«Elektromobilität muss gepusht werden»

Smart-Chefin Annette Winkler

«Elektromobilität muss gepusht werden»
Smart-Chefin Annette Winkler will in China deutlich zulegen. © Daimler

Smart befindet sich auf Wachstumskurs. Im Interview mit der Autogazette spricht Markenchefin Annette Winkler über die Kooperation mit Renault, China, Apple und das Elektromobilitätsgesetz.

Die Daimler-Tochter Smart rechnet mit einem deutlichen Wachstum auf dem chinesischen Markt. «China ist auf dem Weg, der weltweit größte Markt für Smart zu werden. Das könnte vielleicht schon in zwei bis drei Jahren der Fall sein», sagte Smart-Chefin Annette Winkler im Interview mit der Autogazette. «Wir haben dort sehr viel und sehr erfolgreich in die Marke investiert.» Im Vorjahr hatte Smart in Deutschland 22.400 Fahrzeuge absetzen können, in China waren es 17.800 Einheiten.

Dabei will Smart perspektivisch «mehr und mehr in die kleineren Städte Chinas gehen, in denen wir bisher noch nicht präsent sind. Wenn ich von kleineren Städten spreche, dann sind das immer noch Städte mit einer Einwohnerzahl von mehreren Millionen Menschen. Allein daran sehen Sie, welches Potenzial für Smart in diesem Markt steckt», so Winkler.

Neue Services rund um die Mobilität schaffen

Natürlich reiche es dabei nicht aus, nur die Zahl der Städte zu erweitern, betonte die Smart-Chefin. «Wir müssen mehr tun, nämlich immer neue Services rund um die Mobilität in der Stadt entwickeln und zwar insbesondere solche, die nur mit unserem Auto und seiner einzigartigen Kompaktheit möglich sind. Und genau das tun wir auch sehr konsequent.» Dazu gehöre beispielsweise, dass Smart-Käufern die Möglichkeit geboten werde, «spezielle Parkflächen in den Innenstädten zu nutzen. Und die Kunden selber können jederzeit selbst gefundene Parkplätze, auf die nur ein Smart passt, in unsere Smart-Navigation integrieren. Solche Services bieten einen Mehrwert, den Großstädter sehr zu schätzen wissen.»

Zugleich solle auch die Zahl der Händler weiter ausgebaut werden. «2010 waren es im Reich der Mitte noch 16 Outlets, heute sind es über 140. Und das wird auch weitergehen. Es ist dabei wichtig, Smart zielgerichtet dort einzuführen, wo die Rahmenbedingungen am besten zur Marke passen.»

«Erwarten für dieses Jahr schöne Wachstumsrate»

Der neue Smart Fortwo.
Der neue Smart Fortwo Daimler

Autogazette: Frau Winkler, Smart hat im Januar einen Zuwachs von fast 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat erzielt. Ist das eine Steigerungsrate, die Sie angesichts gleich zwei neuer Modelle auch Ende des Jahres erreichen wollen?

Annette Winkler: Wir erwarten für dieses Jahr eine sehr schöne Wachstumsrate für die Marke Smart, auch im Februar haben wir um 12,7 Prozent zulegen können. Schließlich bieten wir unseren Kunden mit dem Fortwo und dem Forfour zwei neue Modelle an. Doch die Verkäufe in zwei unserer Topmärkte, den USA und China, müssen wir bis Mitte des Jahres noch mit unserem alten Modell bestreiten. Dass es angesichts dessen zu den von Ihnen genannten Steigerungsraten kommt, ist nicht wirklich realistisch.

Autogazette: Auch wenn Sie sich zu konkreten Steigerungsraten nicht äußern wollen: Ein Absatz von weniger als 120.000 Einheiten nach den rund 90.000 Einheiten des Vorjahres wäre in 2015 doch eine riesige Enttäuschung.

Winkler: Das sehe ich anders, denn auch in Europa kommen einige sehr wichtige Varianten unserer neuen Smarts erst im Laufe des Jahres. Unser voraussichtliches «Brot-und-Butter-Auto», der Smart Fortwo mit 52 kW und DCT-Getriebe, kommt beispielsweise Ende März in die Showrooms, danach weitere Motor- und Ländervarianten, schließlich Ende des Jahres das Smart Cabrio.

Autogazette: Wenn das Brot-und-Butter-Auto erst später kommt, dann dürfte doch ein noch besseres Wachstum als bisher erzielt werden.

Winkler: Wir sind in der Tat sehr sicher, dass die von Anfang an spürbare Begeisterung für unsere neuen Autos zu sehr guten Verkaufszahlen führen wird, aber es ist einfach nicht unsere Art, über konkrete Prognosen zu sprechen.

«Fokussieren Aktivitäten auf sogenannte Smart Cities»

Autogazette: Bislang ist Deutschland mit 22.400 Einheiten der wichtigste Smart-Markt. Wann wird China diese Stelle einnehmen, nachdem Sie dort letztes Jahr 17.800 Fahrzeuge verkauft haben?

