«Mein Herz gehört dem Automobil und dem Fahrrad»

Škoda-Deutschlandchef Libor Myška

«Mein Herz gehört dem Automobil und dem Fahrrad»
Libor Myška ist Chef von Skoda in Deutschland. © Markus Altmann

Libor Myška ist seit dem 1. Januar neuer Skoda-Deutschlandchef. Im Interview spricht er über seinen Start, die Chipkrise, lange Lieferzeiten und die Bedeutung der Nachhaltigkeit.

Skoda-Deutschlandchef Libor Myška schaut trotz der schwierigen Lage der Autobauer wegen der andauernden Chipkrise zuversichtlich in die zweite Jahreshälfte. «Ich gehe davon, dass wir die Lage klar verbessern können. Wir werden zwar so schnell nicht wieder den Normalstand erreichen, doch die Chips, die für unsere stillgelegten Fabriken in Russland bestimmt waren, gehen jetzt nach Europa. Das wird uns helfen», sagte Myška im Interview mit der Autogazette.

Wie der gebürtige Tscheche hinzufügte, erwarte er auch «keinen Rückgang der Auftragseingänge, aber wir müssen sehen, wie sich das Geschäft langfristig weiterentwickelt. Wir tun alles, um die hohen Auftragsbestände schnellstmöglich abzubauen».

Auftragsbestand bis Ende 2023 auf Normalniveau bringen

Die Modelle der VW-Tochter erfreuen sich bei den Kunden nach wie vor großer Beliebtheit, wie Myška sagte. Der derzeitige Auftragsbestand würde dem Äquivalent von einem dreiviertel Jahr entsprechen.

„Aber während dieses Zeitraumes werden wir weitere Aufträge bekommen. Wir arbeiten alle daran, dass wir unsere Auftragsbestände bis Ende 2023 auf ein normales Niveau bringen werden.“ Derzeit müssen sich Kunden je nach Modell auf lange Lieferzeiten einstellen. Während Kunden auf einen Skoda Karoq zwischen vier und fünf Monaten warten müssen, kann die Auslieferung beim Elektro-SUV Enyaq iV bis Mitte nächsten Jahres dauern.

«Die Startphase war nicht einfach»

Autogazette: Herr Myška, seit dem 1. Januar sind Sie Chef von Škoda in Deutschland. Fühlen Sie sich trotz Corona schon angekommen im neuen Job?

Libor Myška: Die Startphase war nicht einfach. Als ich die neue Aufgabe antrat, mussten fast alle Mitarbeiter aufgrund der Pandemiesituation noch in der Mobilen Arbeit verbleiben. Das hat sich Ende März geändert, da konnte ich anfangen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und mein Management-Team näher und persönlich kennenzulernen. Wir haben auch wieder die Kantine geöffnet, sodass ich auch dort viele Mitarbeiter wieder treffen kann. Das macht mir große Freude.

Autogazette: Sie waren ja nicht nur mit Corona konfrontiert, sondern auch mit der Chipkrise und dem Teilemangel wegen des Kriegs in der Ukraine. Viel schlechtere Startbedingungen hätte es kaum geben können.

Myška: Sie vergessen, dass wir Ende Februar auch von einem Brand bei einem unserer Kernlieferanten für den Octavia in Mladá Boleslav betroffen waren, der für uns Türverkleidungen fertigt. Das führte dazu, dass wir für zweieinhalb Monate den Octavia nur unvollständig bauen konnten. Die Fahrzeuge werden jetzt nach und nach komplettiert. Erfreulich ist, dass unsere Modelle weiter sehr gefragt sind und wir über hohe Auftragsbestände verfügen – und gleichzeitig verbessert sich in diesen Wochen auch die Auslieferungssituation wieder. Wir versuchen diese Situation gemeinsam mit unseren Händlern bestmöglich zu bewältigen. Unsere Händler machen dabei ebenso eine hervorragende Arbeit.

«Sehen, dass sich die Lieferfähigkeit verbessert»

Hans-Joachim Stuck, Libor Myška und Nico Rosberg (v.l.) mit einem Enyaq iV RS. Foto: Markus Altmann

Autogazette: Škoda kommt im Juni nach Zahlen des KBA auf 12.314 Neuzulassungen, das ist ein Minus von 19,5 Prozent. Nach sechs Monaten liegt der Rückgang bei 18,1 Prozent . Beunruhigen Sie die Zahlen trotz der bekannten Rahmenbedingungen?

