Seat/Cupra gehört zu den wenigen Autobauern, die keinen Gewinneinbruch vermelden mussten. Im Interview spricht Vorstandschef Wayne Griffiths über positive Finanzzahlen und die Herausforderungen für dieses Jahr. Kurz nach der heute erfolgten Freigabe des Interviews wurde bekannt, dass der Manager das Unternehmen verlässt.
Die spanische VW-Tochter Seat/Cupra setzt mit Blick auf die Strafzölle für in China produzierte Fahrzeuge auf eine Einigung mit der EU. «Ich gehe davon aus, dass wir in den Gesprächen mit der EU zu einer Lösung kommen werden. Hier laufen derzeit intensive Diskussionen», sagte Seat/Cupra-Chef Wayne Griffith im Interview mit der Autogazette. Der Autobauer lässt derzeit das Elektromodell Cupra Tavascan in China fertigen.
Wie der Manager sagte, sollten die Strafzölle Europa vor den chinesischen Herstellern schützen. «Doch nun sind auch wir als europäischer Hersteller von dieser Gesetzgebung betroffen, haben 20 Prozent Strafzölle zu zahlen, obwohl wir die Technologien aus dem Modularen Elektrifizierungsbaukastens des VW-Konzerns nutzen», so Griffths. Eine Produktionsverlagerung des Tavascan nach Europa schließt der Manager aus, er setzt auf eine Lösung mit der EU. «Und es muss eine Lösung geben, denn die derzeitige Situation mit Strafzöllen von 20 Prozent ist nicht aushaltbar.» Ein Produktionsverlagerung nach Europa sei «nicht von heute auf morgen umsetzbar», so Griffiths.
Cupra plant weiter Markteintritt in USA
An seinen Expansionsplänen in die USA mit der Marke Cupra hält der Autobauer trotz den angekündigten Strafzöllen von US-Präsident Donald Trump auf Autoimporte fest. «Diese Ziele werden weiterverfolgt. Doch wir müssen flexibel bleiben. Und das nicht nur wegen der Veränderungen in den Regierungen, sondern auch wegen der unterschiedlichen Kundenbedürfnisse.»
Damit zielt Griffiths auf das veränderte Kaufverhalten ab. Als man vor drei Jahren die Pläne für den Markteintritt in die USA aufgestellt hatte, hätte man für den US-Markt aufgrund der angenommenen Marktentwicklung nur Elektroautos vorgesehen. Doch nun sähe man eine gegenteilige Entwicklung. «Es bleibt aber dabei: Wir planen, bis Ende des Jahrzehnts in die USA zu gehen. Die Frage ist nur, mit welchem Fahrzeug und welcher Antriebstechnologie. Womöglich wird es auch ein Verbrenner sein. Wir werden sehen, was bis dahin geschieht», so Griffiths.
«Haben unsere Fixkosten um 30 Prozent reduziert»
Autogazette: Der VW-Konzern musste für 2024 einen Gewinneinbruch vermelden. Die von Ihnen verantworteten Marken Seat und Cupra vermelden wie Skoda indes positive Finanzzahlen. Was machen Sie besser als die Konkurrenz?
Wayne Griffiths: Unsere Strategie der zurückliegenden fünf Jahre ist komplett aufgegangen. Mit Cupra haben wir vor sieben Jahren eine coole Marke gegründet, die mittlerweile sieben Modelle umfasst und entscheidend zu unserem Wachstum und unserem positiven Ergebnis beiträgt.
Autogazette: ...zum Erfolg gehören aber auch Kosteneinsparungen.
Griffiths: Ja, auch. Wir haben unsere Fixkosten um 30 Prozent reduziert, zugleich den Umsatz pro Fahrzeug um 35 Prozent gesteigert. Ich bin nicht nur stolz darauf, dass wir ein gutes Ergebnis erzielt haben, sondern dass wir in den zurückliegenden fünf Jahren auch fünf Milliarden Euro in die Zukunft investiert haben, nicht nur in die Elektromobilität, sondern auch in die Marke Cupra. Daneben haben wir auch das Management um 30 Prozent reduziert, wodurch wir agiler geworden sind. Das sind die Erfolgsfaktoren, weshalb wir in den vergangenen Jahren so erfolgreich waren.
