«Wir setzen gerade vor allem auf Voll-Hybride»

Renault-Deutschlandchef Markus Siebrecht

«Wir setzen gerade vor allem auf Voll-Hybride»
Renault-Deutschland-Chef Markus Siebrecht. © Renault

Markus Siebrecht will Renault auf sich verändernde Marktbedingungen vorbereiten. Der Deutschland-Chef spricht über die Kündigung der Händlerverträge, die E-Mobilität und die Bedeutung von Modellen wie dem R5 und R4.

Renault-Deutschland-Chef Markus Siebrecht befindet nach der Kündigung der Händlerverträge im Streit mit seiner Handelsorganisation. Mit neuen Verträgen will der Manager die Marke auf neue Geschäftsaktivitäten vorbereiten.

«Unser Anspruch dabei ist, die sich wandelnden Kundenanforderungen optimal zu bedienen und die Qualität des Vertriebs und unserer Serviceleistungen weiter zu verbessern. In ganz Europa hat man den neuen Vertrag bereits eingeführt – und in ganz Europa haben ihn die Partner angenommen», sagte Siebrecht im Interview mit der Autogazette.

R4 und R5 als neuer Einstieg in die Marke

Große Erwartungen hat der Deutschland-Chef an die auf dem Pariser Autosalon vorgestellten Konzeptfahrzeuge des Renault R5 und R4. «Für die Marke Renault werden der R5 und der R4 die Imagemagneten schlechthin sein», so Siebrecht.

Diese beiden Modelle werden nach Ansicht von Siebrecht «den Einstieg in die Marke Renault gewähren, als klassenlose Fahrzeuge, die losgelöst vom Haushaltseinkommen für jeden Kunden interessant sein werden».

«Nach wie vor besteht ein Zielkonflikt»

Endlich mal kein SUV, sondern ein praktisches kleines E-Auto: der Prototyp des R5. Foto: Mertens

Autogazette: Herr Siebrecht, nachdem Sie die Händlerverträge gekündigt haben, hat der Händlerverband eine Klage angekündigt. Sehen Sie in dieser Situation noch eine Annäherung?

Markus Siebrecht: Wir befinden uns nach wie vor mit unserem Händlerverband in einem guten Austausch. Aber nach wie vor besteht ein Zielkonflikt.

Autogazette: Wie schaut dieser Zielkonflikt aus?

Siebrecht: Wir wollen Neuerungen voranbringen. Dabei geht es nicht darum, den stationären Handel aufzulösen und alles auf digital zu setzen – ganz im Gegenteil. Der stationäre Handel hat viele Vorteile – und die will ich erhalten. Allerdings sind die neuen Händlerverträge flexibler gestaltet und bilden neue Geschäftsaktivitäten ab. Unser Anspruch dabei ist, die sich wandelnden Kundenanforderungen optimal zu bedienen und die Qualität des Vertriebs und unserer Serviceleistungen weiter zu verbessern. In ganz Europa hat man den neuen Vertrag bereits eingeführt – und in ganz Europa haben ihn die Partner angenommen.

Autogazette: Im Mittelpunkt des Streits steht offenbar die Marge für den neuen Renault Austral. Hier sollen die Händler nur noch sechs Prozent zuzüglich ein Prozent Qualitätsrabatt erhalten.

Siebrecht: Sie dürfen nicht vergessen, dass hier noch die Boni hinzukommen, also 6 Prozent plus 1 Prozent. Vorher waren es neun Prozent Marge plus 2 Prozent Qualitätsrabatt. Bereits im vergangenen Jahr haben wir unseren rein elektrischen Renault Megane E-Tech mit 6 plus 1 eingeführt. Und wir haben damals auch gesagt, dass das die zukünftige Marge für alle neuen Modelle sein wird. Zudem bieten wir den Händlern an, den Megane E-Tech im Leasing zu 100 Prozent zurückzunehmen. Wir übernehmen den Restwert, wir bilden die Restwertrückstellung. Wenn man es sich am Beispiel des Austral anschaut, reden wir am Ende von 397 Euro Unterschied.

