Juristen-Streit um Defintion von Winterreifen

Wer im Winter mit Sommerreifen unterwegs ist, verliert nicht unbedingt seinen Versicherungsschutz. Experten weisen jedoch darauf hin, dass Winter-Pneus über einen deutlich besseren Grip verfügen.

Von Heiko Haupt

Wer im Winter ohne Winterreifen einen Unfall verursacht, verliert seinen Versicherungsschutz - oder doch nicht? Seit im Mai eine Ergänzung der Straßenverkehrsordnung in Kraft getreten ist, wird viel spekuliert. Laut der Neuregelung - Paragraf 2, Absatz 3a der StVO - muss die Fahrzeug-Ausrüstung den Wetterverhältnissen angepasst sein. Doch während über Reifen diskutiert wird, erinnern Experten daran, dass auf weitere Dinge zu achten ist - und dass noch nicht wirklich klar ist, wie rechtlich mit dem Thema umgangen wird.

Angepasste Ausrüstung

Prinzipiell gilt: Wer mit nicht angepasster Ausrüstung fährt, riskiert 20 Euro Bußgeld. Wer etwa im Winter mit Sommerreifen fährt, liegen bleibt und den Verkehr behindert, muss mit 40 Euro rechnen - eigentlich. «Wie die Umsetzung in der Praxis aussieht, wird erst der kommende Winter zeigen», sagt Manfred Gross vom ADAC-Technikzentrum in Landsberg-

Laut Gross ist die neue Verordnung des Bundes nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht, dass die Umsetzung Ländersache ist. «Es könnte am Anfang zu unterschiedlichen Bestimmungen kommen.» Dabei geht es darum, wie kontrolliert wird und wann eine Ausrüstung wirklich nicht passt.

Die Reifen müssen nicht der einzige Punkt sein: Im Prinzip könnte sogar der Frostschutz im Wischwasser ins Spiel kommen, sagt Bastian Roeth vom Automobilclub von Deutschland (AvD) in Frankfurt/Main. Allerdings warnt Stephan Schweda vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin vor Panikmache. Denn nach wie vor fehlen gesetzliche Vorschriften dafür, wann Wischwasser richtig gemischt ist. Ähnlich sieht es bei den Winterreifen aus: «Juristisch gesehen ist ja gar nicht definiert, was ein Winterreifen ist.»

Einzelfallentscheidungen

Hinauslaufen dürfte es den Experten zufolge auf Entscheidungen von Fall zu Fall. «Bei einer unauffälligen Fahrt dürfte eigentlich im Hinblick auf die Verordnung nichts geschehen», sagt Roeth. Unklar ist aber noch, wie sich die Polizei bei Kontrollen verhalten wird. Dabei geht es auch darum, wo eine Kontrolle stattfindet: Gibt es etwa in der Umgebung keine größeren witterungsbedingten Probleme, ist ein Teilstück der Straße aber glatt, dann fragt sich, was bei einer Kontrolle genau dort eine angemessene Ausrüstung ist.

Häufig diskutiert wird die Frage der Versicherung. «Dass man ohne Winterreifen immer den Versicherungsschutz verliert, ist Quatsch», sagt Schweda. Doch das bedeutet nicht, dass Probleme ausgeschlossen sind. Als Beispiel nennt Schweda einen Auffahrunfall: Stellt sich heraus, dass er mit Winterreifen hätte vermieden werden können, könne es zum intensiveren Schriftverkehr mit dem Versicherer kommen.

«Man kann gespannt sein, wie die Verordnung in der Praxis ausgelegt wird», fasst Roeth zusammen. Doch unabhängig davon raten er wie die anderen Experten, das Fahrzeug aus Sicherheitsgründen auf den Winter vorzubereiten. «Wir empfehlen, von Oktober an mit Winterreifen zu fahren - der Grip auf der Straße ist damit wirklich besser.»

Und auch wenn alle Reifen nur 1,6 Millimeter Profiltiefe haben müssen, sollten es im Winter mindestens 4 Millimeter sein. Denn abgesehen vom Unfallrisiko führt unzureichende Bereifung laut Gross vom ADAC immer wieder zu Verkehrsbehinderungen. Und wer will schon schuld sein, dass sich hinter seinem liegen gebliebenen Auto ein Kilometer langer Stau bildet? (dpa)

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