Royal Enfield Hunter 350: Eine für den Weltmarkt

Royal Enfield Hunter 350: Eine für den Weltmarkt
Mit der neuen Hunter 350 will Royal Enfield auch in Europa die Kundinnen und Kunden überzeugen. © Royal Enfield

Die Royal Enfield 350 soll nicht nur ein Motorrad für Asien und Lateinamerika sein. Die Inder peilen mit ihr den Weltmarkt an.

Die thailändische Metropole Bangkok mit ihren 5,7 Millionen Einwohnern scheint nie zu schlafen; ihr Verkehrs-Puls von 180 tagsüber sinkt des Nachts auf geschätzt 100. Die Überlegung der Mannen von Royal Enfield zur Vorstellung der Hunter 350 passte: Intensiver kann man ein Motorrad nicht erleben als in der quirlig-farbenfrohen Millionenstadt Bangkok, wo es gilt, jede Sekunde mal stockende, mal fließende Autokolonnen auf Schlupflöcher zu scannen und diese dann entschlossen zu nutzen.

Ja, die Hunter 350 ist ein wendiges, agiles, sehr handliches Motorrad, das es seinem Fahrer – und natürlich in Europa bestimmt auch diversen Fahrerinnen – leicht macht, mit ihm zurechtzukommen.

Nichts für Fahrer über 1,85 Meter

Größer als 1,85 und schwerer als knapp 100 Kilo sollte man freilich nicht sein, denn sonst stimmen angesichts der Kompaktheit und Zierlichkeit der Hunter die Proportionen nicht mehr. Alles drunter funktioniert prima. Die Hunter ist so einfach aufgebaut, wie Motorräder es in Europa in den 1960er Jahren noch waren; Beleuchtungsschalter links am Lenker, ein Hebel fürs Starten rechts.

Der Jetztzeit geschuldet ist eine versteckt unterm Kupplungshebel angebrachte USB-Dose für die Stromversorgung des Smartphones sowie gegen Mehrpreis die Ausstattung mit einem zweiten, kleineren Rundinstrument, das mit Hilfe der Royal Enfield-App eine Pfeil-Navigation beheimatet. Auch eine leicht bedienbare Warnblinkanlage gehört zum Serien-Lieferumfang. Einen Drehzahlmesser hat sich die indische Firma dagegen geschenkt; ein gut ablesbarer Analogtacho mit integriertem LC-Display für den Benzinstand und die Anzeige der fünf Gänge muss genügen.

Leistung von 20,2 Sekunden

Das tut’s auch. Denn der 349 Kubikzentimeter kleine Zweiventil-Eintopf lässt seinen Fahrer über sein Befinden nie im Unklaren. Das langhubig ausgelegte, nach Euro-5 homologierte Triebwerk entwickelt seine Stärken bei mittleren und eher niedrigen Drehzahlen. Zwar werden die maximal 20,2 PS erst bei 6.100 Touren gemessen, doch wichtiger ist die angenehme Elastizität und die Durchzugskraft von 27 Nm bei 4.000 U/min.

Dass der Eintopf maximal 7.000 Touren dreht, zeigt sein Potenzial. Dennoch ist die Hunter 350 zum Aufstellen von Geschwindigkeitsrekorden denkbar ungeeignet, aber ein Verkehrshindernis ist sie keinesfalls: Wer an der Ampel nicht gerade tief schläft, wird das jenseitige Ende der Kreuzung als Erster erreicht haben und bis zur nächsten roten Ampel die Führung auch nicht abgeben müssen. Ob der kleine Single für Verbrauchsrekorde gut ist, wissen wir noch nicht; die homologierten Werte sprechen von 2,76 Liter pro 100 Kilometer, der Tank fasst 13 Liter.

Fokus aufs Gewicht gelegt

Royal Enfield hat in den sechs Jahren der Entwicklung der Hunter streng darauf geschaut, dass das neue Weltmotorrad nicht zu schwer wird. So nimmt der Motor eine tragende Funktion ein, denn der Stahlrahmen ist unten offen. Kein Bauteil ist ungeschlacht ausgeführt, wie man das an manchen neuen Bikes aus China sieht oder auch an Harleys unseligem Modell Street 750 bemerken musste, das ja ebenfalls in Indien hergestellt wurde.

Lohn der Mühe sind fahrfertige 181 Kilogramm, die Zuladung beträgt immerhin 179 Kilo. Das Fahrwerk überzeugt mit unerwartet gutem Komfort, ist stabil in Kurven und, wie schon gesagt, handlich. Highspeed-Eigenschaften weist die Hunter nicht auf: Sie läuft laut Hersteller maximal 114 km/h. Angesichts dessen muss jeder Interessent selbst entscheiden, ob er diese Mangelverwaltung auf sich nehmen will.

Preis entscheidet

Die Hunter 350 von Royal Enfield erweist sich áls agiles Motorrad. Foto: Royal Enfield

Nicht unwichtig für einen Markterfolg in Deutschland und anderen europäischen Ländern dürfte die Preisgestaltung sein. Schafft es der Hersteller, die Hunter 350 ein wenig unterhalb der 350er Meteor (4.000 Euro) auszupreisen, würde ihr das sicher helfen. Der Kunde erhält in jedem Fall ein „echtes Motorrad“ im ursprünglichen Sinn: Es kann alles, was ein Motorrad können muss, aber eben auch nicht mehr.

Kein Image, kein überschäumendes Temperament, kein Hightech; selbst einen LED-Scheinwerfer, heute absolut Stand der Technik, weist sie nicht auf, sondern eine altertümliche H4-Birne Aber es gibt ein LED-Rücklicht, klassisch rund wie der Scheinwerfer. Die Hunter ist genauso basic wie Hondas Welt-Scooter SH125. Aber dennoch auf asiatisch unergründliche Weise charmant. Ein vollwertiges Motorrad zum Preis eines E-Bikes oder Lastenfahrrads – das klingt doch nicht schlecht. (SP-X)

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