«Wir sind bekannt dafür, das Unerwartete zu machen»

Smart-Europachef Dirk Adelmann

«Wir sind bekannt dafür, das Unerwartete zu machen»
Dirk Adelmann verantwortet das Europageschäft von Smart. © Smart

Bisher ist der Absatz von Smart überschaubar. Mit dem #5 soll die Trendwende geschafft werden. Für die Marke sei das Modell ein Gamechanger, sagte Europachef Dirk Adelmann im Interview mit der Autogazette.

Smart-Europachef Dirk Adelmann begrüßt die von der Bundesregierung geplante Abschreibung in Höhe von 75 Prozent für von Unternehmen erworbene Elektroautos bereits im ersten Kaufjahr. «Die für Deutschland geplanten Abschreibungen für Unternehmen, sofern sie denn langfristig Bestand haben, können einen echten Schub bei der Elektrifizierung von Dienstwagen bewirken. Das begrüßen wir, gerade auch vor dem Hintergrund der Einführung des Smart #5 in den europäischen Märkten», sagte Adelmann im Interview mit der Autogazette.

Eine klassische Kaufprämie lehnt Adelmann indes ab. «Ich bin kein Freund von Kaufprämien, die man nicht durchhalten kann. Das haben wir gesehen, als die letzte Kaufprämie in Deutschland abrupt gestoppt wurde. Das ist kontraproduktiv. Ich bin noch weniger ein Freund davon, über Kaufprämien zu spekulieren, wenn man sie sich letztendlich gar nicht leisten kann. So etwas verhindert Marktwachstum», so der Manager.

Forderung nach günstigerem Strompreis

Vielmehr spricht sich Adelmann für niedrigere Strompreise aus. «In diese Richtung müssen wir vor allem Deutschland denken. In Spanien sind wir da schon zehn Jahre weiter», so Adelmann. «Ich mache mir damit sicher keine Freunde: Aber ich würde das über höhere Benzin- und Dieselpreise finanzieren. Niedrigere Strompreise sollten nicht durch Steuereinnahmen quer finanziert werden. Wenn man schon über Klimawende spricht und das ernst nimmt, sollte man die finanziellen Notwendigkeiten aus den fossilen Brennstoffen subventionieren.» Dass derzeit das für 2035 angedachte Verbrenner-Aus in Teilen der Politik und der Autoindustrie in Frage gestellt wird, trifft bei Adelmann auf Unverständnis. «Es gibt nichts Schlimmeres, einmal getroffene Entscheidungen immer wieder zu hinterfragen.»

Mit Blick auf den Absatz von Smart setzt Adelmann große Hoffnungen auf den neuen #5. «Ich bin mittlerweile 24 Jahre in der Autoindustrie unterwegs. Seither hatte ich noch nie ein derart positives Feedback wie beim #5.» Wie der Manager hinzufügte, sei der #5 zwar «in einem umkämpften, aber auch sehr großem Segment unterwegs. » Und hier brauche er sich nicht verstecken. «Er wird wahrscheinlich in seinem Segment in den kommenden eineinhalb Jahren mit Blick auf das Gesamtpaket einzigartig bleiben.»

«Hätten uns deutlich höheren Absatz gewünscht»

Der Smart #1 war das erste Modell der Kooperation zwischen Geely und Mercedes. Foto: Mertens

Autogazette: Herr Adelmann, bislang läuft die Marke Smart ihren Ansprüchen hinterher. Im Vorjahr konnten Sie in Europa inklusive UK gerade einmal 20.000 Fahrzeuge absetzen, davon entfallen allein 9332 Fahrzeuge auf Deutschland. Ist das für Sie zufriedenstellend?

Dirk Adelmann: Nein, das ist nicht zufriedenstellend. Wir hätten uns hier einen deutlich höheren Absatz gewünscht. Schaut man sich indes das schwierige Marktumfeld an, haben wir uns doch noch ganz gut geschlagen. Auch deshalb, weil wir uns im Vorjahr mit unseren Modellen noch im Anlauf befanden.

Autogazette: Anlauf bedeutet was konkret?

