«Unsere Zukunft ist das reine E-Auto»

Skoda-Chef Thomas Schäfer

«Unsere Zukunft ist das reine E-Auto»
Skoda-Chef Thomas Schäfer. © Skoda

Der Enyaq iV entwickelt sich für Skoda zu einer Erfolgsgeschichte. Im Interview mit der Autogazette spricht Vorstandschef Thomas Schäfer über die E-Mobilität, Wachstumsmärkte und die Halbleiterkrise.

Skoda leidet wie andere Autobauer unter den Folgen der Halbleiterkrise. «Über das gesamte Jahr werden wir wohl so um die 100.000 Autos verlieren», sagte Skoda-Chef Thomas Schäfer im Interview mit der Autogazette.

Nachdem der tschechische Autobauer im vergangenen Jahr noch über eine Million Autos absetzen konnte, hofft Schäfer darauf, dass diese Marke auch in diesem Jahr erreicht wird. «Freilich wird das schwierig. Wir hoffen auf das letzte Quartal.»

70.000 Bestellungen für den Skoda Enyaq iV

Trotz der Chipkrise versucht der Autobauer den Hochlauf des Skoda Enyaq iV nicht zu gefährden, wie Schäfer sagte. «Das Fahrzeug kommt sehr gut an. Menschen, die ihn auf der Straße sehen, sind begeistert. Er ändert das Mindset zur Elektromobilität», so der Manager. Derzeit liegen der VW-Tochter für den Enyaq iV 70.000 Bestellungen vor.

Zwar bietet Skoda derzeit auch noch für den Octavia und den Superb Plug-in-Hybride an. Doch der Fokus von Skoda liegt klar auf den reinen E-Autos. «Natürlich ist der PHEV für Flotten wichtig, weshalb wir ein solches Angebot auch beim Octavia und Superb machen, doch andere Fahrzeuge werden nicht folgen. Das macht für uns keinen Sinn. Unsere Zukunft ist das reine E-Auto.»

«Diese Krise werden wir aushalten»

Skoda-Chef Thomas hinter dem Steuer des Enyaq iV. Foto: Markus Altmann

Autogazette: Herr Schäfer, in Deutschland ist der Markt im August wegen der Halbleiterkrise um 23 Prozent eingebrochen. Wie sehr belastet Sie das Thema derzeit in der Produktion?

Thomas Schäfer: Das ist natürlich eine große Herausforderung für uns. Zu Beginn der Krise ist es uns gelungen, besser als die Konkurrenz zu agieren. Die Kollegen in der Produktion haben ein kleines Wunder vollbracht und die Planung sehr schnell und agil umgestellt…

Autogazette: …doch mittlerweile hat auch Skoda die ganze Härte des Problems getroffen?

Schäfer: Ja, jetzt sind wir an einem Punkt, wo wir es selbst nicht mehr in der Hand haben. Wir mussten die Produktion sogar für eine Woche stoppen. Doch diese Krise werden wir aushalten, Skoda ist sehr widerstandsfähig. Danach kommt hoffentlich wieder ein bisschen Normalität.

Autogazette: War diese Krise zu Beginn auch darauf zurückzuführen, dass man schlicht zu wenig Halbleiter geordert hatte?

Schäfer: Zu Beginn gab es eine Order-Blase, die auch auf die Corona-Pandemie zurückzuführen war. Doch dann gab es Dinge, die nicht zu beeinflussen waren. Denken Sie nur an den steckengebliebenen Tanker im Suez-Kanal, den Brand in der Chip-Fabrik in Japan, den durch einen Sturm bedingten Ausfall der Chipproduktion in Texas oder den Ausfall der Chipproduktion in Malaysia durch einen Lockdown.

«Werden wohl um die 100.000 Autos verlieren»

Autogazette: Wieviel weniger Autos werden Sie wegen der Chipkrise in diesem Jahr bauen können?

Schäfer: Über das gesamte Jahr werden wir wohl so um die 100.000 Autos verlieren.

Autogazette: Im vergangenen Jahr konnte Skoda über eine Millionen Autos absetzen. Diese Marke werden Sie dieses Jahr wohl nicht mehr erreichen können?

Schäfer: Wir hoffen, dass wir das trotz der Halbleiterkrise doch noch schaffen werden. Freilich wird das schwierig. Wir hoffen auf das letzte Quartal.

Autogazette: Haben sich die Lieferzeiten wegen der Halbleiterkrise deutlich erhöht?

