Honda CBR 1000 RR: Fireblade besticht durch ihre Handlichkeit

Mit der CBR 1000 RR stellt Honda ein Motorrad mit einer enormen Kraftentfaltung vor. Doch angesichts einer Spitzengeschwindigkeit von über 280 km/h gerät man ins Grübeln.

Thilo Kozik

Jetzt geht auch Honda als letzter der vier Japaner den Weg in Richtung Extremismus und stellt mit der neuen CBR 1000 RR die seit Erscheinen der ersten Fireblade 1992 radikalste Variante auf die Radialreifen.

Und das betrifft beileibe nicht nur die technische Seite: Wie die CBR 600 RR übernimmt die neue Fireblade viele Designelemente von der MotoGP-Maschine RC211V: Sie ist viel kantiger und aggressiver geworden. Dazu gehören die beiden schmalen Multireflektorscheinwerfer an der spitzen Nase ebenso wie das ins Heck integrierte siebenteilige LED-Rücklicht. Optische Highlights sind die so genannte „Centre-up“-Auspuffanlage, die unter dem Heck hervorlugt und die leichte und steife Alu-Hybridschwinge mit integriertem Hinterradaufhängungssystem.

Gute Sitzposition

Dazwischen bleibt die Ergonomie trotz der neuen, sehr frontlastigen Ausrichtung des Fahrers Honda-typisch. Sprich: Schon beim Aufsitzen stellt sich ein vertrautes, angenehmes Gefühl ein. Schalter, Rasten, Hebel - alles ist dort, wo man es erwartet. Sie wiegt einen von Anfang an in Sicherheit, erscheint insgesamt ziemlich unspektakulär, sehr zivilisiert. Als Beruhigungsmittel wirkt darüber hinaus der voll im Blickfeld liegende elektronische Lenkungsdämpfer, der geschwindigkeitsabhängig arbeitet - ein Novum im Motorradbereich: Bei hohen Tempi eliminiert er effektiv jegliches Lenkerschlagen, in den langsamen Passagen schaltet er sich ab, wodurch das Lenkgefühl und die Handlichkeit im Gegensatz zu herkömmlichen Dämpfern nicht zähflüssiger werden.

Überhaupt lässt sich die CBR am langen Zügel durch jede Ecke führen, willig gehorcht sie den Befehlen ihres Halters und ist beim Thema Handlichkeit fast auf Augenhöhe mit der deutlich leichteren Konkurrenz. Nur schnelle Schräglagenwechsel erfordern durch das Mehrgewicht etwas mehr Körpereinsatz. Dafür hält sie sehr präzise die einmal eingeschlagene Linie, stabil durchpflügt sie schnelle wie langsame Radien auf der Rennstrecke wie der Landstraße. Kunststück, stammt auch die Fahrwerkskonstruktion wie diejenige der CBR 600 RR ja von der Rennmaschine RC211V ab.

171 PS sorgen für brachiales Dehmoment

Das Cockpit der Fireblade. Foto: Werk

Nun allerdings mit einer wieder im Rahmen und nicht wie bei den Vorgängermodellen im Motor gelagerten, gegenüber der alten Fireblade 38 Millimeter längeren Schwinge. Neu und stabilitätsfördernd wirkt sich zudem die obere Federbein-Aufnahme direkt in der Schwinge über deren Achse aus - ebenfalls eine Errungenschaft der Rossi-Weltmeistermaschine.
Erstaunlich unauffällig arbeitet auch der Motor, dem man seine versprochenen 171 PS und brachialen 115 Newtonmeter Drehmoment - das sind Marken, die schon beim Vorlesen Schweißperlen auf die Stirn zaubern - nicht anmerkt.

Das Hinterrad der Fireblade. Foto: Werk

Denn das Honda-Aggregat entwickelt seine Kraft sehr gleichmäßig und sauber kontrollierbar, ein Verdienst der „dualen sequentiellen Kraftstoffeinspritzung“, bei der zwei Einspritzdüsen einen Zylinder drehzahl- und lastabhängig befüttern - das macht eine zweite, Computer gesteuerte Drosselklappe überflüssig, wie sie die Konkurrenz verbaut. Eine bei Reihenvierzylindern eigentlich unübliche Ausgleichswelle fördert den samtigen Auftritt noch. So kommt es, dass nur der Blick auf den Digitaltacho die Wahrheit über den echten Vortrieb entlarvt: Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 287 km/h kommt doch so mancher ins Grübeln.

Doch so gleichmäßig und vermeintlich kontrollierbar der Druck auch kommt, bei engagierter Fahrt in unbekanntem Terrain bringen derbe Lastwechsel infolge oftmals geöffneter und geschlossener Drosselklappen reichlich Unruhe ins Paket. Das macht die Linienwahl recht schwierig und zerstört einen Teil des Vertrauens, das sich die Fireblade zuvor vollkommen zu Recht erworben hat.

Auch die für einen Supersportler ungewohnt komfortbetont ausgelegten Federelemente zeigen sich nach kurzer Eingewöhnungsphase einer ambitionierten Rennstreckenhatz nicht gewachsen: Beim herzhaften Beschleunigen aus den engen Ecken sackt das Heck nach unten und beginnt zu pumpen, harsche Bremsmanöver - mit der sauber dosierbaren, fast referenzverdächtigen Stopp-Anlage aus radial verschraubten Vierkolben-Festsattelzangen übrigens ein Kinderspiel - brauchen sämtliche Dämpfungsreserven auf.

Andererseits macht diese Abstimmung im normalen Landstraßenbetrieb jedoch durchaus Sinn, denn dadurch beschränkt sich das Einsatzgebiet der neuen Fireblade nicht ausschließlich auf abgesperrte Pisten. Womit der Brückenschlag zur bewährten Honda-Strategie des „Total Control“ geschafft wäre, die der Fireblade in den vergangenen Jahren einen Spitzenplatz bei Deutschlands sportlich ambitionierten Zweiradfreunden gesichert hat. Der Preis für soviel Hightech beläuft sich auf 12.999 Euro

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