«Smart steckt mitten in einer sehr mutigen Transformation»

Smart-Chefin Annette Winkler

«Smart steckt mitten in einer sehr mutigen Transformation»
Annette Winkler sieht einen Schwenk Richtung E-Mobilität. © Daniele Di Miero/Daimler

Smart wird ab dem Jahr 2020 in Europa keine Verbrennungsmotoren mehr anbieten. Im Interview mit der Autogazette spricht Markenchefin Annette Winkler über den dafür nötigen Transformationsprozess.

Bereits heute bietet die Daimler-Tochter Smart von jedem ihrer Modelle eine Elektroversion an. Damit ist die Kleinwagenmarke Trendsetter in der Autobranche. Ab dem Jahr 2020 verabschiedet sich die Marke zunächst in Europa und dann in anderen Märkten komplett vom Verbrennungsmotor.

«Das Umlegen des Schalters bedeutet operativ natürlich gewaltige Herausforderungen. Umso ermutigender ist die großartige Entwicklung der Auftragseingänge bei unseren Elektro-Smart, die seit Markteinführung nur eine Richtung kennen: nach oben», sagte Smart-Chefin Annette Winkler im Interview mit der Autogazette.

«2017 war ein hervorragendes Jahr für Smart»

Der Elektro-Smart in Toulouse. Foto: Daimler
Der Smart Forfour Electric Drive. Foto: Daimler

Autogazette: Frau Winkler, war 2017 ein gutes oder ein schlechtes Jahr für Smart?

Annette Winkler: 2017 war ein hervorragendes Jahr für Smart. Es war das zweitbeste Absatzjahr der Marke in den zurückliegenden zehn Jahren.

Autogazette: Mit etwas mehr als 135.000 Einheiten gab es in 2017 für Smart im Vergleich zu 2016 einen Rückgang von 6,5 Prozent, im Dezember lag er sogar bei 19 Prozent. Stimmt Sie das nachdenklich?

Winkler: Keineswegs. In der Langzeitbetrachtung haben wir, ich wiederhole das gerne, das zweitbeste Ergebnis in der letzten Dekade erzielt. Hervorzuheben ist auch ein Wachstum von fast 10 Prozent in China –strategisch einer unserer wichtigsten Märkte; wir spüren, dass es überall nach wie vor eine große Begeisterung für unsere Fahrzeuge gibt. Im Übrigen ist der Rückgang auch nicht sonderlich aussagekräftig, da wir 2016 ein Allzeithoch hatten und es weitere Sondereinflüsse gab.

Autogazette: Welche?

Winkler: Einen spürbaren Einfluss hatte die wegbereitende Umstellung auf den Elektroantrieb in den USA und Kanada Anfang 2017 und das gleichzeitig abrupt auslaufende Angebot des Verbrennermotors in diesen Märkten, einige Monate vor der Markteinführung der smart ed. Darüber hinaus hätten wir überall deutlich mehr elektrische Smarts verkaufen können, wenn wir eine volle Verfügbarkeit an Fahrzeugen gehabt hätten. Es war einfach nicht absehbar, dass der Schwenk Richtung Elektromobilität so massiv und schnell einsetzt.

«Wir sind überwältigt von der Nachfrage»

Annette Winkler. Foto: Daniele Di Miero
Für Annette Winkler ist die Zukunft von Smart elektrisch. Foto: Foto: Daniele Di Miero/Daimler

Autogazette: Wie kommen Sie auf die Annahme, dass es einen Schwenk Richtung E-Mobilität gibt? Trotz Kaufprämie bleibt die Nachfrage nach E-Autos verhalten.

Winkler: Ich spreche von Smart! Wir sind überwältigt von der Nachfrage. Im letzten Quartal 2017 waren wir die erfolgreichste Marke bei den vollelektrischen Autos in Deutschland, obwohl wir erst Mitte des Jahres unsere Modelle auf den Markt gebracht haben. In diesen sechs Monaten haben wir in Deutschland mehr elektrische Autos verkauft als in den Jahren 2013 und 2014 zusammen, in denen wir auch bereits Marktführer unter den vollelektrischen Fahrzeugen waren.

