Smart galt lange als Sorgenkind im Daimler-Konzern. Doch mittlerweile geht es mit der Marke aufwärts. Im Interview mit der Autogazette spricht Markenchefin Annette Winkler über Absatzziele, Car2Go und darüber, warum die Chinesen den Zweisitzer lieben.
Der Daimler-Konzern will mit seinem Carsharing-Geschäft Car2Go in zwei Jahren schwarze Zahlen schreiben. «Wir haben einen Business-Case – und hier liegen wir voll im Plan. Wir werden mit Car2Go ab 2014 profitabel sein», sagte Smart-Chefin Annette Winkler im Interview mit der Autogazette. Wie die Managerin hinzufügte, befinde man sich mit Car2Go weiter auf Wachstumskurs. «Gerade haben wir unser Engagement in Berlin bekannt gegeben und bis 2016 wollen wir in 40 bis 50 Städten in Europa und 20 bis 30 Städten in Nordamerika mit Car2Go vertreten sein.»
Smart hat Absatzziel von über 100.000 Fahrzeugen
Mit Blick auf das Absatzziel in diesem Jahr peilt Winkler trotz der Absatzkrise in Europa wie im Vorjahr «über 100.000 Einheiten» an. Das Jahr habe für Smart gut begonnen. «Zum Beispiel werden wir in China im ersten Quartal dieses Jahres vermutlich so viele Autos absetzen wie im gesamten Jahr 2010.» Damals konnte Smart 3900 Einheiten in China absetzen, 2011 waren es schon mehr als 11.000 Fahrzeuge. Mit Blick auf die Gesamtabsatzerwartung in China sagte Winkler, dass man dort stärker als der Markt wachsen wolle.
«Smart von Beginn an als Elektroauto konzipiert worden»
Autogazette: Frau Winkler, eigentlich wollten Sie ab Juni die ersten Elektro-Smart an Kunden ausliefern. Nun können Sie die ersten Fahrzeuge wegen Problemen bei einem Zulieferer frühestens ab September anbieten. Bleibt es bei diesem Termin?
Annette Winkler: Wir werden in Deutschland im Juni mit der Markteinführung des Smart Electric Drive beginnen. Ab September kommen dann weitere Fahrzeuge für die anderen Märkte hinzu. Es bleibt also bei dem Termin.
Autogazette: Bei welchem? Wenn es beim Juni-Termin bleibt, hätten Sie die Verzögerung nicht vermelden müssen.
Winkler: Es ist lediglich bei der Fertigstellung von Teilen für die Produktionsanlagen der Batterien zu leichten Verzögerungen gekommen, damit wir höchste Qualität sicherstellen können. Dies hält uns jedoch nicht davon ab, im Juni mit den Verkaufsaktivitäten in Deutschland anzufangen. Hierfür haben wir entsprechend Fahrzeuge für Probefahrten bei den Händlern stehen.
Autogazette: Liegt diese Lieferverzögerung ausschließlich am Zulieferer oder reagieren Sie damit auch auf einen Brand an einem Chevrolet Volt im Vorjahr in den USA, der drei Wochen nach einem Crashtest in Flammen aufgegangen ist?
Winkler: Nein, das hat damit nichts zu tun. Der Smart Electric Drive ist ein absolut sicheres Auto, der dasselbe hohe Sicherheitsniveau wie jeder Smart mit Verbrennungsmotor hat. Der Smart ist von Beginn an als Elektroauto konzipiert worden und wir verfügen bereits über langjährige Erfahrungen mit der Batterietechnologie - schließlich bringen wir den Electric Drive bereits in der dritten Generation auf den Markt.
«Die Zeit für Elektroautos ist gekommen»
Autogazette: Glauben Sie, dass die Kunden derzeit schon reif sind für Elektroautos? GM hat gerade wegen der geringen Nachfrage die Produktion des Chevrolet Volt gestoppt.
Winkler: Alle bisherigen Reaktionen, auch die starke Nutzung unseres Reservierungsprogramms, beweisen ein sehr großes Interesse der Kunden. Die Batterie-Technik ist perfekt für ein Stadtauto wie den Smart geeignet! Die Zeit der Elektrofahrzeuge ist gekommen, und ich bin mir sicher, dass wir hier die richtige Strategie fahren.
Autogazette: Im Preis sehen Sie kein Hindernis für eine schnelle Marktdurchdringung mit E-Autos?
Winkler: Natürlich muss es einen attraktiven Preis geben, den der Kunde auch zu zahlen bereit ist
Autogazette: ...Sie bieten den Smart für weniger als 16.000 Euro netto an und verlangen zusätzlich eine monatliche Mietgebühr von unter 60 Euro netto. Ist das ein attraktiver Preis?
Winkler: Ja, absolut. Ich denke, dass wir damit den Einstieg in die Elektromobilität für sehr viele Menschen ermöglichen. Zumal mit der Mietgebühr von 60 Euro ja auch noch die Batteriekapazität über zehn Jahre garantiert ist.
Autogazette: Rechnet sich dieser Preis für Sie denn?
Winkler: Wir bringen kein Produkt auf den Markt, das einen negativen Business-Case hat. Von daher wird auch dieses Produkt selbstverständlich mittelfristig positiv zu unserem Ergebnis beitragen.
«Man darf nicht nur monetär denken»
Autogazette: Sie hatten sich bereits mehrfach für Kaufanreize ausgesprochen. Doch Deutschland bezuschusst E-Autos immer noch nicht. Verspielt Deutschland damit die Chance, zum Leitmarkt bei der Elektromobilität zu werden?