Adelmann: Von unseren derzeit 17 Märkten in Europa hatten wir im zurückliegenden Jahr 2024 erst sieben an den Start gebracht. Außerdem haben wir im selben Jahr erst den #3 gelauncht, sodass wir hier auch auf kein volles Jahr beim Absatz kamen. Zudem hatten wir Gegenwind aus der Politik und von der Regulatorik bekommen. Vor diesem Hintergrund sind wir nicht gänzlich unzufrieden.

«Unsere Händler waren hellauf begeistert»

Der Smart #5 stößt bei den Kundinnen und Kunden auf eine hohe Resonanz. Foto: Smart

Autogazette: Sie bringen jetzt mit dem #5 ihr drittes Modell auf den Markt. Können Sie mir schon etwas zur Resonanz sagen?

Adelmann: Ich bin mittlerweile 24 Jahre in der Autoindustrie unterwegs. Seither hatte ich noch nie ein derart positives Feedback wie beim #5. Bereits im April des vergangenen Jahres hatten wir das Modell unseren Händlern gezeigt – und die waren hellauf begeistert. Wir sind mit dem #5 in einem umkämpften, aber auch sehr großem Segment unterwegs. Der #5 braucht sich hier nicht verstecken. Er wird wahrscheinlich in seinem Segment in den kommenden eineinhalb Jahren mit Blick auf das Gesamtpaket einzigartig bleiben. Damit meine ich sowohl die Technologie, das Design als auch seine Variabilität. So ein Modell hatten wir bisher nicht im Angebot.

Autogazette: Sie schauen also optimistisch in die Zukunft?

Adelmann: Unser Blick bei Smart ist trotz aller Herausforderungen optimistisch in die Zukunft gerichtet. Wir sind zufrieden mit dem Fundament, das wir in den zurückliegenden fünf Jahren gelegt haben.

Autogazette: Die Probefahrtanfragen beim #5 scheinen das große Interesse zu belegen. Allein bis Mitte Mai lagen ihnen bereits 5000 Anfragen vor…

Adelmann: Ich darf Sie korrigieren: es waren bis zum 12. Mai sogar 6000 verbindliche Anfragen. So viele Anfragen hatten wir bisher weder beim #1 noch beim #3. Mit dem #5 sind wir bei Smart in einem Segment unterwegs, in dem wir bisher kein Angebot machen konnten. Bis zu diesem Zeitpunkt im Mai hatten wir auch schon 500 Bestellungen für das Fahrzeug vorliegen – ohne dass ein Kunde es überhaupt fahren konnte.

«Mit #5 haben wir erstwagentaugliches Familienauto»

Ein großes Display ist im Innenraum des Smart #5 der Hingucker – auch für den Beifahrer. Foto: Smart

Autogazette: Erstaunlicherweise sind es vor allem Barzahler, die das Fahrzeug bestellt haben…

Adelmann: …so war es beim #1 am Anfang auch, weil wir bislang immer zuerst mit der Brabus-Variante gestartet sind. Dieses Modell ist wie unsere Summit-Edition ein Fahrzeug, das die Kundinnen und Kunden unbedingt kaufen wollen, teilweise sammeln sie es auch. Mit dem #5 trifft man aber auch zudem eine relativ rationale Kaufentscheidung, weil er von der Technologie mit seinem 800 Volt-System und seiner Ladefähigkeit von 400 kW als Gesamtpaket extrem zukunftsfähig ist.

Autogazette: Wenn man über die Marke Smart spricht, hat man vor allem ein Modell wie den Smart Fortwo im Hinterkopf. Ein Modell wie der #1 oder auch der #3 und jetzt der #5 haben mit urbaner Mobilität ja nun nichts mehr gemein. Ist das auch ein Grund, weshalb die Modelle nicht so performen, wie man sich das erhofft hatte?

Adelmann: Naja, unsere Historie ist in aller erster Linie nachhaltige, urbane Mobilität. Ich gebe Ihnen indes recht: dieses Urbane haben wir ein Stück weit nach oben erweitert. Mit dem #5 haben wir erstmals ein voll erstwagentaugliches Familienauto – und damit meine ich neben den Platzverhältnissen, seiner Variabilität auch die Ladeleistung.