Autogazette: In Deutschland wurden im Vorjahr 2987 Smart Electric Drive abgesetzt. Stellt Sie das zufrieden?

Winkler: Absolut, das ist ja nur die Zulassungszahl für den Fortwo, die wir in gerade einmal sechs Monaten erzielt haben. Das zeigt die Kraft der Marke.

Autogazette: Welche Kraft hat die Marke mit Blick auf den Absatz für 2018?

Winkler: Die Marke Smart steckt mitten in einer sehr mutigen Transformation: so haben wir angekündigt, dass Smart nach USA und Kanada ab 2020 auch in Europa ausschließlich als elektrische Variante angeboten werden wird. Zu einer solchen Transformation gehört in einer Übergangsphase vielleicht auch mal ein kleines Minus beim Absatz. Das Umlegen des Schalters bedeutet operativ natürlich gewaltige Herausforderungen. Umso ermutigender ist die großartige Entwicklung der Auftragseingänge bei unseren Elektro-Smart, die seit Markteinführung nur eine Richtung kennen: nach oben.

«So haben wir uns einen Smart immer vorgestellt»

Annette Winkler. Foto: Daniele Di Miero
Annette Winkler steckt mit Smart mitten in einer Transformation. Foto: Daniele Di Miero/Daimler

Autogazette: Die Transformation der Marke beginnt also nicht erst 2020?

Winkler: Wir fokussieren uns darauf, dass wir ab 2020 eine volle Verfügbarkeit an Elektroautos haben. Bereits heute bekommen wir von unseren Kunden mit Blick auf unsere elektrischen Autos das Feedback: Genau so haben wir uns einen Smart immer vorgestellt.

Autogazette: Einen Elektro-Smart zu fahren ist also angesagt?

Winkler: Ja, es ist, wie man so schön sagt, „hip“, einen Elektro-Smart zu fahren. Er vermittelt ein großartiges Fahrgefühl und der elektrische ist der beste Antrieb für das perfekte Stadtauto. Über 40 Prozent unserer Kunden haben übrigens neben einem Smart auch noch ein Oberklassefahrzeug in der Garage stehen. Der Besitz eines elektrischen smart als Zweit- und Drittfahrzeug, um damit umweltfreundlich in die Stadt zu fahren, wird immer verbreiteter und immer begehrlicher.

Autogazette: Eine weitere Karosserie-Variante wie ein SUV spielt also keine Rolle?

Winkler: Nein, über weitere Aufbauten machen wir uns keine Gedanken. Es geht vielmehr darum, die Konnektivität und Services rund um den smart auszubauen. Wir investieren unser Geld dorthin, wo die Zukunft liegt, nämlich in die weitere Stärkung der Attraktivität unserer jetzigen Modelle.

«China wird immer wichtiger»

Smart Fortwo in China. Foto: Daimler
Der Smart Fortwo unterwegs in Peking. Foto: Daimler

Autogazette: Wo sehen Sie für den Elektro-Smart perspektivisch den größten Markt?

Winkler: Unser größter Markt ist Europa, aber China wird immer wichtiger. Auch die USA, wenngleich auf kleinerem Niveau, bleibt für die E-Mobilität ein ernst zu nehmender, wichtiger Markt, mit Schwerpunkt in unseren „Smart cities“.

Autogazette: In China konnte Smart im Vorjahr mit fast 23.100 Einheiten einen Zuwachs von fast 10 Prozent erzielen. Das ist also der Markt, wo die Musik spielt?

Winkler: Wir haben dort eine enorm hohe Markenakzeptanz, liegen hier vor allen Mitbewerbern. Jeder meint übrigens, dass wir in China vor allem wegen der Präsenz in Peking, Shanghai und Guangzhou so erfolgreich sind. Unsere größten Erfolge haben wir bislang aber sogar in den second tiers cities, weil man dort über eine Erhöhung der Sichtbarkeit unserer überaus beliebten Fahrzeuge viel intensiver die Marke aufbauen kann. Auch hieran sieht man, wieviel Potenzial wir noch haben, insbesondere dann, wenn wir unsere Fahrzeuge mit Elektroantrieb anbieten würden.

