«Das Gesamtpaket ist beim Enyaq iV extrem stimmig»

Skoda-Design-Chef Oliver Stefani

«Das Gesamtpaket ist beim Enyaq iV extrem stimmig»
Oliver Stefani verantwortet das Design bei Skoda. © Skoda

Oliver Stefani verantwortet seit September 2017 das Design bei Skoda. Im Interview mit der Autogazette spricht der 56-Jährige über Licht und Schatten und darüber, welchen Einfluss die Elektromobilität auf seine Arbeit hat.

Wie Oliver Stefani sagt, habe er seit seinem Amtsantritt bei dem tschechischen Autobauer versucht, die Modelle von Skoda in ihrer Grundausrichtung stärker zu emotionalisieren. Dabei ändert sich die Arbeit von Stefani und seinen Kolleginnen und Kollegen allerdings auch durch den Weg in die Elektromobilität.

«Wir sind mitten in einem tiefgreifenden Transformationsprozess und auch im Hinblick auf die Elektrifizierung muss man schauen, welche Elemente man aus der Vergangenheit mitnimmt und wo man neu komponieren muss», sagt Stefani.

Wie er hinzufügte, habe man durch die «Lage der Batterien und über die Aerodynamik die Möglichkeit, ganz neue Akzente setzen. Die Proportionen, die weit vorn liegende A-Säule und große Räder sorgen für einen ganz anderen Auftritt als bei herkömmlichen Fahrzeugen». Noch in diesem Monat wird mit dem Enyaq iV das erste Elektroauto von Skoda auf den Markt kommen, das auf dem Modularen Elektrifizierungsbaukastens des VW-Konzerns basiert.

«Flächen haben mehr Licht und Schatten bekommen»

Der Skoda Octavia ist der Bestseller der VW-Tochter. Foto: Skoda

Autogazette: Herr Stefani, zu Ihrem Amtsantritt als Chefdesigner hat der damalige Skoda-Chef Bernhard Maier gesagt, dass man mit Ihnen die nächste Entwicklungsstufe zünden werde. Welche Entwicklungsstufe wurde von Ihnen gezündet?

Oliver Stefani: Wir haben versucht, unsere Autos in der Grundausrichtung stärker zu emotionalisieren. Als Marke sind wir bekannt für unsere funktionalen Werte. Wir Designer haben unseren Produkten einen Schwung mehr Modellierung mitgegeben. Flächen haben mehr Licht und Schatten bekommen, die so genannte Tornadolinie spielt eine wichtige Rolle und wir nutzen Scheinwerfer mehr als Designobjekte.

Autogazette: Sie sagen immer wieder, dass Skoda ein kristallines Design auszeichne und ein vergleichbares Gestaltungsprinzip keine andere Marke habe. Worauf kann man künftig auch mit Blick auf die E-Mobilität verzichten?

Stefani: Wir sind mitten in einem tiefgreifenden Transformationsprozess und auch im Hinblick auf die Elektrifizierung muss man schauen, welche Elemente man aus der Vergangenheit mitnimmt und wo man neu komponieren muss.

«Haben die Möglichkeit, ganz neue Akzente zu setzen»

Optisch gelungen: der Skoda Enyaq iV. Foto: Skoda

Autogazette: Sollten sich Elektro-Autos als solche optisch identifizieren und anhand bestimmter optischer Signale erkennbar sein?

Stefani: Meiner Meinung nach sind Elektrofahrzeuge heute schon eindeutig zu erkennen. Wir haben durch die Lage der Batterie und über die Aerodynamik die Möglichkeit, ganz neue Akzente setzen. Die Proportionen, die weit vorn liegende A-Säule und große Räder sorgen für einen ganz anderen Auftritt als bei herkömmlichen Fahrzeugen.

Autogazette: Was schätzen Sie, welchen prozentualen Anteil das Design eines Automobils an der Kaufentscheidung hat?