Annette Winkler: China ist auf dem Weg, der weltweit größte Markt für Smart zu werden. Das könnte vielleicht schon in zwei bis drei Jahren der Fall sein. Wir haben dort sehr viel und sehr erfolgreich in die Marke investiert. Dass das Auto auf ein riesiges Interesse stößt, konnte man zuletzt in Shanghai beim dortigen Fantreffen, den Smart Times, erleben. Dabei war zu spüren, wie kultig die Marke Smart in China ist: 50.000 Besucher und begeisterte Smart-Fans waren dabei.



Autogazette: Mit welchen konkreten Maßnahmen wollen Sie die Marke in China weiter nach vorne bringen?

Winkler: Wir fokussieren unsere Aktivitäten weiterhin auf sogenannte «Smart Cities», in denen wir den Kunden mit besonders qualifizierten Teams die Vorteile unseres perfekt für Städte geeigneten Autos nahe bringen. Zusätzlich werden wir mit Smart nun aber auch mehr und mehr in die kleineren Städte Chinas gehen, in denen wir bisher noch nicht präsent sind. Wenn ich von kleineren Städten spreche, dann sind das immer noch Städte mit einer Einwohnerzahl von mehreren Millionen Menschen. Allein daran sehen Sie, welches Potenzial für Smart in diesem Markt steckt.

Autogazette: Reicht das aus, nur in mehr Städte zu gehen?

Winkler: Natürlich nicht, wir müssen mehr tun, nämlich immer neue Services rund um die Mobilität in der Stadt entwickeln und zwar insbesondere solche, die nur mit unserem Auto und seiner einzigartigen Kompaktheit möglich sind. Und genau das tun wir auch sehr konsequent. Gestartet sind wir in 15 «Smart Cities», die wir bis Ende des Jahres auf 20 Städte ausweiten werden, unter anderem auch in China. In solchen Städten wird beispielsweise Kunden, die einen Smart kaufen, die Möglichkeit geboten, spezielle Parkflächen in den Innenstädten zu nutzen. Und die Kunden selber können jederzeit selbst gefundene Parkplätze, auf die nur ein Smart passt, in unsere Smart-Navigation integrieren. Solche Services bieten einen Mehrwert, den Großstädter sehr zu schätzen wissen.

«Die Chinesen lieben dieses Auto»

Car2go wird demnächst in China an den Start gehen.
Car2Go soll innerhalb eines Jahres nach China kommen Daimler

Autogazette: Das Händlernetz in China reicht für das angepeilte Wachstum aus?

Winkler: Wir haben das Händlernetz in China ausgebaut – 2010 waren es im Reich der Mitte noch 16 Outlets, heute sind es über 140. Und das wird auch weitergehen. Es ist dabei wichtig, Smart zielgerichtet dort einzuführen, wo die Rahmenbedingungen am besten zur Marke passen.

Autogazette: Welche Rolle wird dem Internetverkauf in China zukommen?

Winkler: Strategisch ist der Internetverkauf für Smart ein ganz wichtiger Bereich, er wird das Wachstum der Marke deutlich befördern. Wir wissen, dass 90 Prozent aller Autoverkäufe im Internet beginnen. Deshalb haben wir bereits bei WeChat, einem Netzwerk mit 600 Millionen Nutzern, die auf 388 Einheiten limitierte, sehr exklusive Smart BoConcept-Edition angeboten. Sie war innerhalb von gerade einmal drei Minuten ausverkauft. Das zeigt, was wir mit dem Internetverkauf alles erreichen können. Wichtig dabei ist: unser Handel ist immer involviert.

Autogazette: Also bauen Sie das Thema dort aus?

Winkler: Ja, absolut. Derzeit fokussieren wir uns zwar noch darauf, das Internet als Kommunikationskanal zu nutzen, aber wir werden es in Zusammenarbeit mit unseren Vertriebspartnern immer stärker auch zu einem Absatzkanal ausbauen. Die persönliche Beziehung von Fahrzeughändler und Kunde kann das Internet dabei allerdings nicht ersetzen.

Autogazette: Car2Go wird innerhalb eines Jahres auch in China an den Start gehen. Was bedeutet das für Ihren Absatz?

Winkler: Car2Go hat derzeit weltweit 13.000 Smart in seiner Flotte. Pro Jahr entfallen derzeit 4000 bis 5000 Einheiten auf diesen Absatzkanal, damit ist Car2Go unser größter Einzelkunde. Doch dahinter stehen eine Million Menschen, die beim Carsharing im Smart unterwegs sind. Ich bin sehr davon überzeugt, dass car2go in China von den Kunden angenommen wird, denn wir haben mit Smart enorm hohe Markenwerte in China. Die Chinesen lieben dieses Auto, Smart loves China und China loves Smart. So sind wir in China seit unserem Marktstart im fünften Jahr in Folge Car of the Year im Microsegment.

