Spitzenplätze in einer Statistik können bares Geld wert sein. Aber auch welches kosten. Die Marke Smart ist solch ein Beispiel. Ob es am Modell #1 liegt, untersucht unser Praxistest.
In einer aktuellen Übersicht der Neuzulassungen sieht das Kraftfahrtbundesamt (KBA) Smart ganz oben. Die Marke gilt, obwohl die Produkte chinesischer Herkunft sind, als deutsch und sie hält in der Februar-Statistik des KBA eine (indes negative) Top-Platzierung: Gegenüber dem Vergleichsmonat erzielte die Marke im Februar mit fast 77 Prozent weniger Neuanmeldungen den größten Rückgang aller einheimischen Marken. Derzeit gibt es zwei Modelle (den #1 und #3) in Deutschland. Wir haben uns in diesem Test mit dem Smart #1 beschäftigt.
Das Auto hat mit den Micro-Zweisitzern von einst nur noch den Namen gemein, ist 4,27 Meter lang und danach eher der Golf-Klasse zuzurechnen. Da der Wagen obendrein noch 1,64 m hoch ist, deutet sein Erscheinungsbild eher auf ein City-SUV hin und ist dem Mini-Countryman nicht unähnlich. Mit dem Stromvorrat von gut eingeschenkten 66 Kilowattstunden (kWh) soll er nach WLTP-Modus bis zu 440 Kilometer weit kommen. Wer preisbewusst ist und mit weniger Reichweite auskommt, kann sich für einen 49-kWh-Akku entscheiden.
Harmonische Innen-Architektur
Flippig-frisches Ambiente kennzeichnet den Innenraum, das mit sehr bunten Elementen bestückte, 12,8 Zoll großen Hauptdisplays ist der Eye-Catcher. Fast alle Funktionen, die zum Fahren und Wohlfühlen nötig sind, werden über diesen Touchscreen gesteuert. Gestalterische Harmonie, wohin man blickt, weiche Schwünge, zarte Kurven und gewölbte Oberflächen an Verkleidungen, Mobiliar und Griffen, kräftige Seitenwülste an den Sitzen und eine wie ein Raumteiler hoch gezogene Mittelkonsole empfangen die Passagiere. Wie kaum anders zu erwarten, kommt im Innenausbau auch hier viel Hartplastik zum Einsatz, jedoch ist das Finish gut gemacht und es sieht entsprechend edel aus. Im Unterschied zum Smart #3 sind die Lüftungsdüsen unterhalb des Hauptmonitors oval.
Schon bei der Fahrt am Tag macht sich das durchaus gut ablesbare, aber kleine Display hinter dem Lenkrad als störend bemerkbar. Seine Reflektionen erscheinen in der linken Seitenscheibe in Höhe des Außenspiegels, was bei Nachtfahrt richtig lästig werden kann. Zwar ist das Display dann dunkel eingefärbt, jedoch kommen dann weitere optische Beeinträchtigungen in Front- und Seitenscheiben durch die Ambiente-Beleuchtung hinzu. Immerhin versteht der virtuelle Sprach-Assistent den Befehl „Ambiente-Beleuchtung abschalten“.
Suche in den Tiefen des Menüs
Ein gewisses Ablenkungspotenzial geht auch von der animierten Grafik aus, welche die Bereitschaft des Sprach-Assistenten signalisieren soll. Bei seiner Aktivierung sollte die Lautstärke von Radio oder Medien-Einspielung, wie anderswo üblich, besser automatisch heruntergefahren werden, damit es nicht zu Missverständnissen kommt. Es überrascht, dass bei dem hohen Niveau an Komfort- und Sicherheits-Features eine Automatik-Schaltung für das Fernlicht fehlt, aber die Lichtausbeute ist erstklassig und fördert die sichere Fahrt in Dunkelheit.
Tasten-Reduktion im Cockpit ist zwar Trend, aber nicht immer praxiskonform. Zum Verstellen der Außenspiegel muss man sich durch das üppig kolorierte Display-Menü klicken, um dann mit den Lenkradtasten die Spiegel anzupassen. Keinerlei Logik ist überdies in der Tatsache zu erkennen, dass man zwar reguläre Schalter für Abblendlicht und Nebelschlussleuchte vorfindet, weitere Funktionen dafür aber im Untermenü des Bildschirms angeordnet sind. Dort drinnen finden sich noch andere Funktionen wie etwa die Einstellung der Lenkunterstützung.