Stefani: Das ist schwer zu beziffern, aber ich weiß, dass es bei einigen Marken Kaufgrund Nummer eins ist. Für viele Kunden ist es sehr wichtig, dass das Auto zu ihnen passt und auch ihren Lebensstil reflektiert. Auch bei uns ist deshalb der Einfluss des Designs sehr hoch.

Autogazette: VW-Designchef Klaus Zyciora, zu dessen Team Sie lange gehörten, ist der Ansicht, E-Autos geben ihren Designern mehr Freiheiten beim Entwerfen. Welche sind dies aus Ihrer Sicht?

Stefani: Mehr Freiheiten gibt es beispielsweise, wenn wir uns die Proportionen ansehen. Wir haben nicht mehr die großen Überhänge. Durch die Batterie im Boden und den daraus resultierenden großen Radstand erzielen wir einen signifikanten Raumgewinn, was unseren Kunden direkt zugutekommt. Weitere Freiheiten ergeben sich auch im Bereich des Interieur-Designs.

«Das Gesamterlebnis für die Insassen muss stimmen»

Der Innenraum des Skoda Enyaq iV. Foto: Skoda

Autogazette: Wie kann man bei der Innenarchitektur dem Ziel «mehr Emotionalität» Geltung verschaffen?

Stefani: Für uns ist es wichtig, über die Gestaltung der Stofflichkeit, der Displays und der Konsolen eine gewisse Dynamik in den Innenraum zu bringen. Das Gesamterlebnis für die Insassen muss stimmen. Ein wichtiger Punkt dabei ist die Frage, wie die Schalttafeln und die Anzeigen positioniert werden, denn man kann auch über die Funktionalität und die Bedienung Emotionen erzeugen. Eine einfache Bedienung ist uns dabei sehr wichtig.

Autogazette: Es hat in den vergangenen Jahren einen erheblichen Zuwachs in der Größe von Displays und Touchscreens gegeben. Welche Rolle spielen bei der Gestaltung Fragen des Information-Overloads und der möglichen Ablenkung des Fahrers?

Stefani: Die Fahrer-Ablenkung spielt eine große Rolle in der Gestaltung. Insofern steht eine fahrerfreundliche, einfache Bedienung ganz oben auf unserer Prioritätenliste.

Autogazette: In Ihren Designteam sind rund zwei Dutzend Nationalitäten versammelt. Warum ist es wichtig, solch eine Vielfalt in der Mannschaft zu haben?

Stefani: Wir haben 106 Menschen aus 25 Ländern im Team und darauf bin ich echt stolz. Sie alle verbindet die Liebe zum Design und zum Gestalten. Aber die Mannschaft ist nicht zu homogen, so dass eine Art kreativer Spannung herrscht, wo immer wieder neue Dinge entdeckt und angestoßen werden. Wie der kulturelle Hintergrund diese Entwicklungen befördert, zeigt uns zum Beispiel eine sehr begabte Interieur-Designerin aus China, die mit ihrem Hintergrund andere Blicke auf Dinge einbringt, als etwa jemand aus Europa.

«Showcar-Modelle sind auch etwas zum Träumen»

Der Skoda Vision iV. Foto: Skoda

Autogazette: Und wie ist das Verhältnis der Geschlechter?

Stefani: Unser Designteam ist ausgewogen. Die klassische Entwurfs-Bereiche brauchen sowohl ein männliches, als auch weibliches Element, damit ein Zielprodukt alle Ansprüche und Wünsche aller Kunden erfüllt.

Autogazette: Als es noch Automessen mit Publikum gab, sahen die Besucher oft hinreißend gestylte Konzeptfahrzeuge, in dem betreffenden Serienauto blieb regelmäßig kaum etwas davon übrig. Woran liegt das?

Stefani: Showcar-Modelle sind auch etwas zum Träumen. Sowohl für uns als Designer, als auch für die Kunden. Sie sollen einen Vorgeschmack auf die Zukunft geben, bei Skoda aber auch einen gehörigen Teil Realismus beinhalten.

