Renault Morphoz: Ein Auto, zwei Längen

Renault Morphoz: Ein Auto, zwei Längen
Der Renault Morphoz lässt sich um 40 Zentimeter verlängern. © Renault

Ein Auto, zwei Längen. Was sich verrückt anhört, bietet das Konzeptcar Renault Morphoz. Es lässt sich je nach Bedarf von 4,40 Metern um 40 Zentimeter verlängern.

Klar, Concept-Cars sind immer etwas Besonderes. Dort enthaltene Ideen sieht man nur selten in der Serie. Beim Renault Morphoz scheint das anders zu sein. Renault meint es mit diesem Auto offenbar ernst.

Die Franzosen präsentieren ein Auto, das sich nach Bedarf verlängern oder verkürzen lässt: Front- und Heckpartie des Morphoz lassen sich um jeweils 20 Zentimeter verschieben. Während beim Verlängern der Front auch die Räder mit vorwärts rollen, fährt das Heck ohne Beteiligung der Achse nach hinten. Den Sinn der Übung erläutert Francois Leboine, Renaults Designchef für Concept Cars: „Familien und ihre Bedürfnisse ändern sich ständig, also passt sich unser Auto der Familie an.“ Die kurze Variante mit 4,40 Metern nennt Renault City-Version, und wenn das Auto auf 4,80 Meter Gesamtlänge ausgefahren ist, dann heißt das Travel-Version.

Spürbar größerer Innenraum

Die Verlängerung des Hecks bringt einen spürbar großzügigeren Innenraum, in dem sich dann auch der Beifahrersitz so schwenken lässt, dass man vis-à-vis zu den hinteren beiden Passagieren sitzt. Außerdem taucht dann das in der Mittelkonsole versteckte iPad auf, auf das nun alle Fahrgäste Zugriff haben. Der Clou ist jedoch die Verlängerung des Vorderwagens. Nicht nur, weil sich dabei auch der Kühlergrill ändert, sondern vor allem, weil diese Streckung Raum schafft für zusätzliche Batterien.

Futuristisch ist auch das Cockpit des Renault Morphoz. Foto: Renault

Im Normalfall ist der Morphoz, intern auch Z36 genannt, mit einer Akkukapazität von 40 Kilowattstunden ausgerüstet, was ihm laut Renault eine Reichweite von 400 Kilometern ermöglicht. „Das reicht für 80 bis 90 Prozent der Einsätze eines Familienautos“ sagt Leboine. Und für die eine weitere Reise im Jahr kann der Renault Morphoz mit einem zusätzlichen 50-kWh-Paket ausgestattet werden, das in den entstehenden Raum zwischen A-Säule und Vorderachse passt. Dann seien 700 Kilometer Reichweite möglich.

Wer nun überlegt, mit welchem Vorlauf man wohl seinen Werkstatt-Termin organisieren muss, um solch eine komplizierte Montage zu bewältigen, dem hält Renault das Konzept der Batteriewechselstation entgegen: Auf eine Plattform fahren, per Roboter die Akkumodule ein- oder ausbauen lassen, das Ganze sei eine Sache von Minuten. Abgerechnet werde im Mietverfahren.

Idee erinnert an Better Place

Das Verfahren erinnert an eine bereits gescheiterte Idee. 2007 gründete der israelische Manager Shai Agassi das Unternehmen Better Place. Da Agassi zuvor Vorstandsmitglied des Softwarekonzerns SAP war, hatte er eine gewisse Bekanntheit, und sein Plan sprach sich bald herum: Better Place wollte automatisierte Batteriewechselstationen weltweit etablieren, um so die Verbreitung der Elektromobilität zu fördern. Wer nach Belieben Akkus wechseln kann, muss keine langen Ladezeiten fürchten, die Kunden hätten ihre Batteriesätze auch nicht gekauft, sondern schlicht die tatsächliche Nutzung bezahlt, im Prinzip wie beim Benzin.

Renault war interessiert an dem Konzept und konstruierte einige Elektroautos so, dass sie zu den geplanten Wechselstationen passten. Doch Agassis Idee kam einerseits wohl zu früh, andererseits hätte sie auch alle anderen Hersteller auf ähnliche Akkus und ähnliche Unterbodenkonzepte festgelegt. Wenige Jahre nach Gründung folgte das Ende: Agassi trat 2012 als Vorstandsvorsitzender von Better Place zurück, 2013 war das Unternehmen insolvent.