«Wir müssen trotzdem unsere Rentabilität steigern»
Autogazette: Sie haben das operative Ergebnis um 1,3 Prozent auf 633 Millionen Euro steigern können. Sind Sie damit auch angesichts des schwierigen Marktumfelds in 2024 zufrieden?
Griffiths: Der Absatz der Marken Seat und Cupra ist jeweils um 7,5 Prozent gestiegen, der Jahresumsatz ist auf 14,5 Milliarden Euro gestiegen, ein Plus von 1,4 Prozent. Wir haben ein Rekordbetriebsergebnis von 633 Millionen Euro: Bin ich damit zufrieden? Nein, bin ich nicht. Eine Umsatzrendite von 4,4 Prozent ist gut aber wir müssen trotzdem unsere Rentabilität steigern.
Autogazette: Dann lassen Sie uns beim Cupra Tavascan bleiben. Er wird in China produziert, entsprechend entfallen auf ihn Strafzölle. Denken Sie darüber nach, ihn in Europa produzieren zu lassen?
Griffiths: Ich gehe davon aus, dass wir in den Gesprächen mit der EU zu einer Lösung kommen werden. Hier laufen derzeit intensive Diskussionen. Die Strafzölle sollten Europa vor den chinesischen Herstellern schützen. Doch nun sind auch wir als europäischer Hersteller von dieser Gesetzgebung betroffen, haben 20 Prozent Strafzölle zu zahlen, obwohl wir die Technologien aus dem Modularen Elektrifizierungsbaukastens des VW-Konzerns nutzen.
«Es muss eine Lösung geben»
Autogazette: Wird es also keine Produktionsverlagerung nach Europa geben?
Griffiths: Die steht nicht an, wir setzen auf eine Lösung mit der EU. Und es muss eine Lösung geben, denn die derzeitige Situation mit Strafzöllen von 20 Prozent sind ist nicht aushaltbar. Die Gespräche laufen gut, ich glaube, dass die EU unser Problem verstanden hat. Eine Produktionsverlagerung ist zudem nicht von heute auf morgen umsetzbar. Es braucht dafür nicht nur ein Werk, sondern Zulieferer, die übrigens ebenfalls massiv investiert haben.
Autogazette: Sie hatten vor, in die USA zu expandieren. Nun schwingt US-Präsident Trump ebenfalls die Keule der Strafzölle. Was bedeutet das für Ihre Expansionspläne?
Griffiths: Diese Ziele werden weiterverfolgt. Doch wir müssen flexibel bleiben. Und das nicht nur wegen der Veränderungen in den Regierungen, sondern auch wegen der unterschiedlichen Kundenbedürfnisse. Als wir vor drei Jahren unsere Pläne für die USA aufgestellt haben, hatten wir für den US-Markt nur Elektroautos vorgesehen. Wir waren davon ausgegangen, dass die Elektrifizierung sich bis zu unserem Marktstart dort enorm gesteigert hätte. Doch nun sehen wir eine gegenteilige Entwicklung, obwohl es in vielen Teilen der USA eine strenge CO2-Steuerung gibt. Deshalb braucht es einen permanenten Realitätscheck. Es bleibt aber dabei: Wir planen, bis Ende des Jahrzehnts in die USA zu gehen. Die Frage ist nur, mit welchem Fahrzeug und welcher Antriebstechnologie. Womöglich wird es auch ein Verbrenner sein. Wir werden sehen, was bis dahin geschieht.
Autogazette: Sie hatten das Wachstum beider Marken von je 7,5 Prozent angesprochen, was 558.000 Einheiten entspricht. Wie sieht die Absatzerwartung für dieses Jahr aus?