Schäfer: Wir sind in der glücklichen Situation, dass unsere Produkte beim Kunden super ankommen. Unser Auftragseingang ist enorm hoch. Von daher müssen unsere Kunden ohnehin schon jetzt etwas länger auf ihr Fahrzeug warten. Wir tun alles, was in unserer Macht steht, die Kunden schnellstmöglich zu beliefern.

«Enyaq iV ändert Mindset zur Elektromobilität»

Der Skoda Enyaq iV fährt mehr als 500 Kilometer elektrisch. Foto: Skoda

Autogazette: Welchen Einfluss hat die Chipkrise auf die Produktion des Skoda Enyaq iV?

Schäfer: Wir setzen derzeit alles daran, den Hochlauf des Enyaq iV nicht zu gefährden. Das Fahrzeug kommt sehr gut an. Menschen, die ihn auf der Straße sehen, sind begeistert. Er ändert das Mindset zur Elektromobilität.

Autogazette: Wo liegt der Absatz des Enyaq derzeit?

Schäfer: Uns liegen derzeit 70.000 Bestellungen vor. Das übertrifft unsere Erwartungen. Schön wäre es, wenn wir diese Nachfrage auch bedienen könnten.

Autogazette: Vom Enyaq iV werden Sie auch ein Coupé anbieten. Wird sich dessen Marktstart wegen der Chipkrise verzögern?

Schäfer: Wir prüfen gerade die Versorgungssituation für das Jahr 2022. Sollte es zu einer Verzögerung kommen, dann lediglich um ein paar Wochen. An den grundsätzlichen Planungen ändert sich nichts.

Autogazette: Auf welchen Anteil soll das Coupe an der Baureihe kommen?

Schäfer: Das Coupé soll auf einen Anteil von 20 bis 30 Prozent kommen.

«Wir werden das Auto mit spitzem Bleistift kalkulieren»

Autogazette: Wie VW und Seat bringt auch Skoda das kleine E-Auto, den Small-BEV, erst 2025. Würden Sie sich aufgrund der starken Nachfrage nach E-Autos einen früheren Start wünschen?

Schäfer: Klar würden wir uns das wünschen. Allerdings ist es eben nun auch keine triviale Angelegenheit, ein neues E-Fahrzeug zu einem sehr wettbewerbsfähigen Preis zu präsentieren.

Autogazette: Das Small-BEV soll einen Preis zwischen 20.000 und 25.000 Euro haben. Bei der Seat-Tochter Cupra sagt man, dass man sich mit seinem Modell wohl in der Mitte dieser Spanne bewegen wird. Wie schaut das bei Ihnen aus?

Schäfer: Wir werden das Auto mit spitzem Bleistift kalkulieren, so viel steht fest. Doch zuvor bringen wir noch ein weiteres reines E-Auto auf den Markt, das größentechnisch und preislich unterhalb des Enyaq iV liegen wird.

Autogazette: Sie planen bei den reinen E-Modellen bis 2030 mit einem Anteil von 50 bis 70 Prozent in Europa? Hat sich vor dem Hintergrund des Green Deals diese Planung geändert?

Schäfer: Nein, das war schon Planungsprämisse. Doch ich gehe davon aus, dass wir uns bis 2030 eher den 70 Prozent annähern werden. In den zurückliegenden zwei Jahren hat sich das Thema enorm beschleunigt. Und ich erwarte nicht, dass es sich wieder verlangsamt.

«Bis 2035 wird sich einiges tun»

Der neue Fabia hat in fast jedem Bereich zugelegt. Foto: Skoda

Autogazette: Nach Plänen der EU soll es ab 2035 faktisch ein Verbrenner-Aus geben. Müssten Sie da nicht ambitionierter als diese 70 Prozent unterwegs sein?

Schäfer: Bis 2035 wird sich einiges tun. Doch Sie müssen auch immer die Emerging-Markets im Blick behalten, für die die E-Mobilität so schnell kein gangbarer Weg ist. Wie auch immer sich die Transformation vom Verbrenner zum E-Auto weiter entwickeln wird: Wir behalten unsere hohe Flexibilität bei und können entsprechend nachadjustieren. Wir können sicherlich noch eine Schippe auf diese 70 Prozent drauflegen, sollte das erforderlich sein.

Autogazette: Die Kernmarke VW will in Europa zwischen 2033 bis 2035 aus dem Verbrenner aussteigen. Wann ist das bei Ihnen der Fall?

