle (MT-09 SP, MT-07) ebenfalls zusätzlich mit dem Y-AMT ausgerüstet; zudem die Sporttouring-Modelle Tracer 9 und Tracer 7. (SP-X)