«Eine lokale Produktion in China wird gebraucht»

Autogazette: Mit Blick auf die Transformation der Marke muss Smart perspektivisch seine E-Modelle auch in China produzieren?

Winkler: Eine lokale Produktion wird in China gebraucht, um die dortigen Subventionen und sonstigen Vorteile für Elektrofahrzeuge zu bekommen, wie zum Bespiel bei der – insbesondere in den größten Städten sehr restriktiven – Vergabe von Kennzeichen. Ein elektrischer Smart für China wäre für uns eine weitere, große Chance. Wir hoffen, dass es uns gelingt, eine „smarte“ Lösung zu erarbeiten. Ob es tatsächlich eine lokale Produktion geben wird, steht noch nicht fest.

Autogazette: Wird es in China einen klassischen Smart Fortwo geben oder ein Derivat?

Winkler: Das kann ich nicht sagen; in jedem Fall ist und bleibt der Smart Fortwo die Säule unserer Marke.

«Bin grundsätzich gegen jegliche Quoten»

Smart Electric Drive. Foto: Daimler
Smart bietet seine Modelle bereits heute alle auch mit Elektroantrieb an. Foto: Daiimler

Autogazette: Auch Sie hatten sich für die Kaufprämie ausgesprochen, einer E-Quote aber eine Absage erteilt. Braucht es für eine Verkehrswende nicht auch Vorgaben wie eine Quote?

Winkler: Ich habe mich nie offensiv für eine Kaufprämie ausgesprochen, sehr wohl aber gesagt, dass eine solche finanzielle Unterstützung sinnvoll sein kann, um die Akzeptanz der Elektromobilität zu beschleunigen, insbesondere solange E-Autos noch teurer sind als Autos mit Verbrennungsmotor. Wir merken aber auch, dass wir in Märkten ohne Kaufprämie eine erstaunlich hohe Nachfrage haben, wie zum Beispiel in Italien. Entscheidend ist, dass man eine „Haltung pro E-Mobilität“ entwickelt, die man aller Ortens mit einem ganzen Blumenstrauß von Maßnahmen erlebt, angefangen bei finanziellen und nichtfinanziellen Vorteilen bis zum Angebot an grüner Energie.

Autogazette: Eine E-Auto-Quote macht keinen Sinn?

Winkler: Ich bin grundsätzlich gegen jegliche Quoten und Reglementierungen, aber, wie gesagt, dafür, dass wir eine Haltung, eine Begeisterung und Anreize für die E-Mobilität schaffen.

Autogazette: Kommen wir denn ohne Quote oder anderen Restriktionen zu einer Verkehrswende? Daimler macht mehr als ein Drittel seines Absatzes mit SUVs.

Winkler: Es ist doch fantastisch, dass Daimler ein derart attraktives Portfolio anbietet: Für die Langstrecke haben wir einen Plug-in-Hybrid, oder immer sparsamer werdende Verbrennerfahrzeuge, für die Stadt den Elektro-Smart.

«Zukunft der urbanen Mobilität wird elektrisch sein»

Autogazette: Auf der einen Seite sind Sie Chefin einer Marke, die sich gerade transformiert, auf der anderen Seite reden Sie dem Diesel das Wort. Wie passt das zusammen?

Winkler: Weil die Kombination entscheidend ist. Der Diesel ist nun einmal für die CO2-Reduktion wichtig…

Autogazette: …was man auch anders sehen kann. Denn durch die erhöhte Fahrleistung wird die CO2-Ersparnis durchaus aufgehoben…

Winkler:Die Fahrleistung wird offensichtlich zunächst einmal benötigt und für diese bieten wir immer sparsamere Motorvarianten an. So oder so: Die Zukunft der urbanen Mobilität wird elektrisch sein. Bis auf Daimler hat kein anderer Hersteller eine urbane und vollelektrische Marke.

«Stellen genau zum richtigen Zeitpunkt um»

Smart Vision EQ Fortwo. Foto: Daimler
Mit dem Vision EQ Fortwo wagt Smart einen Ausblick in die Zukunft. Foto: Daimler

Autogazette: Ein Markthochlauf der E-Mobilität wird frühestens 2020 erwartet. Kommt die Umstellung damit für Sie zu früh?