Winkler: Ein Unternehmer ist gut beraten, wenn sein Geschäftsmodell nicht auf Subventionen des Staates basiert. Kaufanreiz bedeutet für mich aber nicht nur, einen finanziellen Anreiz zu setzen. Genauso wichtig wird sein, dass die Kommunen beispielsweise spezielle Parkplätze für Elektroautos zur Verfügung stellen oder Elektroautos auch die Busspur benutzen lassen. Man darf hier nicht nur monetär denken! Klar ist aber auch: wenn gar nichts unternommen wird, wird man sich schwer tun, Leitmarkt zu werden.
Autogazette: Sie sehen einen Trend zum Carsharing und bauen das Projekt Car2Go immer stärker aus. Doch noch ist es ein Zuschussgeschäft. Ab wann soll es sich rechnen?
Winkler: Wir haben einen Business-Case – und hier liegen wir voll im Plan. Wir werden mit Car2Go ab 2014 profitabel sein. Und unser Wachstumskurs hält an. Gerade haben wir unser Engagement in Berlin bekannt gegeben und bis 2016 wollen wir in 40 bis 50 Städten in Europa und 20 bis 30 Städten in Nordamerika mit Car2Go vertreten sein.
Autogazette: Wann kommt denn das von Ihnen angekündigte E-Bike? Es ist darum etwas ruhig geworden.
Winkler: Wir beginnen Ende April/Anfang Mai mit der Auslieferung. Die ersten beiden Räder haben wir gerade in Barcelona an die Formel-1-Piloten Michael Schumacher und Nico Rosberg übergeben.
Autogazette: Und wo liegt der Preis?
Winkler: In Deutschland bei 2849 Euro inklusive Mehrwertsteuer.
«Bereiten dem Unternehmen Freude»
Autogazette: Sie sehen Smart als Mobilitätsdienstleister, erfüllt die Marke diesen Anspruch schon und kommt da noch mehr?
Winkler: Wir haben gerade Kooperationen mit Europcar und Apcoa geschlossen. Dadurch bekommen Smart-Fahrer, die für längere Strecken oder Transporte mal ein größeres Auto brauchen, künftig Expressservice und zusätzlich einen Discount von 15 bis 20 Prozent. Zudem können sie ab Sommer in bestimmten Parkhäusern äußerst bequem und zeitsparend mit einem Funk-Chip ein- und ausfahren. Abgerechnet wird per Monatsrechnung, teilweise wird es spezielle Parkplätze und Zufahrten für smart geben, und auch hier gibt es einen Nachlass von 15 Prozent beim Parken unseres platzsparenden Autos. Sie sehen, wir tun einiges!
Autogazette: Im Vorjahr konnten Sie fast 102.000 Autos absetzen. Ist Smart damit das Image des Sorgenkindes des Unternehmens los?
Winkler: Ich bin mir sicher, dass wir dem Unternehmen gerade Freude bereiten. Im Vorjahr hatten wir das Absatzziel von 90.000 plus X, und dieses Ziel haben wir mehr als erfüllt. Dieser sehr gute Vorjahresabsatz ist auch deshalb so erfreulich, weil er auf Zuwächse in verschiedensten Märkten zurückzuführen ist.
Autogazette: Und welches Ziel haben Sie für dieses Jahr?
Winkler: Wir wollen wieder über 100.000 Einheiten absetzen. Und das Jahr hat gut begonnen! Zum Beispiel werden wir in China im ersten Quartal dieses Jahres vermutlich so viele Autos absetzen wie im gesamten Jahr 2010. (Anmerkung d. Red.: 2010 wurden 3900 Einheiten in China abgesetzt, 2011 mehr als 11.000 Fahrzeuge). Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass immer mehr Menschen die Vorteile eines extrem kompakten Autos für die innerstädtische Mobilität entdecken, profitieren wir mit unserer einzigartigen Länge. Zudem nutzen viele Kunden die Individualisierungsmöglichkeiten unserer Modelle. So haben wir 2011 erstmals über 10.000 Einheiten gemeinsam mit unserem Joint Venture Partner Brabus ausgeliefert.
«Natürlich spüren wir die Krise»
Autogazette: Smart konnte in den ersten zwei Monaten des Jahres 16.000 Autos absetzen, ein Plus von fast 17 Prozent zum Vorjahr. Spüren Sie die Krise auf dem europäischen Markt nicht?
Winkler: Natürlich spüren wir die Krise, etwa in Märkten wie Griechenland oder Portugal. Deshalb bleiben wir mit unserer Absatzerwartung auch bei den genannten 100.000 Einheiten für dieses Jahr. Das ist angesichts der Finanzkrise eine herausfordernde Aussage.
Autogazette: In China konnten Sie im Februar mit 1459 Einheiten ein Plus von 103 Prozent erzielen. Hat Sie das erschreckt?
Winkler: Was heißt erschreckt? Ich bin begeistert! Gerade in China läuft es für uns rund. Wir haben es in China geschafft, den Smart als das zu positionieren, was er ist: ein Premiumfahrzeug. Die Chinesen lieben dieses Auto, sie lieben seine Einzigartigkeit und das zweisitzige Konzept. 2011 war China bekanntlich schon unser drittstärkster Markt
Autogazette: Wie viel von dem geplanten Absatz von 100.000 Fahrzeugen in 2012 sollen aus China kommen?
Winkler: Da will ich an dieser Stelle keine Prognose abgeben; wir sind in China in jedem Fall weiterhin auf einem sehr guten Weg.
Autogazette: China geht von einem Wachstum von 7,5 Prozent in 2012 aus. Wollen Sie denn stärker als der Markt wachsen?
Winkler: Ja, das wollen wir.
Das Interview mit Annette Winkler führte Frank Mertens