«Rentabilität wichtiger als Wachsen um jeden Preis»

Seat Deutschland-Geschäftsführer Holger Böhme

Seat peilt mittelfristig einen Marktanteil von 2,5 Prozent an. Holger Böhme, Geschäftsführer von Seat Deutschland, spricht im Interview mit der Autogazette über neue Vertriebsstrukturen der spanischen VW-Tochter, lange Lieferfristen und die Zusammenarbeit mit Jürgen Klopp und Borussia Dortmund.

Für die spanische VW-Tochter Seat geht es auf dem deutschen Markt langsam wieder aufwärts. «In Deutschland sind wir sehr zufrieden, weil wir mehr als doppelt so stark wachsen wie der Markt. Der Markt wächst um die zwölf Prozent, wir haben die Auslieferungen in den ersten fünf Monaten des Jahres um 28,2 Prozent gesteigert», sagte Holger Böhme, seit gut über einem halben Jahr Geschäftsführer von Seat Deutschland, im Interview mit der Autogazette.

Sind jetzt gut aufgestellt

Noch in diesem Jahr soll in Deutschland als wichtigstem Exportmarkt in Europa unterm Strich ein Marktanteil von zwei Prozent stehen, der in Zukunft auf 2,5 Prozent erhöht werden soll. Um das erste Ziel zu erreichen, wurde die Vertriebsstruktur neu organisiert. Neben vier statt zwei Regionalleitungen werden auch immer mehr Händler akquiriert. «Um die zwei Prozent zu erreichen, muss man in der jeweiligen Region gut aufgestellt sein. Süddeutschland ist ebenso wie das Ruhrgebiet, die neuen Bundesländer oder Norddeutschland ein jeweils unterschiedlicher Markt. Jetzt sind wir gut aufgestellt», so Böhme.

Neue Modelle sollen in den nächsten Jahr dazu führen, dass der Marktanteil signifikant gesteigert wird. «Zudem werden wir in den Segmenten, in denen wir bisher nicht vertreten waren, auch Fahrzeuge platzieren», sagt der Manager, «bisher haben wir eine Segment-Abdeckung von 65 Prozent, unser Ziel sind 75 Prozent.»

Bis zu sechs Monate Wartezeit beim Alhambra

Bis zu sechs Monate Wartezeit auf den neuen Seat Alhambra AG/Flehmer

Autogazette: Herr Böhme, Sie sind ein halbes Jahr Chef von Seat Deutschland. Sind Sie froh, bei Seat Deutschland angestellt zu sein anstatt in Spanien?

Holger Böhme: Im Vergleich zu Spanien sind bei uns in Deutschland die Rahmenbedingungen momentan besser, da wir Zulassungsverschiebungen wie beispielsweise durch die Abwrackprämie bereits hinter uns haben. Sicherlich ist auch der deutsche Markt eine Herausforderung, der ich mich aber gerne stelle.

Autogazette: Seat-Präsident James Muir registrierte für die Marke Seat zwar einen Aufwärtstrend, sagte aber, man sei noch weit davon entfernt, zufriedenstellend zu sein. Was fehlt zur Zufriedenheit?

Böhme: In Deutschland sind wir sehr zufrieden, weil wir mehr als doppelt so stark wachsen wie der Markt. Der Markt wächst um die zwölf Prozent, wir haben die Auslieferungen in den ersten fünf Monaten des Jahres um 28,2 Prozent gesteigert. Unser großes Thema ist, noch ein paar mehr Alhambra auf die Straße zu bringen, da leiden wir leider unter langen Lieferfristen, die bei sechs Monaten liegen . . .

Autogazette: In wie fern?

Böhme: Es werden viele Optionen bestellt, die wir aufgrund der Erfahrung mit dem Vorgänger so nicht erwarten konnten. Beispielsweise ordern nun rund 70 Prozent der Kunden den Alhambra als Siebensitzer. Hinzu kommen höhere Begehrlichkeiten bei Anhängerkupplungen oder elektrischen Schiebetüren. Die Kumulation macht es für uns dann doch schon schwierig, schnell so zu liefern, wie wir das gerne würden.

Zwei Prozent als Maßstab

Der Seat Ibiza ist auch als Kombi gefragt Seat

Autogazette: Läuft Seat aufgrund der langen Lieferzeiten Gefahr, den angepeilten Marktanteil von zwei Prozent in Deutschland nicht zu erreichen?

Böhme: Das sehe ich derzeit nicht so. Wir wachsen positiv im Flottengeschäft, zudem haben wir den Vorlauf von mehr als 3000 Einheiten des Alhambra, die wir im zweiten Halbjahr erhalten werden. Daneben arbeiten wir stark an unserer Händlernetzstruktur und sind dabei, sehr viele neue Händler zu akquirieren. So werden neue Seat-Partner in Berlin, Duisburg, Leipzig, Halle oder München im zweiten Halbjahr helfen.

Autogazette: Hat Seat im Ostteil der Republik Nachholbedarf?

Böhme: Wir haben in den neuen Bundesländern höhere Marktanteile als im Durchschnitt. Aber in Städten wie Berlin, Leipzig und Halle müssen wir unsere Präsenz noch weiter ausbauen.