Autogazette: Vor dem Marktstart des neuen Smart sind Sie von einem Mix von zwei Drittel für den Fortwo und einem Drittel für den Forfour ausgegangen. Bleibt es dabei?

Winkler: Das ist von Markt zu Markt unterschiedlich. Genau wie der Anteil an Elektrofahrzeugen. In Deutschland waren wir im Vorjahr bei den vollelektrischen Fahrzeugen mit 1665 Zulassungen übrigens erneut die Nummer eins vor unseren Wettbewerbern!

«Das ist schlicht eine Frage der Priorisierung»

Für E-Autos gibt es Sonderkennzeichen.
Der neue Elektro-Smart kommt 2016 Daimler

Autogazette: Wann werden Sie denn den neuen Elektro-Smart auf den Markt bringen?

Winkler: Er wird 2016 auf den Markt kommen, voraussichtlich gegen Ende des Jahres.

Autogazette: Ist das nicht arg spät?

Winkler: Wieso? Das würde ich nicht so sehen. Wir produzieren ja noch den bisherigen Smart Electric Drive, er wird gemocht und gekauft. Es ist absolut in Ordnung, nicht alles auf einmal zu bringen. Das ist schlicht eine Frage der Priorisierung.

Autogazette: Wie interessant finden Sie das Projekt von Apple, selbst ein E-Auto anzubieten? Sehen Sie da einen ernstzunehmenden Player auf sich zukommen?

Winkler: Die Kombination aus Smartphone und Auto – das ist die Zukunft. Wir als Smart waren die Ersten, die ein Mobiltelefon in ein Auto eingebaut haben. Heute würde Car2Go ohne diese Kombination nicht funktionieren. Bei Smart haben wir vor neuen Wettbewerbern keine Angst. Nichtsdestotrotz nehmen wir gerade auch Branchenfremde, wie Apple, natürlich sehr ernst.

Autogazette: Sagt Ihnen die Zahl 18.948 etwas?

Winkler: Nein, sollte sie?

Autogazette: Das ist der Gesamtbestand an Elektrofahrzeugen auf den deutschen Straßen mit Stand 1. Januar 2015. Rechnen Sie angesichts dieser Zahl selbst noch damit, dass das Ziel der Bundesregierung aufgeht, bis 2020 eine Million Elektroautos auf den Straßen zu haben?

Winkler: Es wird unter anderem davon abhängen, wie das vom Bundestag beschlossene Elektromobilitätsgesetz in der Praxis umgesetzt wird. Die Städte müssen beispielsweise Busspuren für E-Autos zur Verfügung stellen und Parkplätze kostenlos bereitstellen. Wenn solche Möglichkeiten jetzt von den Kommunen auch genutzt und umgesetzt werden, denke ich, dass die Chance, dieses Ziel zu erreichen, noch immer besteht. Elektromobilität muss gepusht und die Begeisterung der Kunden für die E-Mobilität geweckt werden.

«Unser Verbrauch liegt auf Niveau des Wettbewerbs»

Smart Brabus Tailor Made
Smart Brabus Tailor Made Daimler

Autogazette: Sie betonen immer wieder, dass der Smart ein ideales Stadtfahrzeug ist. Gehört zu einem idealen Stadtfahrzeug nicht auch ein effizienter Verbrauch?

Winkler: Unser Verbrauch liegt auf dem Niveau des Wettbewerbs.

Autogazette: Ich meine nicht den NEFZ-Verbrauch, sondern den Realverbrauch, der beim Smart Fortwo um die 6,5 Liter liegt.

Winkler: Der NEFZ kann bei jedem Auto vom Realverbrauch abweichen, dazu gibt es zu viele Einflussfaktoren, vom Fahrstil bis zur Topographie. Aber die von Ihnen genannten 6,5 Liter sind zu hoch, ich fahre den neuen Fortwo auch persönlich und komme auf Werte, die bei entsprechender Fahrweise einiges unter den von Ihnen genannten liegen. Ich gebe aber gerne zu, dass mir das flotte Fahren im Smart so viel Spaß macht, dass ich manchmal auch unvernünftige Verbräuche erziele.

Autogazette: Die Kooperation mit Smart und Renault läuft jetzt fünf Jahre. Ist es eine Erfolgsgeschichte?

Winkler: Ja, gemeinsam haben wir drei tolle Autos entwickelt: Den Twingo, den Smart Fortwo und den Smart Forfour. Als wir mit diesem Projekt begannen, gab es viele Zweifler, die nicht daran geglaubt haben, dass das funktioniert. Es hat funktioniert – und das sehr erfolgreich, wie man auch an der gelungenen Markendifferenzierung sieht. Kooperationen muss man hinbekommen und sie auch leben. Das Ergebnis stimmt in unserem Fall beide Partner sehr positiv. Ohne diese Kooperation hätten wir die neuen Smart mit ihrem aufwändigen Heckantrieb nicht zu einem so attraktiven Preis anbieten können.

Das Interview mit Annette Winkler führte Frank Mertens

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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