Stramme 200 kW Leistung
Ihre Variabilität ist durchaus nützlich für die Anforderungs-Unterschiede zwischen Stadt- und Langstreckenfahrt. Die Federung ist komfortabel, die Sitzen sind bequem und die Rundumsicht gut. Bei der Geräuschdämmung bekommt der Smart #1 bis 80 km/h gute Noten, bei 120 km/h fordert der hohe Aufbau Tribut und der Fahrtwind drängt sich in den Vordergrund. Dann kann ein Schallpegel von bis zu 65 db(A) in der Kabine gemessen werden. Dank der strammen 200 kW Leistung (272 PS) und 343 Nm Drehmoment spurtet der Wagen flott voran. Bei „Vollgas“ regelte der Testwagen mit Rücksicht auf den Stromverbrauch bei 183 km/h (GPS-Messung) ab.
Die Platzverhältnisse sind auskömmlich, ordentliche Beinfreiheit für die hinten Sitzenden ist vorhanden. Die Kopffreiheit macht auch hinten keine Probleme, dafür sorgt der SUV-artige Karosserie-Zuschnitt. Für die Frontpassagiere ist die Kabine 1,44 Meter breit, hinten sind es noch 1,40 m. Die Ladekante ist mit 81 cm überraschend hoch und hinter der elektrischen Heckklappe sind 323 bis 986 Liter Gepäckvolumen verfügbar, etwas weniger als im Smart #3. Hinzu kommt ein Frunk von 15 Liter, wo das Ladekabel verstaut werden kann. Die um 13 Zentimeter verschieb- und teilbare Rücksitzbank erhöht die Nutzungs-Flexibilität.
Nahe an Hersteller-Reichweite
Gewicht bei 1,88 Tonnen
Mit einem gemessenen Fahrzeuggewicht von 1880 Kilogramm rangiert der Smart #1 eher im unteren Drittel dessen, was Elektrofahrzeuge seines Kalibers an Masse auf die Straße bringen. Die Formel „je geringer das Gewicht, desto größer die Reichweite“ hat vor allem bei winterlichen Temperaturen seine Bedeutung, denn da ist der Stromverbrauch am höchsten. Umso erfreulicher, dass der Testwagen bei 100 Prozent Ladung einen Aktionsradius von 438 Kilometern, also nahe dem vom Hersteller versprochenen Maximum errechnete.
Was in der Praxis dann wirklich erreicht wird, hängt bekanntermaßen vom Fahrprofil ab. Wieviel Strom wird etwa zum Beheizen von Batterie und Innenraum gebraucht, wie häufig kann rekuperiert werden? Wäre der offizielle Verbrauchswert von 17,4 kWh/100 km realistisch, müsste die Netto-Kapazität der großen Batterie rund 1000 km Reichweite hergeben – was sie definitiv nicht tut. Positiv zu vermerken ist aber, dass dank eine möglichen DC-Ladeleistung von bis zu 150 kW der Ladevorgang von zehn auf 80 Prozent in rund einer halben Stunde erledigt ist. Im täglichen Betrieb mit einem gesunden Mix aus Stadt- und Überlandfahrt sollten Kunden mit einem Verbrauch von 20 bis 22 kWh/100 km rechnen.
Sieben Varianten, gestaffelt nach Batteriekapazität, Leistung und Ausstattung, werden vom Smart #1 angeboten. Sie kosten zwischen 36.990 und 52.490 Euro. Gute Fahrleistungen, ordentlicher Komfort und angemessene Reichweite konnten bisher jedoch nicht an früheren Kundenzuspruch anknüpfen. Während die Autos immer größer wurden, verkleinerte sich das Absatzvolumen in Deutschland rapide. Wurden vor zehn Jahren noch mehr als 22.000 Smart-Micro-Pkw per anno neu zugelassen, waren es im vergangenen Jahr fast 45 Prozent weniger, laut KBA genau 12.463.