Griffiths: Einen Forecast in diesem Umfeld abzugeben, ist sehr schwierig. Man weiß ja nie, welche erneute Hiobsbotschaft es gibt. Aber ich bin Optimist und sehr ambitioniert. Es ist klar: Wir müssen weiter wachsen. Wenn Seat und Cupra erfolgreich sein wollen, müssen wir wachsen und ich will mit dem Unternehmen wachsen. Ich will auch mit Cupra weiter wachsen. So haben wir mit dem Tavascan und dem Terramar zwei neue Modelle, die ihren Beitrag zum Wachstum leisten werden.
«E-Mobilität zieht nicht so an, wie geplant»
Autogazette: Und wie schaut es mit Seat aus?
Griffiths: Seat wollen wir stabil halten. Doch der Blick auf die Auftragseingänge im ersten Quartal macht mich sehr zuversichtlich für beide Marken. Es ändert aber nichts daran, dass das Umfeld schwierig bleibt. Es ist eines der schwierigsten Umfelder, die ich in meinen 30 Jahren in der Automobilindustrie erlebt habe. So zieht die E-Mobilität nicht so an, wie geplant.
Autogazette: Die Elektromobilität hat im Vorjahr eine Nachfrageschwäche erlebt. Sie konnten indes um 6 Prozent auf 48.000 rein elektrische Einheiten zulegen. Erwarten Sie in diesem Jahr eine Erholung bei der E-Mobilität?
Griffiths: Es wird von den Regierungen abhängen, die sind hier gefragt. Sie müssen ihren Beitrag dazu leisten, dass es aufwärts geht mit der E-Mobilität. Wir als Hersteller haben unsere Aufgaben gemacht. So bauen wir in Martorell nicht nur den Cupra Raval, sondern auch den ID.2. Damit demokratisieren wir die E-Mobilität mit Modellen ab 25.000 Euro und tollen Reichweiten. Damit machen wir Elektromodelle bezahlbar. Jetzt braucht es dafür im Markt die Rahmenbedingungen. Dazu gehört eine Steuerpolitik, die E-Mobilität unterstützt, und eine bessere Infrastruktur. Ich hoffe, dass die neue deutsche Regierung darauf setzt und erkennt, dass die Einstellung der Incentivierung zu früh kam.
Autogazette: Die EU hat die Autolobby erhört und weicht die CO2-Flottengrenzwerte auf. Die Hersteller sollen jetzt zwei Jahre mehr Zeit erhalten, die Grenzwerte zu erreichen. Hat man sich damit mit Blick auf den Markthochlauf einen Gefallen getan?
Griffiths: Die Flexibilisierung hilft uns. Ohne diese Flexibilisierung hätte die europäische Autoindustrie Probleme bekommen. Aber unsere Ziele und Strategie bleiben gleich.
«Verzögerungen können wir uns nicht erlauben»
Autogazette: Die Hersteller hätten angesichts der drohenden Strafzahlungen indes unter Druck gestanden, verstärkt E-Autos abzusetzen. Dieser Druck hätte den Markthochlauf der E-Mobilität befördern können…
Griffiths: …mit diesen Strafzahlungen hätten wir uns selbst geschadet. Vielmehr sollte man jetzt Investitionen und Maßnahmen treffen, die die E-Mobilität beschleunigt. Durch den Autodialog erhoffe ich mir von Europa, dass da nun die richtigen Maßnahmen getroffen werden, um den Weg zu beschleunigen. Verzögerungen können wir uns nicht erlauben. Der Kunde wartet weiter mit dem Kauf eines E-Autos ab. Er weiß nicht, ob das die Zukunft ist. Die Verunsicherung muss dem Kunden durch eine klare Kommunikation seitens der Hersteller, aber auch der Regierungen genommen werden. Es sollte nicht ständig über andere Technologien gesprochen werden und auch nicht über eine Verschiebung des Verbrenner-Aus 2035.
Autogazette: Trägt die Autoindustrie nicht selbst durch die Diskussion über die Technologieoffenheit zu dieser Verunsicherung bei?