Autogazette: Wie viele Autos wollen Sie denn dann bis zum Ende des Jahres verkauft haben?

Böhme: Das ist schwer vorherzusehen, weil wir einen schwankenden Markt haben und wir nicht wissen, bei welcher Zahl er abschließt. Wir sind auf einem guten Weg, für uns zählen deshalb weiterhin die zwei Prozent.

«Sind gut aufgestellt»

Die Seat-Studie IBX weist auf neue Segmente hin Seat

Autogazette: Zur Verbesserung der Organisation wollten Sie vier statt lediglich zwei Regionalleitungen einsetzen. Ist der Vorgang mittlerweile abgeschlossen?

Böhme: Ja, das ist er.

Autogazette: Was versprechen Sie sich von der Verdopplung?

Böhme: Um die zwei Prozent zu erreichen, muss man in der jeweiligen Region gut aufgestellt sein. Süddeutschland ist ebenso wie das Ruhrgebiet, die neuen Bundesländer oder Norddeutschland ein jeweils unterschiedlicher Markt. Jetzt sind wir gut aufgestellt.

Autogazette: Auch in der Geschäftsstelle war die Personalfluktuation recht hoch. Ist das nicht alles sehr kostenintensiv?

Böhme: Wie schon gesagt, wir haben nun ein schlagkräftiges Team zusammen und sind somit gut aufgestellt.

Segmentabdeckung von 75 Prozent als Ziel

Der Seat Exeo wurde zum Firmenauto des Jahres gewählt Seat

Autogazette: Bis zum Jahr 2018 sollen 800.000 Seat pro Jahr verkauft werden. Für Deutschland als wichtigsten Exportmarkt von Seat in Europa bedeutet das, dass der Anteil sehr viel höher als zwei Prozent dann liegen muss . . .

Böhme: . . . die Idee ist, auch in Deutschland in einem vernünftigen Rhythmus zu wachsen. Natürlich getrieben durch die neuen Modelle, die kommen werden. Zudem werden wir in den Segmenten, in denen wir bisher nicht vertreten waren, auch Fahrzeuge platzieren. Bisher haben wir eine Segment-Abdeckung von 65 Prozent, unser Ziel sind 75 Prozent.

Autogazette: Welche Segmente müssen dafür noch ausgefüllt werden?

Böhme: Ganz wichtig ist für uns auch wieder ein Angebot im A0-Segment zu haben, sowie bestehende Modellreihen mit weiteren Karosserievarianten zu erweitern. Dies haben wir bereits erfolgreich bei der Seat Ibiza Baureihe mit dem Ibiza ST Kombi getan. Zudem werden wir den neuen Seat Leon auch als 3-Türer und Kombi auf den Markt bringen.

Autogazette: Wird dazu dann auch ein Audi Q3, der im Seat-Stammsitz Martorell gefertigt wird, mit einem Seat-Logo gehören? Auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Seat Exeo auf der abgelegten Audi A4-Plattform läuft?

Böhme: Da kann ich nichts zu sagen. Wir freuen uns aber, dass wir den Exeo und Exeo ST Kombi haben, die beide erfolgreich laufen, wie sich beispielsweise auch anhand der Wahl zum «Firmenauto des Jahres 2010» zeigt. Für unsere Marke ist dieses Fahrzeug unheimlich wichtig – vor allem im Flottenmarkt.

«Wollen realistisches, solides, nachhaltiges Wachstum»

Die Seat-Sondermodelle "Echte Liebe" Seat

Autogazette: Gibt es einen zählbaren Wert, der auf die Werbung mit Jürgen Klopp zurückzuführen ist?

Böhme: Ja, kann man so sagen, obwohl es das nicht allein ist. Wir fahren eine doppelte Strategie mit dem Thema Fußball, mit dem wir unseren Bekanntheitsgrad nachhaltig steigern wollen. Das wichtigste Engagement ist dabei die UEFA Europa League. Das andere Thema ist Borussia Dortmund und Jürgen Klopp. Das hat uns einen Schwung beim Bekanntheitsgrad in Deutschland von 23 auf 35 Prozentpunkten gebracht.

Autogazette: Seat hat nach der Meisterschaft ein BVB-Sondermodell gebracht. Sind die insgesamt 600 zur Verfügung stehenden Einheiten schon ausverkauft?

Böhme: Es ist sehr gut angelaufen. Die ersten zwei-, dreihundert Fahrzeuge sind weg. Aber die Partnerschaft ist nicht nur auf die Meisterschaft, sondern langfristig ausgelegt und verläuft so positiv, wie eine Partnerschaft laufen sollte. Wir sind da sehr optimistisch für die Zukunft.

Autogazette: Wie schaut denn die mittelfristige Zukunft von Seat Deutschland in Prozentzahlen ausgedrückt aus?

Böhme: Wir wollen mittelfristig einen Marktanteil von 2,5 Prozent erreichen.

Autogazette: Ambitionen, der größte Importeur in Deutschland zu werden, hegen Sie nicht?

Böhme: Da kämpfen einige drum, aber wir wollen ein realistisches, solides, nachhaltiges Wachstum erreichen, das eine gewisse Rentabilität garantiert. Das ist viel wichtiger als das Wachsen um jeden Preis.

Das Interview mit Holger Böhme führte Thomas Flehmer

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