Myška: Wir hatten im ersten Quartal einen sehr guten Start mit einem Marktanteil von knapp sechs Prozent…

Autogazette: …im Juni liegen sie bei 5,6 Prozent…

Myška: …ja, genau. Wir sehen aber, dass sich die Lieferfähigkeit aktuell verbessert. Das wird uns in der zweiten Jahreshälfte helfen. Wir bedienen wie bei Škoda üblich auch weiterhin fast ausschließlich die gesunden, profitablen Kanäle und arbeiten nicht mit Eigenzulassungen, um Zulassungszahlen künstlich nach oben zu treiben.

Autogazette: Opel lag im Juni nur 0,1 Prozentpunkte beim Marktanteil vor ihnen. Ist Ihnen das als Importeur wichtig, so dicht hinter einer deutschen Volumenmarke zu sein?

Myška: Wir waren in den ersten vier Monaten des Jahres auf Platz 5 im Markenranking der KBA-Zulassungen. Doch das ist derzeit weniger eine Frage der Performance, sondern eine der Verfügbarkeit der Fahrzeuge. Viel wichtiger ist uns mit unseren Verkäufen am Markt profitabel zu sein und dies gelingt uns weiter sehr gut.

Autogazette: Wie sieht Ihre Prognose für das Restjahr aus?

Myška: Ich gehe davon, dass wir die Lage klar verbessern können. Wir werden zwar so schnell nicht wieder den Normalstand erreichen, doch die Chips, die für unsere stillgelegten Fabriken in Russland bestimmt waren, gehen jetzt nach Europa. Das wird uns helfen. Ich erwarte zudem keinen Rückgang der Auftragseingänge, aber wir müssen sehen, wie sich das Geschäft langfristig weiterentwickelt. Wir tun alles, um die hohen Auftragsbestände schnellstmöglich abzubauen.

«Karoq derzeit am besten lieferbar»

Den gelifteten Karoq bietet Skoda nun auch auch als 2.0 TSI 4×4 Sportline an. Foto: Skoda

Autogazette: Wie schauen denn die Auftragsbestände aus?

Myška: Wir haben einen Auftragsbestand, der dem Äquivalent von einem dreiviertel Jahr entspricht. Aber während dieses Zeitraumes werden wir weitere Aufträge bekommen. Wir arbeiten alle daran, dass wir unsere Auftragsbestände bis Ende 2023 auf ein normales Niveau bringen werden.

Autogazette: Wie lange warte ich denn momentan auf einen Verbrenner bzw. ein Elektroauto wie den Enyaq iV?

Myška: Das hängt stark vom Modell ab: Die kleineren Modelle, die weniger Chips benötigen, sind schneller lieferbar. Derzeit am besten lieferbar ist der Karoq. Da läuft die Produktion annähernd zu 100 Prozent, die Lieferzeiten liegen bei 4-5 Monaten. Und beim Enyaq iV müssen die Kunden auch aufgrund der Lieferprobleme mit den Kabelbäumen aus der Ukraine bei einer heutigen Bestellung bis Mitte kommenden Jahres warten. Beim Enyaq Coupé RS iV kann es auch mal schneller gehen.

Autogazette: Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Kunden mobil bleiben?

Myška: Wir verlängern beispielsweise Leasingverträge, zudem gibt es viele Kunden-Maßnahmen, die auch von uns mitfinanziert werden. Die Mehrheit der Kunden hat aber Verständnis für die Situation. Ich möchte mich hierfür ausdrücklich bedanken. Daran sieht man, dass viele unserer Kunden auch Fans der Marke sind und dies mit ihrer Loyalität zum Ausdruck bringen.

«Wir garantieren nach wie vor unseren Herstelleranteil»

Autogazette: Wir gehen Sie bzw. Ihre Händler damit um? Wer seinen Enyaq iV erst nächstes Jahr erhält, bekommt nicht mehr die volle Kaufprämie.

Myška: Wir garantieren bei Unterschrift nach wie vor unseren Herstelleranteil an der Prämie. Während der Staat aktuell noch keine Sicherheiten gibt, geben wir unseren Kundinnen und Kunden diese Sicherheit mit Blick auf unseren Anteil an der Prämie.

Autogazette: Derzeit wird nicht nur über eine Kürzung der Prämie zum Ende des Jahres diskutiert, sondern die FDP will sie ganz streichen. Stellen Sie deshalb eine Kaufzurückhaltung fest?

Myška: Ich kann verstehen, dass die Kunden verunsichert sind. Aber ich bin davon überzeugt, dass es zu einer vernünftigen, zukunftsorientierten Lösung bei der Prämie kommen wird.

