
Bei knappem Budget wird man erfinderisch. Das ist auch in der Autoindustrie nicht anders. Daraus entstand vor 40 Jahren ein Joint Venture zwischen Saab, Lancia, Alfa und Fiat.
Vor 40 Jahren fuhr der furios schnelle Saab 9000 Turbo allen vergleichbaren süddeutschen Premium-Platzhirschen davon, und er brachte als charismatischer Businessliner „made by Trolls in Trollhättan“ (Werbeslogan) die billigeren, aber meist gesichtslosen großen japanischen Limousinen zumindest in Europa in Bedrängnis.
Doch zuvor musste Trollhättan eine Herausforderung meistern: Wie die Konstruktionskosten des Saab 9000 stemmen? Die Antwort lautete: Ein Joint-Venture mit den Italienern finden, denn auch bei Lancia, Fiat und Alfa Romeo fehlten um 1980 die Budgets, um ihre Ladenhüter Gamma (Lancia), Argenta (Fiat) und Alfa 6 zu ersetzen. Und so kam es zu einer Kooperation, wie sie die Autowelt noch nicht gesehen hatte. Ein schwedischer und drei italienische Hersteller einigten sich in Turin auf das Projekt Tipo 4: die neuen Flaggschiffmodelle Saab 9000, Lancia Thema, Fiat Croma und Alfa 164.
Identische Grundarchitektur
Trotz identischer Grundarchitektur und vieler Gleichteile – erkennbar etwa an den Vordertüren von Saab, Fiat und Lancia – besaßen die vier Tipo-4-Fahrzeuge jeweils markentypische Charakterzüge. So avancierte der 1987 eingeführte Alfa 164 zu einer zeitlosen Designikone mit geradlinigen Pininfarina-Konturen, die bis 1998 rund 270.000 Käufer fand und später als automobiler Filmstar in Fernsehserien wie „Wilsberg“ ihre Karriere fortsetzte.
Italienische Leichtigkeit prägte auch die drei weiteren Tipo-4-Entwürfe, die alle den Grundlinien einer von Giorgetto Giugiaro entworfenen Karosserie folgten, sich aber im Innenraum deutlich unterschieden. Selbst dort wollte Saab nicht auf italienischen Einfluss verzichten, und so beauftragte Trollhättan den Turiner Stardesigner Aldo Sessano mit dem Entwurf einer elegant und raffiniert ausgestatteten Sicherheitskabine.
Tipo 4 mit unterschiedlicher Technologie
Auch unter der Motorhaube überraschten die vier Tipo 4 mit höchst unterschiedlichen Technologien, die sich aber alle einen Platz in den Geschichtsbüchern des Automobils sicherten. Sei es der erste drehmomentstarke Turbo-Vierzylinder, der es mit V8-Aggregaten aufnehmen konnte und in Talladega/USA zahlreiche Weltrekorde aufstellte (Saab 9000) oder aber die erste viertürige Limousine mit Ferrari-Motor (Lancia Thema 8.32). Technologische Meilensteine setzten Fiat mit dem ersten Diesel-Direkteinspritzer (Croma 1.9 TD i.d.) und Alfa Romeo mit dem 164 Q4 mit permanentem Allradantrieb und 232 PS leistendem 24-Ventil-Triebwerk.
Fiat positionierte den fünftürigen Croma als preiswertes Familienauto mit großzügigem Raumangebot und konnte so bis Ende 1996 immerhin 450.000 Fahrzeuge absetzen. Dann übernahmen Vans wie der Fiat Ulysse die Rolle des Familientransporters und der Croma reihte sich rasch in die Liga der vergessenen Alltagshelden. „Saab pur“, lobte die Presse die Fließhecklimousinen vom Typ 9000, die ab Anfang 1985 in Deutschland verkauft wurden und zwei Jahre später durch die Stufenheckversion 9000 CD ergänzt wurden.
Saab mit aufwendigem Fahrwerk
Saab hatte seinen Tipo 4 von Anfang an mit einem aufwendigeren Fahrwerk, einer steiferen Karosserie und fortschrittlicher Sicherheitstechnik ausgestattet. Investitionen, die sich für Hersteller und Kunden auszahlten: Als einziges Tipo-Modell knackte der Saab 9000 die Marke von einer halben Million Einheiten – und in Schweden taucht der robuste Typ bis heute im Straßenbild auf.
Dagegen brillieren die wenigen überlebenden Alfa 164 und Lancia Thema auf Klassiker-Veranstaltungen als Beispiele für stilsichere und technologieverliebte italienische Businessliner, die einst als Kultautos für Freiberufler und Kreative in fast allen großen europäischen Märkten reüssierten: Die für 2026 erwarteten neuen Modelle Alfa Stelvio und Lancia Gamma werden sich daran messen lassen müssen. (SP-X)