Autogazette: Wenn man in die Suchmaschine «Enyaq» eingibt, sieht man viele Treffer mit einem gelben Coupé. Das Serienauto ist ein SUV. Was ist aus dem Showcar geworden, sehen wir dieses Auto wieder?

Stefani: Dieses Showcar, die Vision iV, ist ein Coupé mit Schmetterlingstüren. Wir haben von unserem Enyaq iV auch ein Coupé entworfen, das wir in naher Zukunft vorstellen werden.

«Mut zahlt sich aus»

Oliver Stefani mit gibt einem jungen Designer Tipps beim Entwurf des Azubi Cars. Foto: Skoda

Autogazette: Skoda ist zur größten Importmarke in Deutschland aufgestiegen und auch weltweit sehr erfolgreich. Inwieweit beeinflusst das Bemühen um Bewahrung des Erfolgs die Freiheit im Design? Das schönste Auto taugt schließlich nichts, wenn es sich nicht verkauft.

Stefani: Ein wichtiger Punkt, das ist richtig. Den Erfolg der Marke müssen wir natürlich in Zukunft bewahren und das hat Einfluss auf unsere tägliche Arbeit. Wer erfolgreich sein möchte, muss aber immer wieder Neues wagen und so lange optimieren und testen, bis wir vom Erfolg des vorliegenden Konzepts überzeugt sind. Wir haben in der jüngsten Vergangenheit schon recht mutige Entwürfe gezeigt und sehen, Mut zahlt sich aus.

Autogazette: Elektro-Autos haben den Anspruch, umweltverträglicher zu sein als herkömmliche Verbrenner. Inwieweit kann das Design einen solchen Anspruch untermauern?

Stefani: Wir untermauern dies zum Beispiel im Bereich der Aerodynamik. Hier versuchen wir alles, um Vorteile bei der Reichweite zu gewinnen. Das fängt beim Stoßfänger an, geht über die Haube, die Scheiben und die Türgriffe bis hin zu Spoilern und Diffusoren. Wir haben schon bei den jüngsten konventionell angetriebenen Fahrzeugen in diesem Bereich sehr gute Werte erzielt.

Autogazette: Welche besonderen Möglichkeiten bietet der Modulare Elektrifizierungs-Baukasten für die Gestaltung des Innenraums im Vergleich zu herkömmlichen Pkw?

Stefani: Größerer Radstand und geringere Überhänge sind entscheidende Vorteile des Modularen-Elektrifizierungs-Baukasten des Volkswagen Konzerns. Obwohl der Enyaq iV sogar etwas kürzer ist als beispielsweise ein Octavia, haben wir eine Innenraumgröße erzeugen können, die deutlich umfangreicher ist und uns viele Gestaltungsmöglichkeiten bietet.

Autogazette: Sollte der Anspruch höherer Umweltverträglichkeit bei E-Autos auch im Innenraum sichtbar sein? Zum Beispiel bei der Materialauswahl mittels Naturfasern oder recyceltem Plastik?

Stefani: Wir untersuchen diesen Komplex seit längerem und setzen neue Erkenntnisse auch konsequent um. Zum Beispiel verwenden wir bei den Polstern Leder, das nicht mit herkömmlichen Chemikalien gegerbt ist, sondern nach einem neuen umweltschonenden Verfahren. Prinzipiell versuchen wir, mit natürlichen Materialien zu operieren, sie sozusagen aus dem häuslichen Gebrauch in die Fahrzeuge zu bringen. Connolly-Leder, Chrom-Applikationen oder Klavierlack-Flächen spielen in den Lebenswelten der meisten Menschen eher keine Rolle. Wir wollen in unseren Fahrzeugen eine Wohlfühl-Atmosphäre erzeugen, indem man seine eigene Lebenswelt auch im eigenen Pkw wiederfinden kann. Das „Zu-Hause-Fühlen“ ist ein wichtiges Element an dieser Stelle.