Autogazette: Die Inflation lag im Mai bei rund 8 Prozent, Preise für Energie und Lebensmittel steigen. Was bedeutet das für den Gesamtmarkt? Stagnation auf niedrigem Niveau?

Myška: Ich gehe davon aus, dass der Gesamtmarkt nicht über dem Niveau des Vorjahres liegen wird, als 2,62 Millionen Fahrzeuge neu zugelassen wurden. Ich erwarte einen Absatz von rund 2,5 Millionen Fahrzeugen in diesem Jahr.

«Wir halten unsere Umsatzrendite auf hohem Niveau»

Autogazette: Sie setzen zwar weniger Fahrzeuge ab, doch sie verdienen deutlich mehr als früher, da weniger Rabatte gewährt werden müssen.

Myška: Wir als Škoda Auto Deutschland halten unsere Umsatzrendite auf hohem Niveau – und auch unsere Händler sind ganz gut unterwegs mit einer Umsatzrendite, die aktuell auch die Volumenverluste kompensiert.

Autogazette: Wo liegt die Umsatzrendite bei den Händlern?

Myška: Im Gesamtjahr 2021 lag sie bei 2,5 Prozent – und das war bereits eine Rekordrendite.

Autogazette: Und, wird sich das verfestigen?

Myška: Auch die Verfügbarkeit der Gebrauchtwagen geht zurück – entsprechend braucht der Handel keine Rabatte zu gewähren. In der zweiten Jahreshälfte erwarten wir eine Verbesserung der Liefersituation bei den Neuwagen. Von daher kann der Handel weiter mit guten Geschäften rechnen.

«Bereits 2000 Bestellungen für RS-Modell»

Die Coupé-Variante des Skoda Enyaq iV RS auf dem Runway des Flughafens Berlin-Tegel. Foto: Markus Altmann

Autogazette: Wie ist das Einvernehmen mit dem Handel aufgrund des Agenturmodells bei den E-Autos? Liegt man arg im Streit?

Myška: Wir befinden uns in konstruktiven Verhandlungen und sprechen vernünftig miteinander. Ich schätze diesen offenen, vertrauensvollen Austausch sehr. Unser klares Ziel ist es, eine faire, zukunftsträchtige Vereinbarung mit den Händlern zu schließen.

Autogazette: Auf dem Greentech-Festival in Berlin haben Sie die Coupe-Variante des Enyaq iV RS gezeigt- Auf welchen Anteil soll das Coupé im Vergleich zur normalen Variante kommen?

Myška: Mit Ausnahme des RS wurde das Coupé noch nicht auf dem Markt eingeführt, daher ist eine Aussage noch schwierig. Doch uns liegen bereits mehr als 2000 Endkundenbestellungen für das elektrische RS-Modell vor, obwohl das Auto noch nicht im Handel steht. Wir gehen von einem prozentualen Verhältnis zwischen SUV und Coupé von 70:30 aus. Der Preisunterschied beläuft sich auf 5000 Euro, wobei das Coupé diverse Ausstattungsvorteile bietet. Wir müssen jetzt schauen, wie wir den sehr großen Auftragsbestand für den Enyaq iV abbauen. Darauf liegt die Priorität.

Autogazette: Wie wichtig ist das Greentech-Festival für Sie mit Blick auf die Positionierung als grüne Marke?

Myška: (lacht) Wir sind eine grüne Marke, schauen Sie sich nur unseren Auftritt an. Die Messe ist für uns wichtig. Wir wollen als Marke wahrgenommen werden, die sich um Nachhaltigkeit kümmert. Wir können dies mit vielen Maßnahmen belegen. Ich bin sehr interessiert an allen Themen rund um Nachhaltigkeit. Bei Škoda hatten wir gerade die Initiative „Project1hour“, bei der jede Führungskraft eine Stunde mit den Mitarbeitern über das Thema CO2-Ausstoß privat, aber auch im Unternehmen spricht. Ideen daraus werden gemeinsam in die Umsetzung gebracht.

Autogazette: Wie halten Sie es denn privat mit Nachhaltigkeit: Früher sind Sie ja professionell Radrennen gefahren?

Myška: Das Fahrrad ist tief in der Geschichte von Škoda verankert. Mein Herz gehört dem Automobil und dem Fahrrad. Derzeit schaffe ich es aber nur noch am Wochenende auf dem Rad zu sitzen. Ich liebe das Radfahren aber weiterhin. Ich bin jetzt gerade zwei Tage in Berlin. Mir gefällt es zu sehen, wie viele Menschen hier in der Stadt auf dem Rad unterwegs sind.

Das Interview mit Libor Myška führte Frank Mertens

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