Erwartet man ein solches Modell von Smart? Nein, aber wir sind bekannt dafür, das Unerwartete zu machen und auf die Straße zu bringen. Der #5 ist eine Erweiterung für die Kunden, die mit Smart mitgewachsen sind. Als wir 2023 den #1 eingeführt hatten, kamen 80 bis 85 Prozent der Kunden aus der Smart Fortwo- bzw. der Forfour-Welt. Sie sind mit uns den Schritt zu einem größeren Fahrzeug mitgegangen. Heute kommen rund 20 Prozent der Probefahrtanfragen von Kunden, die einen #1 oder #3 fahren.

«Brauchen dringend ein Upgrade der Ladesäulen»

Der Smart #5 lädt mit bis zu 400 kW.

Autogazette: Mit 4,70 Meter ist der #5 nochmals größer als der #1 und der #3. Warum soll ausgerechnet ein solches SUV nun die Trendwende bringen?

Adelmann: Weil der #5 in diesem Segment einzigartig ist. Da sehe ich durchaus eine Parallele zum Fortwo, der in seinem Segment ebenfalls einzigartig war. Er hat die Themen Zweisitzigkeit, das eines sehr kurzen Fahrzeugs und des unproblematischen Parkens transportiert. Das versuchen wir auch mit dem #5 – allerdings drei Segmente darüber. Das Thema Reichweitenangst ist ebenso wie die Restwertangst passé, weil dieses Fahrzeug sehr zukunftssicher aufgebaut ist. Wir versuchen im Segment damit einen USP einzuführen. Hätte es das nicht, bräuchte es ein solches Fahrzeug nicht. Auch nicht von Smart.

Autogazette: Aufgrund der 800 Volt-Architektur und dem damit einhergehenden schnellen Laden spricht Ihr Deutschlandchef Wolfgang Ufer von einem Gamechanger für die Marke. Gehen Sie auch so weit?

Adelmann: Das ist ein schönes Wort. Da gehe ich vollkommen mit. Das Thema Laden war lange Zeit ein Stück weit die Achillesferse bei der E-Mobilität. Bereits beim #1 und #3 hatten wir – wie jetzt beim #5 – einen 22 kW Lader an Bord. Es ist etwas, was im A-, B-, C- und D-Segment bisher kein Wettbewerber serienmäßig hatte. Nach den 150 kW Schnellladungen beim #1 und #3 haben wir beim #5 sogar 400 kW ermöglicht. Alle unsere Tests zeigen, dass der #5 wirklich diese 400 kW schafft, sogar darüber liegt. Und das nicht nur im Peak, sondern über einen langen Zeitraum. Ich lade in fünf Minuten Energie für 130 bis 150 emissionsfreie Kilometer Reichweite. Das ist vergleichbares Tempo wie beim Tanken.

Autogazette: Damit sind wir bei der Ladeinfrastruktur. Bisher gibt es aber noch nicht allzu viele 400 kW Säulen. Muss da mehr Tempo beim Ausbau gemacht werden?

Adelmann: Dringend – und schneller. Da sind wir uns einig. Ich glaube, dass die Anzahl der Ladesäulen zumindest in Deutschland nicht mehr das Problem ist. Wir haben mittlerweile genug Schnellladesäulen. Aber wir brauchen dringend ein Upgrade der Ladesäulen. Da gibt es mittlerweile einige gute Beispiele von Ladeparks, die das peu à peu durchziehen. Es gibt indes Automobilhersteller, die den 800 Volt-Schritt nicht mitgehen. Und: ich glaube, sie tun sich damit keinen Gefallen.

«Haben uns das Leben definitiv nicht leichter gemacht»

Dirk Adelmann setzt große Erwartungen in den neuen #5. Foto: Smart.

Autogazette: Sie sprachen eingangs die schwierigen Marktbedingungen an: Was meinten Sie damit genau: Den Wegfall der Kaufprämie und die Strafzölle für in China produzierte Fahrzeuge?

