Radfahrer sind im Straßenverkehr besonders gefährdet. Sei es beispielsweise durch zugeparkte Radwege oder unvorsichtig geöffnete Türen. Kommt es zu Unfällen, ist es ein Fall für die Gerichte.
Wer sein Fahrrad schiebt, verliert nicht automatisch das Vorfahrtsrecht. Das hat das Oberlandesgericht Bremen nach einer Kollision von zwei Radfahrern entschieden. Die Klägerin war auf einer Vorfahrtsstraße von ihrem Fahrrad gestiegen, um schiebend eine unübersichtliche Kreuzung zu passieren. Dabei stieß sie mit einem von links kommenden anderen Radfahrer zusammen.
Strittig war nun die Frage, ob die Frau sich auf ihr Vorfahrtsrecht berufen konnte, obwohl sie das Fahrrad im Moment des Unfalls nicht gefahren hatte. Der Unfallgegner berief sich darauf, dass das Recht nur für Fahrzeugführer gelte, die schiebende Radfahrerin aber genau das nicht gewesen sei. Das Gericht sieht das anders und wertet die Frau als Fahrzeugführerin im Sinne der Straßenverkehrsordnung. Gleiches gelte für Fahrradfahrer auch beim kurzfristigen Bremsen, Zögern, Anhalten oder Abstützen auf der Fahrbahn. (Az: 1 U 37/17)
Gefahr durch sich öffnende Türen
Radfahrer müssen ausreichend Abstand zu am Straßenrand geparkten Autos halten. Das Oberlandesgerichts Celle hat die Mindest-Distanz nun mit 50 Zentimetern bemessen. In dem verhandelten Fall ging es um einen sogenannten Dooring-Unfall, bei dem ein Radfahrer mit der unvorsichtig geöffneten Tür eines Autos kollidiert war. Der Radler klagte auf Schadenersatz bekam in erster Instanz vom zuständigen Landgericht jedoch eine Mitschuld von 20 Prozent an dem Unfall zugesprochen.
In der Begründung wiesen die Richter auf einen zu geringen Seitenabstand zu dem geparkten Auto hin. Das Oberlandesgericht sah das im Berufungsverfahren anders: Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Kläger mit einem Seitenabstand von mindestens 50 Zentimeter am geparkten Pkw der Beklagten vorbeifuhr. Dies sei ausreichend und nicht zu gering. (Az.: 16 U 61/18)
Fahren ohne Licht
Ist ein Radler bei Dunkelheit ohne Beleuchtung unterwegs, kann ihm bei einem Unfall eine Mithaftung zugesprochen werden. Dafür muss er nicht mal in eine Kollision verwickelt gewesen sein, hat das Oberlandesgericht Hamburg geurteilt. In dem Fall war ein anderer Fahrradfahrer schwer gestürzt, weil er den unbeleuchteten Radler zu spät gesehen und sich erschreckt hatte. Zu einem Zusammenstoß war es nicht gekommen. Der Verletzte klagte auf Schadenersatz, das OLG gab ihm ebenso wie das Landgericht in der Vorinstanz teilweise Recht: Die Richter sahen einen Mithaftungsanteil von 30 Prozent bei dem unbeleuchteten Fahrradfahrer. Sein Pflichtverstoß war mitursächlich für den Schreck und Sturz des Verunglückten.
Zu 70 Prozent trug jedoch der Gestürzte die Verantwortung, er hätte beim Einfahren in den fließenden Verkehr sorgfältiger Ausschau halten müssen. (AZ. 14 U 208/16)
Geisterfahrer auf zwei Rädern
Ein Radfahrer behält sein Vorrecht gegenüber kreuzenden Fahrzeugen auch, wenn er den Radweg entgegen der Fahrtrichtung nutzt. Trotzdem kann er an einem Unfall die Mitschuld tragen, wie das Oberlandesgericht Hamm nun festgestellt hat.
In dem verhandelten Fall hatte eine Radfahrerin verbotswidrig den linken von zwei vorhandenen Radwegen genutzt. An einer Kreuzung war sie mit einem wartepflichtigen Auto zusammengestoßen und hatte sich schwer verletzt. Vor Gericht ging es nun unter anderem um die Höhe des Schadensersatzes. Die Richter bezifferten die Mitschuld der Radfahrerin mit einem Drittel. Die Frau habe ihr Vorfahrtsrecht nicht dadurch verloren, dass sie den kombinierten Geh- und Radweg entgegen der Fahrtrichtung befahren habe, obwohl dieser für eine Nutzung in ihrer Fahrtrichtung nicht mehr freigegeben gewesen sei. Allerdings muss sie sich eine Mitschuld anrechnen lassen, denn sie hätte trotz des ihr zustehenden Vorfahrtsrechts nicht ohne weiteres davon ausgehen dürfen, dass der Beklagte sie wahrgenommen habe und ihr die Vorfahrt einräumen würde. (Az.: 9 U 173/16)
Braucht es eine Radbeschilderung?
Ein Radweg muss nicht unbedingt beschildert sein. Ist er aufgrund seiner baulichen Gestaltung eindeutig für die Benutzung durch Radfahrer gedacht, kann die Kommune auf das typische blaue Verkehrsschild (Zeichen 237) verzichten, wie das Verwaltungsgericht Düsseldorf nun entschieden hat. In dem verhandelten Fall hatte ein Autofahrer geklagt, dessen auf einem Radweg abgestelltes Fahrzeug abgeschleppt worden war.
An der Stelle war kein blechernes Verkehrsschild angebracht, stattdessen war der Radfahrstreifen von der übrigen Fahrbahn farblich abgesetzt und mit dem in weißer Farbe aufgemalten Zeichen 237 markiert. In den Augen des Klägers hat dies jedoch ohne „richtiges“ Schild allein keine Bedeutung. Dies sei auch sinnvoll, da aufgemalte Verkehrszeichen schnell übersehen werden könnten und insbesondere durch andere Fahrzeuge verdeckt werden können. Das Gericht wies die Klage zurück. Die auf der Straße aufgebrachte Markierung habe sehr wohl die Bedeutung eines Verkehrszeichens. Darüber hinaus seien unabhängig von dem Vorhandensein oder der Sichtbarkeit des Zeichens 237 auch nur baulich dargestellte Radwege Radfahrern vorbehalten. (Az.: 14 K 6395/16) (SP-X)