Peter Gutzmer glaubt an die Zukunft des Dieselmotors. Im zweiten Teil des Interviews mit der Autogazette spricht der Entwicklungsvorstand von Schaeffler über Technologien zur CO2-Reduzierung und darüber, weshalb er nichts von Verboten hält.
Für Schaeffler-Entwicklungsvorstand Peter Gutzmer ist der Diesel für die Erreichung der CO2-Grenzwerte nach wie vor erforderlich. «Diesen emissionsseitig sauberer zu machen, wird allerdings immer aufwendiger und teurer», sagte Gutzmer im zweiten Teil des Interviews mit der Autogazette (hier geht es zu Teil eins).
Wie Gutzmer hinzufügte, habe es die Industrie beim Diesel nicht geschafft, «vorhandene Lösungen rechtzeitig in Serie umzusetzen. Aber es gibt technische Lösungen, mit denen auch Diesel die verabschiedete, weiter verschärfte Emissionsgesetzgebung erfüllen».
«Aus CO2-Gründen brauchen wir beim Pkw den Diesel »
Autogazette: Wir erleben gerade eine Diskussion um Dieselfahrverbote. Kann das dazu führen, dass die Kunden sich stärker für nachhaltige Antriebe entscheiden?
Gutzmer: Es wurden Fehler gemacht, die den Diesel in Verruf gebracht haben. Aus CO2-Gründen brauchen wir beim Pkw jedoch auch den Diesel. Diesen emissionsseitig sauberer zu machen, wird allerdings immer aufwendiger und teurer: Die Industrie hat es nicht geschafft, vorhandenen Lösungen rechtzeitig in Serie umzusetzen. Aber es gibt technische Lösungen, mit denen auch Diesel die verabschiedete, weiter verschärfte Emissionsgesetzgebung erfüllen. Stattdessen sind die Verbraucher maximal verunsichert. Und da ist es auch nicht hilfreich, dass beispielsweise CO2 und NOx ständig durcheinander gebracht werden. Und im übrigen wird uns der Diesel auch in Nutzfahrzeugen noch lange erhalten bleiben.
Autogazette: Sehen Sie Dieselfahrverbote als unvermeidlich an?
Gutzmer: Ich hoffe sehr, dass die Städte um Fahrverbote herumkommen und wir als Autoindustrie in Abstimmung mit der Politik akzeptable Lösungen anbieten können. Für mich sind Fahrverbote grundsätzlich kritisch, weil sie die Menschen verunsichern und einschränken. Es muss uns im Konsens gelingen sowohl die gesetzlichen Rahmenbedingungen als auch die technischen Erfordernisse verbraucherorientiert darzustellen.
Autogazette: Aufgrund der steigenden Kosten für die Erfüllung der Grenzwerte wird sich der Diesel doch mittelfristig selbst erledigen. Warum ist man nicht so ehrlich und erkennt das an?
Gutzmer: Ich bin sicher, dass der Dieselmotor sein CO2-Potenzial noch in manchen Flotten zeigen wird. Die strengeren NOx-Grenzwerte sind beispielsweise mit SCR-Systemen auch in den erweiterten Prüfzyklen darstellbar. Natürlich muss man analysieren, ob weitere Kostensteigerungen nach wie vor ein vernünftiger und effizienter Weg im Technologie-Wettbewerb sind, um langfristig an einer Technologie zu arbeiten, beziehungsweise diese anbieten zu können.
«Wir beherrschen das Thema Energieeffizienz»
Autogazette: Sollten sich Deutschland von der Dieselsubventionierung verabschieden? Selbst VW-Chef Müller spricht sich dafür aus.
Gutzmer: (lacht) Angesichts der Diskussion um den Diesel muss man sich durchaus Gedanken machen, ob eine Subventionierung richtig oder falsch ist. Ich würde nicht pauschal sagen, dass die Subventionierung für den Diesel-Kraftstoff abgeschafft gehört. Andererseits verändern sich Rahmenbedingungen technologisch, politisch und wirtschaftlich. Und das macht ein Überdenken oder Optimieren bestimmter Förderstrukturen durchaus erforderlich.
