Die BMW R 1300 GS will vieles noch besser machen als die Vorgängerin. Kann das gelingen? Schließlich war bereits die R 1250 GS eine ziemlich souveräne Maschine.
Braucht man das wirklich bei einem Motorrad? Einen radarbasierten Abstandstempomaten? Nein, braucht man nicht. Das war zumindest meine erste Reaktion, als ich dieses Feature an der neuen BMW R 1300 GS ausprobierte.
Gut, im Auto nutze ich die adaptive Geschwindigkeitskontrolle auf Langstrecken fast immer – sie entspannt mich deutlich beim Fahren. Doch bei einem Motorrad muss so etwas wirklich nicht sein. Klingt widersprüchlich, ich weiß, aber auf dem Motorrad ist das anders. Hier will ich als Fahrer die Kontrolle haben, sie nicht einem Assistenzsystem wie der Active Cruise Control überlassen, die dafür sorgt, dass der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug automatisch gehalten wird. Bremst der Vordermann, reduziert auch die BMW ihr Tempo und hält beim Beschleunigen den zuvor fest gelegten Abstand ein.
ACC Autobahn ausgiebig ausprobiert
Privat fahre ich seit mehr als einem Jahrzehnt eine GS, erst eine 1200er, seit drei Jahren eine 1250er GS. Beide Maschinen hatten bereits einen Tempomaten, aber halt keine adaptive Geschwindigkeitskontrolle. Ausprobiert habe ich das System auf dem Weg von Berlin ins Weserbergland – einer Strecke von rund 360 Kilometern, 300 Kilometer davon war ich auf der Autobahn unterwegs.
Natürlich gab es dabei auch Verkehrssituationen, wo ich selbst eingreifen musste, beispielsweise im Stau oder in einer Baustelle hinter Magdeburg in Alleringersleben auf der A2. So unterwegs, ich gestehe es, war ich viel entspannter unterwegs, als wenn ich dieses radarbasierte System nicht gehabt hätte.
Das radarbasierte System an der 1300er GS hat mich überzeugt. Wer viel Langstrecke fährt, für den bietet die Active Cruise Control einen deutlichen Mehrwert.
Mit Blick auf den Totwinkelwarner meiner Testmaschine bin ich da nicht so sicher: natürlich ist es schön, den rückwärtigen Verkehr durch ein Lichtsymbol im Rückspiegel angezeigt zu bekommen. Doch kein einigermaßen umsichtiger Motorradfahrer leitet einen Spurwechsel ohne Schulterblick ein. Letztlich ist das indes wie so vieles Geschmacksache.
Großes Windschild zu empfehlen
Das kann man mit Blick auf Autobahnfahrten von dem kleinen Windschild meiner Testmaschine nicht sagen. Optisch steht es der Maschine zwar gut zu Gesicht, aber der Nutzwert ist eher gering. Wer also häufig auch längere Strecken auf der Autobahn zurücklegen muss, der sollte sich für das größere Windschild entscheiden. Gleiches trifft auf den Sitz zu: Die von uns gefahrene GS in der Ausstattungsvariante Trophy war mit der 87 Zentimeter hohen Sitzbank ausgestattet. Sie biet zwar eine besonders aufrechte Sitzposition und dadurch ein noch besseres Handling als mit dem Komfortsitz, aber der Sitz war mir schlicht zu hart. Bequem ist anders – gerade auf der Langstrecke sitzt man dann doch lieber etwas komfortabler. Aber hier bieten die Münchner ihren Kundinnen und Kunden ja alle Wahlmöglichkeiten.
Bleiben wir gleich beim Handling der Neuen – die ja bereits allenthalben als beste GS aller Zeiten bezeichnet wurde. Ja, im direkten Vergleich zu meiner privaten 1250er fährt die 1300er noch agiler, lässt sich noch leichter durch Kurven manövrieren. Das soll bei einer Maschine schon etwas heißen, dessen Fahrwerk bereits zuvor ziemlich gut war. Dieses noch bessere Handling liegt auch am geringeren Gewicht. Mit 237 Kilogramm ist die neue rund zwölf Kilogramm leichter. Wobei diese Gewichtsersparnis so nicht ganz stimmt, da die 1300er serienmäßig nicht mit Hauptständer ausgeliefert wird. Warum eigentlich nicht?
Leistung von 145 PS
Sei es drum. Das Fahrwerk jedenfalls ist tadellos. So verrichten an der Vordergabel ein Evo Telelever und am Heck die neue Hinterradführung mit Evo Paralever ihre Arbeit. Sie ermöglichen ein präzises Lenken und sorgen in Kombination mit dem elektronisch gesteuerten Fahrwerk DSA für eine gute Fahrstabilität – und das auch bei schlechten Fahrbahnverhältnissen auf der Strecke von Brevörder hinauf auf die Ottensteiner Hochebene über die unter Motorradfahrern der Region bekannten 13 Kurven.
Der neuentwickelte Boxermotor erweist sich dabei als souveräner Begleiter. Der Zweizylinder-Boxer leistet nun 145 PS (9 PS mehr als bei der 1250er) und kommt auf ein maximales Drehmoment von 148 Nm. Sie liegen bei 6500 u./min. an. Der Boxer beeindruckt dabei mit einer tollen Performance, beschleunigt selbst im fünften Gang aus niedrigen Drehzahlbereichen hervorragend. Wer möchte, der kann in 3,4 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigen, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 225 km/h an.
Damit kann man, wenn man es denn braucht, auch in Konkurrenz mit Sportmotorrädern treten. Aber muss man das? Nein, de GS spielt ihre Stärken doch eher durch ihre Vielseitigkeit aus. Nicht von ungefähr bezeichnet man sie immer wieder als „eierlegende Wollmichsau“. Man muss den Ausdruck nicht mögen, aber er trifft ziemlich genau das, was die GS zur meistverkauften Reiseenduro der Welt macht.
Wippschalter soll Bedienung erleichtern
Etwas, an das man sich gewöhnen muss, ist der Wippschalter am linken Griff: über ihn lassen sich u.a. Abstandshalter und Griffheizung einstellen. Damit soll die Bedienung erleichtert werden. Einen Moment der Irritation gab es bei mir übrigens beim ersten Tankstopp, als sich der Tankdeckel nicht sofort öffnen ließ. Er ging erst nach kurzer Verzögerung auf….
Wenn es denn noch etwas gibt was an der GS stört, dann ist es ihr Preis. Es geht bei knapp unter 20.000 Euro /als GS Tropy sind es mindestens 20.735 Euro) los und wer dann noch ein paar Nettigkeiten und Pakete hinzubucht, kommt locker über 25.000 Euro. Das ist eine Ansage. Und, ist die R 1300 GS eine Maschine, die Fahrer einer 1250er zum Umstieg animiert. Im Vorfeld des Tests hätte ich das verneint. Schließlich muss man nicht auf jedes neue Modell umsteigen. Nach den knapp zwei Testwochen und über 550 Kilometern bringt sie mich schon ins Grübeln, ob ich mich von meiner 1250er verabschieden soll.