Obwohl Renault in Better Place investiert und Geld verloren hat, bringt der Autohersteller die Idee nun wieder auf den Markt – oder wenigstens in die Diskussion. „Zu viele Akkus mitschleppen macht überhaupt keinen Sinn“, sagt Renaults oberster Designchef Laurens van den Acker. „Schon bei der Produktion entsteht unnötig viel CO2.“ Und die Akkus würden bei Nichtgebrauch an den Wechselstationen nicht einfach gelagert, sondern wären Teil eines sogenannten Smart Grids, also eines intelligenten Netzes. Windräder in unmittelbarer Nähe der Wechselstation könnten die wartenden Autobatterien aufladen, und wenn sie nicht zum Fahren genutzt werden, könnte der gespeicherte Strom ins Netz der nächsten Stadt eingespeist werden.

E-Autos werden in Markt gedrückt

2020 ist das erste Jahr, in dem sich die Autohersteller harten Strafzahlungen an die EU gegenüber sehen, sollten sie ihre CO2-Grenzwerte nicht einhalten. Daher werden Elektroautos und Plug-in-Hybride massiv in den Markt gedrückt, was die Zahl der verkauften E-Mobile erhöhen und auch ein größeres Bewusstsein für Elektromobilität in der Öffentlichkeit schaffen dürfte. Insofern fiele die Idee des Akkuwechsels möglicherweise auf fruchtbareren Boden als noch vor gut zehn Jahren.

Natürlich macht speziell die Technik im Renault Morphoz ein Auto nicht gerade preiswerter, aber es ist einfach ein großer Spaß, dem Auto bei seiner Verwandlung zuzusehen. Dabei ist nicht nur die City-Version (vorne kurz, hinten kurz) und die Travel-Version (vorne lang, hinten lang) möglich, man kann das Auto auch hinten verlängern und vorn kurz lassen oder umgekehrt.

In Sachen Design, zu dessen wichtigsten Eckpfeilern stets die Proportionen zählen, muss man da vielleicht ein paar Kompromisse machen; Laurens van den Acker benutzt selbst das Wort „Geschmacksache“. Jedenfalls ist die 4,80 Meter lange Travel-Version ein Ausbund an Eleganz und Schönheit, während in der 4,40-Meter-Variante die gigantischen Räder etwas zu groß wirken. Die Felgen messen eigentlich „nur“ 22 Zoll, aber die Designer haben aerodynamisch wirksame Blenden draufgesetzt, die die Reifenflanken teilweise überdecken. So sieht es aus, als stehe der Morphoz auf 24-Zoll-Rädern.

Mehr Spalten und Fugen als üblich

Der Renault Morphoz soll dem Konzeptstatus entwachsen. Foto: Renault

Weil sich Karosserieteile beim Verändern der Fahrzeuglänge in- und übereinander schieben müssen, zeigt das Concept Car auch mehr Spalten und Fugen als üblich, und die sehr klaren Flächen werden häufiger unterbrochen, als man es erwarten würde. „Das war Absicht“, sagt van den Acker, „wir wollten zeigen, dass unter der geschmeidigen Oberfläche auch sehr viel Technik steckt.“ Die 20 Zentimeter breite Fuge zwischen der vorderen Tür und dem Kotflügel etwa ziert sowohl rechts als auch links eine große digitale Anzeige der Batterieladung.

Daneben verfügt der Renault Morphoz über alle Insignien eines Fahrzeugkonzeptes des 21. Jahrhunderts: Er erkennt seinen Besitzer und öffnet die gegenläufigen Türen automatisch, er ist ständig online, aus dem Armaturenbrett schwenkt ein sehr großes Display heraus, und das Auto beherrscht autonomes Fahren auf Level drei – man darf also auch mal länger die Hände vom Steuer nehmen und sich mit anderen Dingen als dem Verkehr befassen. Aber das ist eigentlich nur die Pflicht, diese Technik wird heute fast erwartet. Die Kür ist das gewagte Karosserie- und Akkukonzept. Entscheiden werden darüber die Preisrichter – in diesem Fall das Publikum. (SP-X)

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