Autogazette: Kommt Ihnen als Zulieferer die Diskussion um Dieselfahrverbote und strengere CO2-Grenzwerte entgegen? Schließlich arbeiten Sie an verschiedenen Technologien zur Elektrifizierung des Antriebs?
Gutzmer: Ja, das kommt uns entgegen. Wir beherrschen das Thema Energie-Effizienz in Antrieben und wir beteiligen uns deshalb an einer solchen Diskussion. Auch natürlich um den erforderlichen Umstieg in die reine Elektromobilität sinnvoll mitgestalten zu können.
«Werden E-Clutch-System in zweiter Jahreshälfte sehen»
Autogazette: Wenn Sie sich die Technologien zur CO2-Reduktion anschauen, wann wird dann beispielsweise das E-Clutch-System auf den Markt kommen, das eine Automatisierung von Handschaltern ermöglicht?
Gutzmer: Wir werden das E-Clutch-System noch in der zweiten Jahreshälfte 2018 in Serie sehen, übrigens in China.
Autogazette: Welche CO2-Reduktion ist mit dem E-Clutch-System zu erzielen?
Gutzmer: Die Ersparnis liegt zwischen vier und sechs Prozent, in Verbindung mit 48-Volt-Hybridisierung sind im realen Fahrbetrieb auch acht Prozent erreichbar.
Autogazette: Jährlich werden weltweit 40 Millionen Neuwagen mit Handschalter ausgeliefert. Ist das auch die Technologie, bei der die größte Ertragsmöglichkeit besteht?
Gutzmer: Diese Zahl zeigt das große Potenzial für die E-Clutch heute und morgen, auch wenn sie diese 40 Millionen in zehn Jahren nicht mehr vorfinden werden.
«Antriebsstrang wird nach und nach elektrifiziert»
Autogazette: Bedenkt man, dass auf die Automobil-Hersteller ab 2021 Strafzahlungen beim Überschreiten des CO2-Grenzwertes zukommen, dürfte Sie dieser Business-Case erfreuen?
Gutzmer: Damit liegen Sie nicht verkehrt. Wir definieren die schrittweise Elektrifizierung des klassischen verbrennungsmotorischen Antriebsstranges, wie mit E-Clutch-Systemen, als wesentlichen Bestandteil unseres Wachstums in der Elektromobilität.
Autogazette: Welche technologischen Schritte folgen neben den E-Clutch-System als nächstes?
Gutzmer: Wir werden den Antriebsstrang zur CO2-Reduktion nach und nach elektrifizieren: Da ist neben E-Clutch auch ein Riemen-Starter-Generator zu nennen. Daneben schreitet die Automatisierung und Elektrifizierung der Getriebe mit Wandler- und Doppelkupplungsgetriebe ebenso voran wie 48-Volt-Bordnetze. Und bei den reinen E-Antrieben natürlich auch die Batterietechnik. Dazu gehört mittelfristig ebenfalls die Brennstoffzelle, wenn auch noch eingeschränkt.
«Fokus liegt auf Plug-in-Hybrid und reinem Elektroantrieb»
Autogazette: Glauben Sie an die Brennstofftzelle?
Gutzmer: Langfristig ja, sie hat Potenzial, auch wenn es neben dem Kostenthema auch hier das Infrastruktur-Problem zu lösen gilt. In der Vorentwicklung prüfen wir, wie sich unsere Oberflächen- und Beschichtungskompetenz auf dieses Thema übertragen lässt. Wir konzentrieren uns derzeit darauf, wie wir unsere Kompetenzfelder in die Elektrifizierung integrieren können. So wie es uns beispielsweise bei der E-Clutch, beim elektrifizierten Doppelkupplungsgetriebe oder bei Schaltaktoren gelungen ist.
Autogazette: Welche CO2-Einsparungen ermöglichen ihre Technologien?