Adelmann: Der Wegfall der Kaufprämie Ende 2023 hat uns in Deutschland sicher nicht geholfen. Fast parallel dazu hat Frankreich unilateral einen sogenannten Öko-Bonus eingeführt, also eine lokale Unterstützung für in Frankreich produzierte E-Fahrzeuge. Davon konnten wir auch nicht profitieren, obwohl wir 25 Jahre mit einer Fabrik in Hambach präsent waren. Der Preisnachteil in Frankreich liegt derzeit aktuell bei ca. 4.000 Euro. Das ist in unseren Segmenten relativ viel. Dann kam zeitgleich die Anti Subsidy Investigation der EU, die am 1. November 2024 scharf geschaltet wurde. Aber wir schauen optimistisch in die Zukunft, was die Verhandlungen der EU mit China betrifft.

Autogazette: Sie hatten auf die Strafzölle mit Preissteigerungen in Höhe von 2000 Euro reagiert. Daraufhin ist der Absatz eingebrochen. Darauf kam ein Nachlass von 4500 Euro, der vorerst bis Ende Juni 2025 gültig ist. Haben Sie damit nicht selbst für eine Verunsicherungen gesorgt?

Adelmann: Bei der Leasingrate hat das sicherlich für eine gewisse Verunsicherung gesorgt, beim Listenpreis war das nicht der Fall. Wir haben uns hier das Leben definitiv nicht leichter gemacht, aber wir haben gelernt und entsprechend umgestellt. So was muss man aber auch in diesem Umfeld durchziehen können. Das heißt: wenn kein Licht am Ende des Tunnels der Verhandlungen auftauchen sollte, dann werden wir das auch nicht bis in alle Ewigkeit unterstützen können. Wir hoffen darauf, dass es zwischen China und der EU zu einer Lösung in den kommenden Wochen kommt.

«Sehen derzeit einen erfreulichen Auftragseingang»

Der Smart #5 kommt zunächst als Brabus-Variante. Foto: Smart

Autogazette: Im Vorjahr gab es in Deutschland eine Nachfrageschwäche bei der Elektromobilität. Glauben Sie, dass wir mit Blick auf die jüngsten Zulassungszahlen die Krise hinter uns gelassen haben?

Adelmann: Ja, ich schaue voller Zuversicht aufgrund des Anstiegs der Nachfrage nach vorn.

Autogazette: Warum kann Smart derzeit von diesem Wachstum eigentlich nicht profitieren?

Adelmann: Sie haben es erwähnt: Wir haben uns mit den Preiserhöhungen und den Leasingraten im Quartal eins dieses Jahres keinen Gefallen getan. Das haben wir korrigiert. Wir sehen derzeit einen sehr erfreulichen Auftragseingang in den europäischen Märkten. Bis sich das in den Zulassungen niederschlägt, werden wir wahrscheinlich den Juni und auch Juli noch abwarten müssen. Wir gehen aber davon aus, dass wir in diesem Jahr unsere Ziele erreichen werden.

Autogazette: Ihnen fehlt derzeit also das erste Quartal?

Adelmann: Wir sind im ersten Quartal 2025 definitiv hinter unseren Erwartungen geblieben.

«Es gibt einen extremen Wettbewerb»

Autogazette: Zeigt der Zuwachs bei den BEVs nicht, dass die E-Mobilität auch ohne Kaufprämie funktioniert?

Adelmann: Die Kaufprämien wurden ja größtenteils von den Herstellern übernommen. Wenn man sich anschaut, was gerade in Deutschland passiert, driften wir in eine Richtung, die wir seit ca. eineinhalb Jahren in China beobachten: nämlich einen extremen Preiskampf. Es gibt einen extremen Wettbewerb mit immer neuen Spielern, die versuchen, sich auch Marktanteile zu sichern. Das befeuert die Zulassungen.