Winkler: Nein, überhaupt nicht. Es ist zwar ein mutiger Schritt, doch Smart war immer der Tempomacher bei der urbanen Mobilität. Wir sind überzeugt, dass diese in Zukunft elektrisch sein wird. Deshalb stellen wir genau zum richtigen Zeitpunkt auf die E-Mobilität um. Natürlich kann es dann auch so sein, dass der Absatz in der Übergangs- und Anfangszeit hier und da auch mal etwas geringer ausfällt.

Autogazette: Sie rechnen ab 2020 mit einem Absatzeinbruch?

Winkler: Natürlich kann es sein, dass wir vereinzelt Absatzrückgänge hinnehmen müssen. Ich glaube mittlerweile aber aufgrund der stetig steigenden Nachfrage fest an das Absatzpotenzial unserer E-Smarts, wobei dieses natürlich auch davon abhängt, wie schnell sich beispielsweise die Lade-Infrastruktur entwickelt.

Autogazette: Wie sieht die Belegschaft im Werk Hambach den Weg in die Elektrifizierung. Fürchtet man um Arbeitsplätze?

Winkler: Nein, das Team steht voll und ganz hinter dieser Entscheidung. Es herrscht Aufbruchsstimmung und wir sind stolz darauf, dass die Vision unserer Gründerväter jetzt Wirklichkeit wird und wir die Generation sind, die sie umsetzen dürfen. Zudem haben wir Vorsorge getroffen, dass in Hambach für den Fall der Fälle auch andere Konzernprodukte, wie Vorserienmodelle, produziert werden können.

Autogazette: Welche Services werden Sie Ihren Kunden als Nächstes bei den Mobilitätsdienstleistungen anbieten?

Winkler: Wir setzen auf einen Ausbau unserer Mobilitätsdienstleistungen. Dazu gehört auch, dass wir ab März zunächst in den drei Ländern Deutschland, Italien und Frankreich unseren Service „ready to share“, also die Möglichkeit für privates Carsharing flächendeckend anbieten. Privatleute können ihren Smart dann auch anderen Personen zur Nutzung anbieten, perspektivisch auch gegen Bezahlung. Dadurch entsteht ein hoher zusätzlicher Kundennutzen. Zugleich wird Smart Teil von EQ, der neuen elektrischen Marke von Daimler.

«EQ steht für mehr als nur ein elektrisches Auto»

Annette Winkler. Foto: Daniele Di Miero
Smart-Chefin Annette Winkler in ihrem Büro in Böblingen. Foto: Daniele Di Miero/Daimler

Autogazette: Welchen Vorteil bringt die Zugehörigkeit zu EQ?

Winkler: EQ steht für mehr als nur ein elektrisches Auto. So bieten wir nicht nur Mobilitätsdienstleistungen wie ready to share an, vernetzen unsere Modelle zusehends, sondern bieten in den nächsten Monaten auch einen 22 kW-Schnelllader an. Er ermöglicht die Aufladung unseres Fahrzeuges in weniger als einer Stunde. Das macht Smart gerade auch für Flottenkunden noch interessanter.

Autogazette: Zuletzt haben Sie den Smart Vision EQ Fortwo in Las Vegas gezeigt. So cool das Auto auch ausschaut, doch auf der Straße werden wir es frühestens 2030, eher später sehen. Was macht den EQ so wichtig für die Marke?

Winkler: Für die Zukunft werden in den Städten Robo-Taxis erwartet – und der Smart Vision EQ Fortwo ist unsere Antwort auf die Herausforderungen der urbanen Mobilität der Zukunft. Dieses Auto fährt elektrisch, autonom, es ist perfekt und intelligent vernetzt. Der Platz in den Städten wird immer geringer – und vor diesem Hintergrund ist unser Smart Vision ein ideales Auto.

Autogazette: Wann wird diese Vision Realität?

Winkler: Wir werden von den vielen tollen Ideen, die in diesem Konzept stecken, Jahr für Jahr ein Stück mehr Realität werden lassen.

Das Interview mit Annette Winkler führte Frank Mertens

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