Eine gute Reiseenduro gab es bislang nicht für schmales Geld. Doch das ändert sich nun mit der Benelli TRK 702 X. Sie ist nicht nur vergleichsweise günstig, sondern überzeugt auch im Test.
Sie suchen eine gute Reiseenduro? Ihnen fehlte dafür bislang indes das Budget? Dann könnte die Benelli TRK 702 X etwas für Sie sein. Sie bietet für nicht einmal 8000 Euro nicht nur einen modernen 70-PS-Zweizylindermotor und drei groß dimensionierten Scheibenbremsen, sondern auch alles, was man sonst noch zum Verreisen auf und streckenweise auch neben der Straße braucht. So etwas gibt es in Deutschland normalerweise nur auf dem Gebrauchtmarkt.
Benelli, jahrzehntealter Motorradhersteller aus Italien, bietet mit der neuen TRK 702 X solch ein Preiswunder an. Die Marke kann dies freilich nur deshalb, weil die Firma sich in Pesaro auf die Entwicklung beschränkt und alles andere in China erfolgt. Denn Benelli ist schon seit 2005 im Besitz der Quian Jiang-Group, größter Zweiradhersteller Chinas. Für Käufer einer Benelli ist dies ein großer Vorteil: Die TRK 702 X hat sich im Zweiwochen-Test unerwartet gut geschlagen und kann, abgesehen von geringen Ungereimtheiten, in vielen Punkten voll überzeugen.
Preis startet bei 7700 Euro
In diesem speziellen Fall steht deshalb nicht die Technik am Beginn der Darstellung, sondern der Preis. Für 7.700 Euro (plus 350 Euro Liefernebenkosten) erhalten Käufer ein ausgewachsenes, durchaus repräsentatives Motorrad mit „Adventure“-Touch. Denn die zum Test zur Verfügung stehende TRK 702 weist relativ neben stark profilierten Pirelli-Reifen (Scorpion Rally STR) auch kräftige Handprotektoren sowie als Zubehör (120 Euro) einen voluminösen Stahlbügel zum Schutz der vorderen Karosserieteile auf.
Vollends unübersehbar wird die Benelli durch das dreiteilige Set von ausgezeichnet verarbeiteten und bestens ausgestatteten Aluminiumkoffern; zwei sind seitlich des Soziussitzes montiert, das Topcase thront in bemerkenswerter Höhe hinter dem Platz des Passagiers. Das Schönste: Das Set ist gratis, wird also – zumindest in diesem Jahr, vor Umstellung auf die Euro5+-Version ab 2025 – kostenfrei mitgeliefert. Dem schnellen Käufer bringt das eine Einsparung in vierstelliger Höhe.
Aufgeräumtes und gefälliges Cockpit
Doch nun geht’s ums Fahren. Hat man den recht hoch wirkenden Sitz erklommen, präsentiert sich das Cockpit gefällig und aufgeräumt. Das Schmankerl der hinterleuchteten Lenkerschaltern wird man freilich erst bei Dunkelheit erkennen. Sofort in den Blick fällt dagegen das sehr klar und aufgeräumt gezeichnete Fünfzoll-TFT-Display.
Es zeigt wahlweise Schwarz auf Weiß oder umgekehrt an oder wechselt die Anzeige in Abhängigkeit vom Umgebungslicht. Auch sämtliche Konnektivitäts-Spielarten inklusive Kartennavigation mit Hilfe einer Smartphone-App beherrscht es. Nur praller Sonneneinstrahlung steht es hilflos gegenüber: Dann ist – anzeigentechnisch – Blindflug angesagt. Ansonsten ist alles in Butter, denn auch weitenverstellbare Handhebel werden geliefert. Ein großes Lob gilt dem zwar kleinen, aber sehr wirksamen und turbulenzfrei agierenden Windschild.
Gewicht bei 240 Kilogramm
Angesichts des für die Hubraumklasse hohen Fahrzeuggewichts von um die 240 Kilo sind die 70 PS Leistung nicht zu viel, weshalb der Zweizylinder für flottes Fahren kräftig gedreht werden muss. Fahrmodi oder eine Traktionskontrolle schenkt man sich beim Hersteller, aber das ist auch kein Problem, denn die Leistung setzt niemals abrupt ein. Drehzahlen unter 3000 U/min liebt der Motor nicht wirklich.
Das Temperament des Vierventilers ist dank kurzer Übersetzung gut, das Drehvermögen voll zufriedenstellend. Nicht ganz perfekt zeigt sich ab etwa 5.000 Touren das Vibrationsverhalten des mit nur einer Ausgleichswelle ausgerüsteten Motors. In punkto Verbrauch agiert die Benelli auf klassenüblichem Niveau: Mit dem Normverbrauch von 4,6 Litern pro 100 km kann man über 400 Kilometer zurücklegen, weil der Tank mit 20 Litern ungewöhnlich groß ausgefallen ist.
Kritik an Position der Fußrasten
Eine Frage der Gewöhnung sind die Sitzposition wie auch die Straffheit der Sitzpolster. Während wir uns an letztere insbesondere bei engagierter Fahrt gut gewöhnen konnten, galt dies für die Sitzposition nicht: Uns scheinen die Fußrasten etwas zu hoch und auch etwas zu weit vorne montiert, sodass wir uns in einer angedeuteten leichten Hockposition fühlten. Das Entfernen der voluminösen Fußrastengummis verbesserte zwar die Sitzposition, nicht aber die Vibrationsentfaltung des Triebwerks.
Nicht nur Show ist das Adventure-Outfit, denn die Benelli macht auch abseits des Asphalts ihre Sache gut, sofern man sich nicht in gröberes Gelände wagt, denn 14 Zentimeter Federweg an der USD-Gabel sind unterdurchschnittlich. Auf der Straße weist sie ein ausgewogenes, stabiles Fahrverhalten auf, wobei ihr dank des großen Tanks recht hoher Schwerpunkt leicht spürbar, aber niemals lästig ist. Bremsen, Kupplung und Schaltung funktionieren auf gutem Niveau.
Unterm Strich ziehen wir ein positives Fazit: Wer mit der ein wenig irritierenden Sitzposition gut klarkommt, wird auf dem Neufahrzeugmarkt nirgendwo mehr gut nutzbares Motorrad für überschaubares Geld finden. Zudem schließen die günstigen Benelli-Preise auch eventuelles Zubehör ein: Eine Griffheizung für 80 Euro, eine Sitzheizung von 140 oder eine Sportauspuffanlage 440 Euro (alle Preise plus Montage) sind scharf kalkuliert. Eine ausgiebige Probefahrt sei insbesondere preissensiblen Fahrern empfohlen. Auch dann, wenn sie lediglich über eine A2-Lizenz verfügen, denn in der leistungsbeschränkten Version wird die TRK 702 X ebenfalls ausgeliefert. (SP-X)