Griffiths: Wir dürfen mit Blick auf das Verbrenner-Aus nicht auf die Pausentaste drücken. Wir setzen weiter auf Beschleunigung. Der Konzern investiert in Spanien gerade zehn Milliarden Euro, um hier die Zukunft für die Elektromobilität zu schaffen. Wir stellen die Ziele nicht in Frage, darüber sollten wir wirklich nicht mehr diskutieren. Es muss endlich richtig losgehen. In Spanien sind nach wie vor 95 Prozent der verkauften Autos nicht elektrisch, in Europa liegt der E-Anteil bei gerade einmal 13 Prozent. Das ist die Hälfte dessen, wo wir jetzt sein müssten. Für dieses Jahr war ein Marktanteil von 25 Prozent für die Elektromobilität erwartet worden. Jetzt zu sagen, wir machen einen Schritt zurück, macht keinen Sinn. Kunden müssen sich des Kostenvorteils bewusst sein, den Elektroautos gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor haben.
«Glaube nicht, dass Marktanteil sich verdoppeln kann»
Autogazette: Der Verband der Autoindustrie geht in seiner Jahresprognose davon aus, dass es aufgrund der CO2-Regulatorik in diesem Jahr ein Wachstum bei den BEVs von 75 Prozent und einen Marktanteil von 24 Prozent geben wird. Ist dieses Ziel mit der Aufweichung noch erreichbar?
Griffiths: Wenn die neue Regierung in Deutschland ihre Hausaufgaben macht, eine entsprechende Steuerpolitik betreibt und die Ladeinfrastruktur ausbaut, ist das noch erreichbar. Aber man muss schnell sein – und das im Zusammenspiel mit Kommunen und Städten.
Autogazette: Welchen Marktanteil bei den BEVs erwarten Sie in 2025?
Griffiths: Ich glaube nicht, dass der Marktanteil sich in einem Jahr verdoppeln kann. Es wäre möglich, wenn wir schon eines der Urban Electric Vehicle aus dem Volkswagen Konzern auf dem Markt hätten. Dieser Schub kommt aber erst 2026. Die Frage ist jetzt, ob es uns auf europäischer Ebene gelingt, hier für eine Beschleunigung zu erzielen. In Portugal, unserem Nachbarn, gibt es 20 Prozent elektrifizierte Fahrzeuge. Warum ist Norwegen weiter, warum sind die skandinavischen Länder weiter? Weil die notwendige Politik konsequent umgesetzt haben.
«Ich glaube, dass wir gut dabei sind»
Autogazette: Der ID.2 und der Cupra Raval kommen 2026 auf den Markt, der ID.1 sogar erst 2027. Ist das im Vergleich zum Wettbewerb nicht zu spät?
Griffiths: Man könnte diese Frage auch umdrehen: Sind wir damit mit Blick auf die momentanen Marktanteile der Elektrofahrzeuge nicht zu früh? Kommt erst das Produkt, dann das Volumen? Es ist die Frage nach der Henne und dem Ei. Ich glaube, dass wir gut dabei sind. Noch dieses Jahr werden wir die ersten Vorserienfahrzeuge bauen. Das Batteriesystem-Montagewerk ist fast fertig.
Autogazette: Wird es denn ein entsprechendes Auto zum ID.1 auch von Seat/Cupra geben?
Griffiths: Ein Cupra für 20.000 Euro ist nicht die Aufgabe der Marke Cupra. Das ist nicht erstrebenswert. Für die Marke Seat würde das indes passen. Sie ist die Einstiegsmarke in den Volkswagen Konzern, es ist die Marke für junge Leute. Man muss nur ein Projekt finden, was wirtschaftlich Sinn macht. Wir müssen unsere Prioritäten setzen – und die Priorität ist momentan die Rentabilität. Das heißt aber nicht, dass wir uns nicht um Seat kümmern. In diesem Jahr feiern wir das 75-jährige Firmenjubiläum von Seat. Ich könnte mir gut vorstellen, dass ein Elektroauto von Seat für 20.000 Euro sinnvoll ist, aber nur wenn es rentabel ist. Das hängt maßgeblich von der Entwicklung der Batteriekosten ab.
Das Interview mit Wayne Griffiths führte Frank Mertens