Škoda hat seine 4×4-Armada aufs Glatteis geführt. Mit dabei im mittelschwedischen Winter sind auch Siegerautos und Rallyeweltmeister.
Üblicherweise verkaufen sich Škoda-Bestseller zu Zigtausenden im Jahr. Dennoch gilt ein Wagen als ganz besonders erfolgreich, von dem sie in Mladá Boleslav seit April 2015 nicht mal ganz 500 Exemplare abgesetzt haben. Und auch wenn das Gefährt eine Straßenzulassung hat – ein ganz normales Auto ist dieser Fabia kein bisschen.
Man kann damit – hinreichend Talent vorausgesetzt – Rallye-Weltmeister in der Kategorie WRC 2 werden. Esapekka Lappi (2016), Pontus Tidemand (2017), Jan Kopecky (2018), Kalle Rovanperä (2019), Andreas Mikkelsen (2021) und Emil Lindholm (2022) haben es bewiesen. Allerdings trennt den gefiederten Pfeil im Schaufenster von dem siegersekttropfenden auf dem Podium ein kleines Kürzel: RS Rally2.
Den Unterschied kann man an den dicken Backen sehen – und sehr viel deutlicher noch am Preis. Während Škodas Stadtflitzer ab 14 540 Euro brutto den Besitzer wechselt, wird für einen siegfertigen Rallye-Fabia fast das Zwanzigfache fällig. Für die breiteren Räder braucht es wuchtigere Kotflügel, für schnelleres Schalten ein sequenzielles Getriebe, für mehr Vortrieb knapp 300 PS plus Allrad. Das Innere ist ausgeräumt. Mehr als Überrollkäfig, Schalensitze, Feuerlöscher und Sechspunkt-Gurte sind nicht zu finden. Performance rangiert eindeutig vor Gemütlichkeit.
Rallye-DNA in jedem Škoda
Mögen am Ende nur mehr Türgriffe, Frontscheibe und Heckklappen-Schloss mit dem Fließband-Fabia identisch sein – die DNA des Rallyesports steckt gleichwohl in jedem Škoda. Wenigstens ein bisschen. Weil so ziemlich alle Erkenntnisse irgendwann in der Serie landen. Radaufhängung, Gewichtsverteilung, Fahrwerk, Elektronik und was sonst noch alles. Schließlich gibt es keine härteren Tests als die Rallye-Pisten dieser Welt.
Genau daher kommt auch Škodas Kompetenz beim Allradantrieb. Damit sind die Tschechen offiziell zwar schon seit den 1930er-Jahren unterwegs, allerdings war der 956 ein reines Militärmodell. Zivil belebt wurde das Konzept 1999 mit dem Octavia 4×4, seither haben mehr als 1,25 Millionen Allradler Käufer und Käuferinnen gefunden.
Am treffendsten hat es vermutlich Walter Röhrl beschrieben. Ein Auto mit zwei getriebenen Rädern, befand der Säulenheilige des Rallyesports, sei eben bloß eine Notlösung. Und auch wenn man mit Kraft an nur einer einzigen Achse den Limits der Physik technisch mittlerweile nahe kommt wie nie zuvor: Dieser Satz gilt noch immer. Und da muss man kein bisschen grenzwertig unterwegs sein – noch nicht mal auf Eis und Schnee. Schon ein Anhänger kann ein normales Auto an die Limits des Vortriebs bringen, manchmal reicht schon eine feuchte Wiese.
Kleiner Nachteil bei CO2 und Reichweite
Bei den Verbrenner-Modellen aus Mlada Boleslav findet die Kraft klassischerweise ihren Weg über Kardanwellen und Differenziale. Klingt aufwändig und vor allem schwer, macht aber dennoch weniger als 100 Kilo Mehrgewicht aus. Im E-Škoda läuft die Sache schlicht über einen zweiten Motor. Das spart jede Menge Mechanik, und das zusätzliche Gewicht bleibt auch hier zweistellig, sagt Škoda-Technik-Vorstand Johannes Neft. Entscheidend für das Zusammenspiel ist die klug programmierte Elektronik. Kleiner Nachteil: Das Plus an Stabilität und Vortrieb wird bei den Kolbenmotoren mit um die 17 Gramm CO2 extra erkauft, bei den E-Autos mit 24 Kilometer weniger Reichweite.
Um die Vorteile in Szene zu setzen, haben sich die Tschechen winterliches Ambiente ausgesucht. Mittelschweden, Temperaturen ordentlich im Minus, der gefrorene See spiegelglatt im Wortsinn. Bestes Geläuf also für einen Eis-Tanz der besonderen Art. Partner dabei sind Octavia, Superb, Kodiaq, Karoq und Enyaq – allesamt mit 4WD und den für Schweden typischen Spikereifen.
In diversen Geschlängeln lässt sich erfahren, wie souverän man mit zwei getriebenen Achsen unterwegs ist. Aber auch, wie man sich die Physik zum Freund macht, und dass ein drängendes Heck nicht das Ende ist, sondern erst der Anfang. Mit jedem Meter mehr wird daraus ein Spiel mit dem Schwung des Lastwechsels. Eines, bei dem man mal Mut beweisen muss für den beherzten Gasstoß – und mal Geduld, bis endlich die Drehung um die Hochachse beginnt. Pfeil schnell – um im Bild des Markenlogos zu bleiben.
Mit Schwung fährt auf Schnee vieles besser
Ginge es allein um Zeit, man wäre vermutlich mit dem Karoq am besten bedient. Kompakte Abmessungen, wenig Gewicht – da lässt sich auch ohne überbordende Leistung kommod hantieren. Am schicksten indes driftet es sich mit dem Enyaq Coupé RS. Schon weil der elektrische Allrad so sanft und präzise agiert – aber eben auch, weil sich bei voller Rekuperation der ganze Wagen gripgünstig Richtung Vorderbau neigt.
Als über Frösön die Wintersonne untergeht, haben sich diverse Reifen für zwei Erkenntnisse aufgerieben: Dass man Jahre an Rennerfahrung der Instruktoren in ein paar Stunden Eis-Tanz nicht annähernd aufholen kann. Und dass mit ein bisschen Schwung vieles besser fährt.
Kleiner Trost für alle, die sich mit einem Serien-Škoda bescheiden müssen: So ein RS Rally2 hat keinen Kofferraum, kommt ohne Handbremse nur schwer ums Eck und verlangt unter Volllast nach mehr als einem halben Liter Sprit pro Kilometer. Wofür er indes richtig taugt, ist eine Reise an der Seite von Champion Emil Lindholm ins Niemandsland der Fahrphysik.