Harley-Davidson Low Rider S: Ein Bike für Machos

Harley-Davidson Low Rider S: Ein Bike für Machos
Die Harley-Davidson Low Rider © Harley

Die Harley-Davidson Low Rider S ist ein Bike für die Macho-Fraktion. Das Gewicht liegt bei über 300 Kilo, die Leistung bei 94 PS. Was sie sonst noch bietet, zeigt unser Test.

Jedes Motorrad verrät einiges über den Charakter seines Besitzers. Und weil die Charaktere bekanntlich höchst unterschiedlich sind, bieten Motorradhersteller zumeist eben nicht nur eines, sondern mehrere Modelle an: Dicke Tourer für die Gemütlichen unter uns, sehnige Sportbikes für die Mitglieder der Schnellfahrer-Fraktion oder Reiseenduros für jene, die sich selbst als die Universalisten auf zwei Rädern sehen.

Wer’s als Hersteller ganz genau nimmt, der untergliedert sogar seine Baureihen gleich mehrfach, um möglichst jeden als Käufer abzuholen. Harley-Davidson hat darin große Fertigkeit entwickelt. Jetzt bescheren uns die Mannen aus Milwaukee mit der Low Rider S ein ziemlich böses, ganz sicher aber extrem motorisiertes Macho-Bike.

Markantes Mitglied der Softail-Baureihe

Die Low Rider S ist nicht nur irgendein Modell im Programm von Harley-Davidson, sie ist ein besonders markantes Mitglied der Softail-Baureihe. Die ist mit ihrem Starrahmen-Look vor 35 Jahren erstmals auf den Markt gebracht worden und nach wie vor eine der beliebtesten Plattformen von Harley-Davidson. Mittlerweile werden nicht nur die Triebwerke des Typs Milwaukee-Eight 107 mit 1.745 Kubikzentimetern Hubraum verwendet, sondern es gibt für einige Modelle auch den größeren 114er-V2 mit 1.868 Kubikzentimetern Hubraum.

Als mittlerweile 13. Version der Modellfamilie gesellt sich nun als „kleinste“ Softail mit dem fetten Twin die soeben in San Diego präsentierte Low Rider S hinzu: Mit 19.795 Euro bleibt sie so eben noch unter der 20.000 Euro-Grenze, während sie die 300 Kilo-Marke um acht Kilogramm überschreitet. Gegenüber der Low Rider, die das etwas kleinere Triebwerk aufweist, sind bei der S-Version zahlreiche Änderungen zu notieren, die den Fahreindruck recht deutlich beeinflussen.

2016 kam erste Low Rider S

Die Instrumente der Harley-Davidson Low Rider S. Foto: Harley-Davidson

Wer sich bei der Modellbezeichnung Low Rider S irritiert hinterm Ohr kratzt und meint, sich an eine Harley dieses Namens zu erinnern, liegt richtig: 2016 war die erste Low Rider S erschienen, damals freilich auf Basis der inzwischen nicht mehr angebotenen Dyna. Mit diesem Modell hat die neue Low Rider S außer der Scheinwerferverkleidung und zwei, drei weiteren Kleinigkeiten nichts mehr gemeinsam. Insofern ist sie ein echtes Neumodell.

Dominierend beim Fahren ist ihr extrem durchzugsstarker V2, dessen Maximalleistung 94 PS beträgt; weitaus wichtiger für den gewaltigen Bumms ist jedoch ihr mächtiges Drehmoment: Bereits ab Standgas liegen mehr als 100 Newtonmeter an, der Gipfel von 155 Nm wird bereits bei 3000 U/min. erreicht. In der Praxis pfeilt die Low Rider S davon, sobald etwa 2.000 Umdrehungen anliegen. Dann gibt’s bis fast 5000 Touren kein Halten mehr. Mit vier Ventilen, Doppelzündung und ölgekühltem Auslassbereich ist der ansonsten luftgekühlte V2 des Typs Milwaukee-Eight 114 technisch up to date; zwei Ausgleichswellen sorgen dafür, dass keine störenden Vibrationen in den Quasi-Starrrahmen eingeleitet werden.

Geringer Federweg

Das Federbein, in der Vorspannung stufenlos hydraulisch einstellbar, versteckt sich unter dem Sitz. Es liefert angesichts von nur 11,2 Zentimetern Federweg eine erstaunlich gute Leistung ab. Die vordere Upside-down-Telegabel spricht sehr fein an, so dass auf den 13 Zentimetern Federweg nur wenige harte Stöße nicht unschädlich gemacht werden können. Auf vielleicht noch höherem Niveau arbeitet die Dreischeiben-Bremsanlage; das im Hintergrund wachende, optisch kaum erkennbare ABS greift, sofern nötig, beherzt ein.

Der Kerl, der die Low Rider S als ständige Begleiterin auserwählt tut gut daran, sich permanent fit zu halten. Womit weniger die Armmuskulatur gemeint ist als vielmehr die Gelenkigkeit. Denn die Sitzposition fordert ihm – erst recht auf längeren Ausfahrten – allerhand ab: Die Sitzoberfläche befindet sich nur 69 Zentimeter über dem Asphalt, wohingegen die Fußrasten einerseits zugunsten genügend Schräglagenfreiheit recht hoch und andererseits keineswegs weiter vorne montiert sind. Zudem ist der Lenker eher hoch und zugleich weiter vorn platziert, so dass ein Empfinden von Bequemlichkeit nicht aufkommen mag.

Der Hüftbeugewinkel ist so, dass man sich an Klappmesser kurz vor dem Einschnappen erinnert fühlt. Das kann man durchaus mögen, die bereits erwähnte Gelenkigkeit und Fitness vorausgesetzt, ist aber jenseits der 1,80 Meter selbst unter diesen Maßgaben kaum vorstellbar. Dass unser Mann auf der Low Rider S kein Interesse an einer Sozia hat, ist augenfällig: Es gibt keine zweite Sitzmöglichkeit.

Eher für kürzere Ausflüge

Ein Bike für die gemütliche Ausfahrt: die Harley-Davidson Low Rider S. Foto: Harley-Davidson

Auch wenn das  308 Kilogramm wiegende Bike durchaus willig kurvenreiche Landstraßenpassagen absolviert, so scheint sie doch primär eine extravagante Gefährtin für kürzere Ausflüge zu sein. Auf solchen Ausfahrten macht sie echt was her, ist sie mit ihrer nach hinten stark abfallenden Linie doch ein Bike, das man gerne anschaut.

Dazu kommt eine hochwertige Ausstattung mit einem Keyless-Systen, LED-Scheinwerfer, perfekt automatisch zurückstellenden Blinkern, USB-Anschluss und vielem mehr. Nicht mit Ruhm bekleckert hat sich Harley bei der Reifenwahl: Gilt der von Michelin nach Harley-Vorgaben gebaute Scorcher 31 bereits grundsätzlich nicht gerade als Gripwunder, so sorgten die Reifen der Testbikes im Falle der Low Rider S bei den Testern für echte Verwunderung: Sie waren teils schon vor zweieinhalb Jahren produziert worden! Kein einiger Frontpneu stammte von 2019, und auch die Hinterreifen waren allesamt älter als ein halbes Jahr.

Ob sich der Macho aus der Muckibude an solchen Umständen stört, weiß man nicht so genau. Eher schon, dass er wohl zumeist zur schwarzlackierten Version und nur selten zu Silbermetallic greifen wird. Passt irgendwie ja auch besser zum bösen Grollen aus den schwarzen Sidepipes. (SP-X)

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