«Schnellladenetz macht an Verkehrs-Knotenpunkten Sinn»

Autogazette: Die Renault Mobilitätsmarke Mobilize will zusammen mit den Händlern das Schnellladenetz „Mobilize Fast Charge“ einführen. Bis Mitte 2024 sollen europaweit bei Partnerbetrieben 200 Ladestationen in der Nähe von Autobahnen und Schnellstraßen entstehen. Hat der Händlerstreit Einfluss darauf?

Siebrecht: Es gibt bereits einige Partner in Deutschland, die ein solches Angebot machen bzw. deren Standort hinsichtlich der vorhandenen Infrastruktur von Mobilize Power Solutions geprüft wird. Dieses Schnellladenetz macht natürlich vor allem an Verkehrs-Knotenpunkten Sinn.

Autogazette: Ihren Händlern ist die Bedeutung einer Schnelllade-Infrastruktur also trotz des laufenden Streits bewusst?

Siebrecht: Absolut, das Verständnis ist zu 100 Prozent vorhanden. Jedem Händler, der bereits heute seine Ausstellungsfahrzeuge oder Vorführwagen lädt, ist klar, dass es Schnelllader braucht. Das Auto nicht einzusetzen, weil es geladen wird, ist das teuerste, was ein Händler machen kann.

Autogazette: Wie beurteilen Sie die Ausbaupläne bei der Ladeinfrastruktur?

Siebrecht: Ich denke, dass wir in Deutschland bereits große Schritte gegangen sind. Auf den Autobahnen und an vielen Autohöfen finden wir bereits viele Schnellladestationen. Das sah vor zwölf bzw. 18 Monaten noch viel schlechter aus. Je mehr Elektroautos auf die Straße kommen, umso besser wird es. Doch viele unserer Kunden laden vor allem zu Hause. Deshalb muss der Ausbau der privaten und öffentlichen Ladeinfrastruktur parallel geschehen.

«Müssen im privaten Bereich Kunden Wallboxen verkaufen»

Die Reichweite des Renault Megane E-Tech Electric beträgt bis zu 470 Kilometer. Foto: Renault

Autogazette: Mit Stand 1. September hatten wir laut Bundesnetzagentur 57.231 Normallade- und 11.044 Schnellladepunkte. Ist das wirklich so schlecht?

Siebrecht: Wenn wir im Jahr 2030/2035 vollelektrisch unterwegs sein wollen – auch wenn dann noch nicht der gesamte Bestand elektrifiziert sein wird – wird es deutlich mehr Ladestationen brauchen. Deshalb muss der Ausbau vorangehen – und wir müssen auch im privaten Bereich unseren Kunden Wallboxen verkaufen.

Autogazette: Welches Angebot machen Sie derzeit ihren Kunden mit Blick auf die private Ladeinfrastruktur?

Siebrecht: Die Wallbox ist für den Kunden der beste Weg, sein Elektroauto zu laden – vorausgesetzt er hat die Möglichkeit, eine zu installieren. Dies ist auch günstiger, als wenn ich an eine Schnellladestation fahre. Zu Hause lade ich eventuell mit meinem Nachtstrom oder auch mit Solarstrom. Die Wallbox wird zum E-Auto gehören, wie ein Reserverad. Wir bieten unserer Kundschaft hierfür ein Paket bestehend aus Hardware und Installation im gesamten Bundesgebiet an.

Autogazette: Stellen Sie angesichts der steigenden Strompreise im Handel fest, dass die Nachfrage nach E-Autos nachlässt, weil für die Kunden der Kostenvorteil schwindet?

Siebrecht: In Deutschland liegt der Dieselpreis bei über zwei Euro – auch hier sind die Preise gestiegen. Wir sind in einer Phase, die hoffentlich nur eine Momentaufnahme ist und sich schnell wandeln wird, wenn sich die geopolitische Situation verbessert. Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie mit einem E-Auto deutlich günstiger unterwegs sind, wenn sie zu Hause laden. Vor allem dann, wenn sie den Strom dann auch noch selbst produzieren.

«Full-Hybrid hat Potenzial, den Diesel abzulösen»

Autogazette: Machen Sie sich mit Mobilize auch darüber Gedanken, ihren Kunden zusammen mit Partnern Solaranlagen anzubieten?