«Es ist nicht leicht, einzelne Details hervorzuheben»

Autogazette: Was gefällt Ihnen am Enyaq persönlich am besten?

Stefani: Das Gesamtpaket ist beim Enyaq iV extrem stimmig und es ist nicht leicht, einzelne Details hervorzuheben. Im Innenraum gefällt mir zum Beispiel die leichte Schalttafel und die Räumlichkeit, die sie erzeugt, besonders gut. Das ist ein Element, das meiner Ansicht nach nicht klassisch automotiv daherkommt. Äußerlich ist es die Dachlinie und die Art, wie das Auto auf seinen Rädern steht. Da haben wir die Vorteile des MEB super genutzt und ein sehr attraktives Fahrzeug gestaltet.

Autogazette: In seinen Dimensionen erscheint der Enyaq aber doch recht mächtig. Braucht es für das erste rein elektrische Modell der Marke Skoda eine solche Fahrzeuggröße, zum Beispiel mit 20 Zoll Rädern? Ist das als Statement des Selbstbewusstseins zu verstehen?

Stefani: Nein, ein Statement des Selbstbewusstseins ist es nicht. Das Auto ist sehr kompakt. Es hat zwar eine gewisse Höhe, aber es macht keinen übertrieben voluminösen Eindruck. Die großen Räder dienen dazu, gefällige, attraktive Proportionen zu schaffen. Wir haben lange für diese großen Räder gekämpft, weil sie das Verhältnis vom Körper zu den Rädern auf das richtige Maß stellen. Man muss das Fahrzeug einfach draußen auf der Straße erleben. Es ist eine Sache, über Design zu reden, aber eine andere, Design zu sehen.

«Das Gesamtpaket ist beim Enyaq iV extrem stimmig»

Der Skoda Enyaq iV ist das erste E-Auto der VW-Tochter auf Basis des MEB. Foto: Skoda

Autogazette: Empfinden Sie es als Einschränkung Ihrer künstlerischen Freiheit, dass in den Volumensegmenten seit gewisser Zeit nur noch SUV und Crossover gefragt sind?

Stefani: Ich sehe es nicht als Einschränkung, sondern eher als Herausforderung, die Fahrzeuge so zu gestalten, dass sie unterschiedliche Charaktere haben und unterschiedliche Geschichten erzählen. Aus einer bestimmten Situation heraus etwas Neues machen zu können, das spornt uns als Designer an.

Autogazette: Wie stehen Sie zum Retro-Design? Moderne Technik in einer Verpackung, die mit Reminiszenzen an die «gute alte Zeit» spielt. Showcars dieser Art hat man vom VW-Konzern ja schon gesehen.

Stefani: Wenn man ein Retro-Auto machen will, muss die die damit verbundene Lebenswelt wirklich stark sein. Solch ein Narrativ muss auch heute noch seine Gültigkeit haben, sonst kann so ein Auto nicht erfolgreich sein. Für uns ist das aktuell kein Thema.

Autogazette: Würden Sie gern mal wieder ein Cabrio zur Serienreife bringen?

Stefani: Ein Coupé oder ein Cabrio zu entwerfen wäre eine schöne Übung, das erfreut das Designer-Herz. Flache, sportliche Fahrzeuge mit großen Rädern und kleinen Scheiben zu zeichnen geht leicht von der Hand. Aber wir müssen uns da der Realität stellen und das entwerfen, was der Markt und die Kunden wünschen.

Das Interview mit Oliver Stefani führte Axel F. Busse

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Axel F. Busse
Axel F. Busse ist gelernter Redakteur, sein kommunikations-wissenschaftliches Studium absolvierte er an der FU Berlin. Nach Tätigkeiten bei Tageszeitungen, wo er sich mit Auto- und Verkehrsthemen beschäftigte, arbeitet er seit 2003 als freier Autor ausschließlich in diesem Bereich. Außer für die Autogazette schreibt er für verschiedene Online- und Printmedien.

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