Gutzmer: Wir werden reibungsoptimierte Lösungen im Getriebe mit einer Einsparung von zwei Prozent bringen. Daneben wird es systemische 48-Volt-Lösungen in der Verbindung von Motor und Getriebe mit einer Einsparung von vier bis zehn Prozent oder Plug-in-Hybrid-Technologie mit einem Sparpotenzial von 20 Prozent plus geben.
Autogazette: Wenn wir die reine Elektromobilität betrachten, wo liegt da Ihr Fokus?
Gutzmer: Auf dem Thema Plug-in-Hybrid und dem reinen Elektroauto.
Autogazette: Von welcher Reichweite sprechen Sie beim Plug-in-Hybrid?
Gutzmer: Von mindestens 50 Kilometer Reichweite. Das ist darstellbar. Und es ist auch das, was der Gesetzgeber fordert.
«Da sehen wir keinen Widerspruch»
Autogazette: Bis zum Jahr 2020 investiert Schaeffler eine Milliarde Euro in die E-Mobilität. Ab wann rechnen Sie damit, dass sie erstmals damit Geld verdienen?
Gutzmer: Wir hoffen, dass sich das produktspezifisch so schnell wie möglich einstellt. Das größte Wachstumspotenzial werden wir beim Hybrid- und rein elektrischem Antrieb erreichen. Absolut gesehen fällt aber auch das E-Clutch-System als Bestandteil von 48-Volt-Lösungen in diese Betrachtung.
Autogazette: Wie weit sind Sie derzeit bei Schaeffler auf der Wegstrecke von einem klassischen Komponentenlieferanten zum Anbieter von Mobilitätslösungen, falls Sie da überhaupt einen Widerspruch sehen?
Gutzmer: Da sehen wir keinen Widerspruch – für uns gibt es da kein entweder oder. Auch hier wollen wir unsere Kompetenzen mit den neuen Technologie ergänzen. Schaeffler wird in der Zukunft Elektromotoren und Elektronik machen, dazu auch Software anbieten. Und dazu werden wir die klassischen mechanischen Komponenten und Module weiter optimieren und integrieren.
Autogazette: Bislang ist Schaeffler nicht als Software-Lieferant aufgefallen…
Gutzmer: …das wird sich ändern. Das werden wir sowohl im Automotive-Bereich, in der E-Mobilität als auch in der Industrieanwendung unter dem Schlagwort Industrie 4.0 machen.
«Das ist weit mehr als eine Fingerübung»
Autogazette: Schaeffler hat unter anderem einen Bio-Hybrid entwickelt, ein vierrädriges Pedelec. Ist das mehr als eine Fingerübung?
Gutzmer: Das ist weit mehr als eine Fingerübung. Wir werden den Bio-Hybrid noch dieses Jahr in technisch modifizierter Form marktfähig machen. Das heißt, dass wir ihn auch in einer Cargo-Version anbieten wollen, einer für den urbanen Lieferverkehr attraktiven Form. Für die Realisierung haben wir bereits eine Tochtergesellschaft gegründet.
Autogazette: Wie lange wird es dauern, bis der Radnabenantrieb kommt?
Gutzmer: Das wird noch bis zum nächsten Jahrzehnt dauern. Ich gehe von 2025 aus. Konstruktiv ist der Radnabenantrieb eine Vollendung des elektrischen Antriebes. Dadurch, dass der gesamte Antrieb im Rad untergebracht ist, ermöglicht er ganz neue Fahrzeugkonzepte.
Autogazette: Ist der Radnabenantrieb eine Antwort auf die immer voller werdenden Städte…
Gutzmer: …auf jeden Fall. Ich bin tief davon überzeugt, dass elektrisch und autonom fahrende, nicht schienengebundene Fahrzeuge für neue Verkehrskonzepte in urbanen Zonen eine entscheidende Rolle spielen werden. Darauf geben wir mit dem Radnabenantrieb für People Mover eine Antwort.
Das Interview mit Peter Gutzmer führte Frank Mertens