Schäfer: Das kann ich Ihnen heute nicht seriös beantworten, weil sich die Märkte eben sehr unterschiedlich entwickeln. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir ein Fahrzeug wie den Kodiaq in gewissen Ländern noch im Portfolio haben werden. Aber nochmal: Es ist heute für uns zu früh, über ein konkretes Enddatum des Verbrenners zu spekulieren.

Autogazette: Voraussichtlich im November fällt die Entscheidung über die neue Abgasnorm EU 7. Was bedeutet das für einen Kleinwagen wie den Fabia?

Schäfer: Noch kennen wir die genauen Anforderungen der geplanten Norm nicht. Die ersten, dann jedoch abgelehnten Spezifikationen hätten dazu geführt, dass zur Erreichung der EU 7 selbst ein Mild-Hybrid nicht gereicht hätte. Das hätte zu erheblichen Mehrkosten geführt, die gerade Kleinwagen spürbar teurer machen würden.

«Setzen perspektivisch voll auf reine E-Autos»

Der Skoda Octavia iV hat eine Systemleistung von 204 PS. Foto: Skoda

Autogazette: Sie haben in den zurückliegenden zwei Jahren 100.000 iV-Modelle verkauft. Mit welchem Split rechnen Sie bis 2030 zwischen reinen E-Autos und Plug-in-Hybriden?

Schäfer: Wir setzen perspektivisch voll auf reine E-Autos. Natürlich ist der PHEV für Flotten wichtig, weshalb wir ein solches Angebot auch beim Octavia und Superb machen, doch andere Fahrzeuge werden nicht folgen. Das macht für uns keinen Sinn. Unsere Zukunft ist das reine E-Auto.

Autogazette: Spielt auf den von Ihnen angedachten Wachstumsmärkten – darunter Afrika – die E-Mobilität nur eine untergeordnete Rolle?

Schäfer: Momentan ja. Doch man darf bei diesen Märkten nie vergessen, dass man dort auch mal Entwicklungen überspringt und behördliche Themen einmal schneller abgehandelt werden. Dort setzt man schnell Dinge um, die bei uns ewig dauern.

Der Skoda Kushaq wurde erfolgreich in Indien eingeführt. Foto: Skoda

Autogazette: Sie haben im Sommer in Indien den Kushaq auf den Markt gebracht. Wie ist die Nachfrage?

Schäfer: Super, seit Juni liegen uns bereits über 10.000 Bestellungen vor. Trotz Chipmangel und Produktionsanlauf mitten in der Corona-Pandemie liegen wir über Plan. Ich werde ständig gefragt, warum wir den nicht in Europa verkaufen, doch er ist zunächst exklusiv für Indien gedacht. Noch in diesem Jahr legen wir mit einer kompakten und gleichzeitig enorm geräumigen Limousine nach, die ebenfalls perfekt auf den indischen Markt zugeschnitten ist.

«Nordafrika ist ein Markt mit hoher Kaufkraft»

Autogazette: Sie wollen bis 2030 zu den fünf meistverkauften Automarken in Europa gehören. Welche Wachstumsmärkte spielen dabei für Sie eine besondere Rolle?

Schäfer: Europa bleibt unser Kernmarkt. Doch daneben sind es Länder und Regionen wie Indien, Russland und Nordafrika, die uns nach vorne bringen werden. Es sind Märkte, die weit unter ihren Möglichkeiten liegen. In Nordafrika verkaufen wir aktuell 15.000 bis 20.000 Autos. Allein Ägypten hätte heute mit seinen 100 Millionen Einwohnern ein Gesamtmarktpotenzial von einer Million Autos. Ich denke, dass wir in Afrika in den kommenden drei bis fünf Jahren mit Blick auf den Absatz von Skoda dort ein ganz anderes Bild sehen.

Autogazette: Was macht Sie da so optimistisch?

Schäfer: Es liegt an der afrikanischen Freihandelszone, die vor eineinhalb Jahren unterzeichnet wurde. Es gibt viele Länder wie Kenia, Ghana, Ruanda und Ägypten, die viel verändern wollen. Nordafrika wird für uns eine große Rolle spielen.

Autogazette: Wieviel Prozent des Gesamtabsatzes von Skoda wollen Sie in fünf Jahren in Nordafrika erzielen?

Schäfer: Ich glaube, dass wir in Nordafrika in den kommenden fünf Jahren auf einen Anteil von sieben bis zehn Prozent kommen können. Es ist ein Markt mit einer hohen Kaufkraft.

Das Interview mit Thomas Schäfer führte Frank Mertens

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