Wenn wir sehen, mit wieviel Hoffnung der ein oder andere gestartet ist, sieht man eine Ernüchterung. Ich glaube, dass der Markt Europa eine ähnliche Entwicklung nehmen werden wie in China. Von den jetzt 100 hhinesischen Herstellern werden wir in drei oder vier Jahren vielleicht nur noch zehn oder sogar weniger sehen. Diese zehn sind dann aber fit für Europa. Dazu zähle ich beispielsweise BYD und Geely.

Autogazette: Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht auch Kaufanreize für E-Autos vor. Nun soll es eine steuerliche Abschreibung von 75 Prozent allein im Kaufjahr für gewerblich erworbene E-Autos geben. Braucht es genau das?

Adelmann: Ich bin kein Freund von Kaufprämien, die man nicht durchhalten kann. Das haben wir gesehen, als die letzte Kaufprämie in Deutschland abrupt gestoppt wurde. Das ist kontraproduktiv. Ich bin noch weniger ein Freund davon, über Kaufprämien zu spekulieren, wenn man sie sich letztendlich gar nicht leisten kann. So etwas verhindert Marktwachstum.

Die für Deutschland geplanten Abschreibungen für Unternehmen, sofern sie denn langfristig Bestand haben, können einen echten Schub bei der Elektrifizierung von Dienstwagen bewirken. Das begrüßen wir, gerade auch vor dem Hintergrund der Einführung des Smart #5 in den europäischen Märkten. Dieser besonders vielseitige, mittelgroße Elektro-SUV stellt aus unserer Sicht gerade mit seiner überragenden Ladeleistung in diesem Segment eine echte Alternative zum Verbrenner dar.

«Günstiger kann kein Mensch E-Auto fahren»

Autogazette: Was würden Sie sich denn wünschen? Wegen der Total Cost of Ownership vor allem einen niedrigeren Strompreis?

Adelmann: Da sind wir bei der Ladeinfrastruktur, da sind wir aber auch bei einem günstigeren Strompreis. Wir haben privat jetzt seit zwei Jahren eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Wir laden unseren #1 und #3 mit unserem selbstproduzierten Strom. Das funktioniert hervorragend. Günstiger kann kein Mensch E-Auto fahren.

Autogazette: Doch nicht jeder hat eine PV-Anlage…

Adelmann: Richtig, deshalb muss man sehen, wie man viel mehr Menschen günstigen Strom anbieten kann. In diese Richtung müssen wir vor allem Deutschland denken. In Spanien sind wir da schon zehn Jahre weiter.

Autogazette: Für den Markthochlauf bräuchte man also vor allem einen günstigeren Strompreis?

Adelmann: Unter anderem. Ich mache mir damit sicher keine Freunde: Aber ich würde das über höhere Benzin- und Dieselpreise finanzieren. Niedrigere Strompreise sollten nicht durch Steuereinnahmen quer finanziert werden. Wenn man schon über Klimawende spricht und das ernst nimmt, sollte man die finanziellen Notwendigkeiten aus den fossilen Brennstoffen subventionieren.

«Lasst den Kunden entscheiden, was er gern hätte»

Der Smart #3 ist optische ansprechend, auch von hinten. Foto: Smart

Autogazette: Der Verband der Automobilindustrie hat in seiner Jahresprognose gesagt, dass man von einem Wachstum bei den batterieelektrischen Fahrzeugen von 75 Prozent ausgeht und einem Marktanteil von 24 Prozent. Das war, bevor die Hersteller nun bis 2027 von der EU Zeit bekommen haben, die CO2-Flottengrenzwerte zu erreichen. Ist das unter den neuen Voraussetzungen weiter möglich?

Adelmann: In Deutschland halte ich einen Anteil von 22 bis 26 Prozent für realistisch. Wir haben gesehen, dass auch nach dem Aufweichen der Regulatorik, es war ja keine Abschaffung der Regulatorik, die Rabatte nicht in den Keller gegangen sind. Das heißt: es gibt nach wie vor Kaufanreize. Die Hersteller haben schlicht und ergreifend zwei Jahre mehr Zeit, ihre Flottenziele zu erreichen und können diese Jahre mit den Folgejahren verrechnen. Das heißt aber nicht, dass ein Autohersteller weniger BEVs in seinem Mix verkaufen muss. Das wurde mit Blick auf den Zeitpunkt der Strafzahlungen entschärft. In Summe steht dieses CO2-Flottengerüst noch.