Siebrecht: Wir bieten derzeit drei verschiedene Wallboxen an, darunter auch eine smarte Variante. Wir werden perspektivisch aber auch prüfen, ob wir hier das Angebot erweitern können. Eine Solaranlage macht nur dann Sinn, wenn Sie auch einen Energiespeicher haben und Ihr Auto nachts laden können. Vorerst konzentrieren wir uns aber auf das Angebot von Wallboxen inklusive Installationsservice. Für unsere Flottenkunden planen wir vor Ort individuell und bieten von der Ladekarte, über Hardware bis zur Planung und Umsetzung, einschließlich PV Anlagen, alle Bestandteile für die Elektrifizierung der Flotte an.

Autogazette: Die Bundesregierung streicht Ende des Jahres die Kaufprämie für PHEVs und kürzt die für E-Autos um 1500 Euro. Erwarten Sie einen Nachfrageeinbruch?

Siebrecht: Plug-in-Hybride werden bei den Gewerbetreibenden nach wie vor eine Rolle spielen, zumindest so lange, bis sie noch in den Genuss des Steuervorteils kommen. Persönlich glaube ich, dass man sich auch den Full-Hybrid anschauen sollte. Diese Technologie entwickelt sich rasant weiter und hat das Potenzial, den Diesel abzulösen. Auf kleineren Distanzen – also beispielsweise in der Stadt – kann man bis zu 70 bis 80 Prozent vollelektrisch fahren.

«Verzeichnen historisch hohen Auftragsbestand»

Der Renault Captur bietet mehr als 50 Kilometer elektrische Reichweite. Foto: Renault

Autogazette: Wo liegt der Elektroanteil bei Renault in Deutschland?

Siebrecht: Der Anteil liegt bei rund 35 Prozent. Wobei wir als Plug-in-Hybrid nur den Megane und den Captur im Angebot haben. Wir setzen gerade vor allem auf Vollhybride, weil wir losgelöst von Deutschland glauben, dass das langfristig die smartere Technologie ist. Die PHEVs sind vom Zulassungsanteil vor allem wegen der Förderung so hochgeschnellt.

Autogazette: Welche Bedeutung haben die auf dem Pariser Autosalon vorgestellten E-Fahrzeuge R5 und R4 für ihre Wachstumsstrategie?

Siebrecht: Für die Marke Renault werden der R5 und der R4 die Imagemagneten schlechthin sein. Es sind Fahrzeuge mit einer Historie, es sind Ikonen, die gleichzeitig neuinterpretiert in die Zukunft der Marke weisen. Sie werden den Einstieg in die Marke Renault gewähren, als klassenlose Fahrzeuge, die losgelöst vom Haushaltseinkommen für jeden Kunden interessant sein werden. Wir denken ernsthaft darüber nach, auch wieder einen Renault R5 Alpine zu entwickeln. Mit diesen Fahrzeugen kommen die Kunden nicht zu uns, weil sie ein Fahrzeug möchten, sondern weil sie einen R5 oder einen R4 möchten.

Autogazette: Im September musste Renault bei den Zulassungen ein Minus von über 30 Prozent hinnehmen, kumuliert sind es rund 32 Prozent. Damit ist man schlechter unterwegs als der Gesamtmarkt, der nach neun Monaten bei 7,4 Prozent liegt. Was ist los?

Siebrecht: Wir verzeichnen einen historisch hohen Auftragsbestand. Doch wir haben – wie viele andere auch – aufgrund der Chipkrise und des Teilemangels Lieferschwierigkeiten. Wir stehen hier vor einer großen Challenge.

Autogazette: Mit welcher Stimmung gehen Sie ins neue Jahr?

Siebrecht: Ich gehe davon aus, dass der Gesamtmarkt bei 2,75 Millionen Fahrzeugen landen wird. Auch wenn wir für 2023 von einem besseren Jahr ausgehen, so erwarte ich nicht, dass wir wieder auf drei Millionen Zulassungen kommen. Wir werden uns eher auf dem Niveau dieses Jahres einpendeln. Allein durch die Inflation werden wir eine Kaufzurückhaltung erleben.

Das Interview mit Markus Siebrecht führte Frank Mertens

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