Autogazette: Nimmt diese Neuregelungen aber nicht den Druck von den Herstellern, jetzt verstärkt E-Autos auf den Markt zu bringen?

Adelmann: Das glaube ich nicht. Mein Petitum ist: lasst den Kunden entscheiden, was er gern hätte. Macht es dem Kunden aber nicht schwieriger, auf E-Mobilität umzusteigen.

«Sind guter Dinge, dass es Neuinterpretation geben wird»

Der Smart Fortwo war ideal in der Stadt. Derzeit wird an einer Neuinterpretation gearbeitet. Foto: Smart

Autogazette: Wenn wir bei Smart über günstigere E-Autos reden, müssen wir über einen Zweisitzer reden. Sie sagten bereits Ende 2023, dass man daran arbeitet. Wann wird es ihn geben?

Adelmann: Wir hatten Ende 2023 noch einen Smart Zweisitzer, der Mitte 2024 auslief. Wir sind guter Dinge, dass es eine Neuinterpretation geben könnte, aber es gibt noch nichts Finales zu vermelden. Wir arbeiten nach wie vor dran. Wir wollen dazu gern im Laufe des Jahres etwas verkünden, derzeit ist es dafür noch zu früh.

Autogazette: Können Sie denn etwas dazu sagen, ob man wegen der Strafzahlungen erwägt, die Produktion von Smart von China nach Europa zu verlagern?

Adelmann: Da ist momentan nichts in der Planung. Eine solche Standortentscheidung sollte man tunlichst losgelöst von kurzfristigen Zolldiskussionen treffen. Das lehrt die gesamte Automobilindustrie gerade die Situation in den USA sehr deutlich. Jetzt warten wir erst einmal ab, was die Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und China bringen. Wenn man auf die Gesamtkostensituation schaut, dann gibt es gute Gründe, warum 80 Prozent aller Hersteller im A-, B- und C Segment nicht in Europa produzieren.

«E-Fuels werden uns und den Planeten nicht weiterbringen»

Teile der Autoindustrie machen sich für e-Fuels stark. Foto: dpa

Autogazette: Lassen Sie uns zum Ende unseres Gesprächs noch über das angedachte Verbrenner-Aus 2035 reden: Wenn es nach Teilen der Autolobby geht, sollte dieses Datum hinausgezögert oder sogar ganz gekippt werden. Das hat gerade auch der VDA in seinem Aktionsplan gefordert. Schafft eine solche Diskussion nicht eine zusätzliche Verunsicherung im Markt?

Adelmann: Es gibt nichts Schlimmeres, einmal getroffene Entscheidungen immer wieder zu hinterfragen.

Autogazette: Trägt nicht die Autoindustrie maßgeblich zu dieser Verunsicherung bei, indem man der Technologieoffenheit das Wort redet und immer wieder e-Fuels in die Diskussion einbringt?

Adelmann: Bei Smart nicht.

Autogazette: Sie sind also kein Freund davon, von Technologieoffenheit zu sprechen? Die Energiebilanz von e-Fuels ist ja desolat und sie sind auch nicht für den Massenmarkt geeignet.

Adelmann: E-Fuels sind eine tolle Lösung für den Oldtimer, der auch noch in 30 Jahren fahren soll. E-Fuels werden uns und den Planeten nicht weiterbringen.

Autogazette: Mit welchen Zulassungszahlen wären Sie denn Ende des Jahres zufrieden?

Adelmann: Ende 2025 würde ich mir wünschen, obwohl wird dann nur ein halbes Jahr mit dem #5 hatten, dass wir zu einem Split von circa 50:50 in Europa kommen. Also 50 Prozent sollen auf den #1 und #3 entfallen, die andere Hälfte auf den #5. Das wäre mein großer Traum. Dann hätten wir es geschafft, dass Smart nicht nur A-Segment, nicht nur Kleinwagen, nicht nur Fortwo ist.

Das Interview mit Dirk Adelmann führte Frank Mertens

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