Der Porsche 911 ist die Ikone bei den Stuttgartern. Wir waren mit dem Targa 4 GTS unterwegs – und der ist erstmals auch elektrifiziert.
Selbst für Experten ist es nicht ganz einfach, bei der 911er-Reihe den Überblick zu behalten: Carrera, Allrad, GTS, GT3, Targa, Turbo und natürlich entsprechende Kombinationen, natürlich alle zu unterschiedlichen Zeiten vorgestellt und eingeführt. So bleibt die Baureihe gefühlt ewig jung und neu. In unserem Fall heißt der Testwagen Porsche 911 Targa 4 GTS. Übersetzt: Ein allradgetriebenes Halb-Cabrio mit Überrollbürgel und ein neuer, bärenstarker 3,6-Liter-Boxermotor, natürlich mit sechs Zylindern, aber als GTS erstmals auch stark elektrifiziert.
Nun, es gab natürlich auch vorher schon GTS-Modelle, die im Vergleich zur „Basis“-Version Carrera mit deutlich mehr Leistung aufwarteten, aber auch immer einen Respektabstand zu GT3 oder Turbo ließen. Im Vergleich zum Vorgänger hat der neue Motor nun in jeder Hinsicht draufgelegt. Statt 3,0-Liter Hubraum und 480 PS, gibt es 3,6 Liter und 485 PS. Die PS-Differenz scheint nicht gerade von einem Leistungssprung zu künden, aber der eine große Turbolader (nicht zwei) des Sechszylinders wird hier von einem, zwischen Verdichter- und Abgasturbinenrad installierten E-Motor unterstützt, die Kombination wird von Porsche T-Hybrid genannt.
E-Motor im Dienst der Dyanamik
Allerdings kann der 911er damit nicht rein elektrisch fahren, die Fähigkeiten des Elektromotors werden allein in den Dienst der Dynamik gestellt. Praktisch ohne Verzögerung baut der Lader somit Drehzahl und Ladedruck auf. Damit allerdings nicht genug haben die Zuffenhausener in das Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe einen E-Synchronmotor integriert, der schon ab Leerlaufdrehzahl 54 PS und 150 Newtonmeter Drehmoment beisteuert und für eine komplett harmonische Gasannahme sorgt.
Damit verfügt der Fahrer eines GTS über eine Systemleistung von 398 kW/542 PS und ein Systemdrehmoment von 610 Newtonmetern. Wer mal geglaubt hat, die Sechszylinder-Boxermotor-Entwicklung bei Porsche müsste doch irgendwann mal ausgereizt sein, hat sich offensichtlich geirrt. Ein Blick auf die Fahrleistungen macht deutlich, was die Ingenieure aus der Verbindung von mehr Hubraum und elektrischer Unterstützung so rausgekitzelt haben: 3,1 Sekunden für den Spurt auf 100, keine 10 Sekunden für 200 km/h und eine Spitzengeschwindigkeit von 312 km/h.
Leistung im Überfluss
Nachkontrollieren konnten wir diese Daten auf herbstlichen öffentlichen Straßen nicht, aber die Zahlen an sich sind auch weniger wichtig. Bedeutender ist der damit verbundene Fahrspaß. Es gibt Leistung und Druck im Überfluss und null Turboloch dank elektrischer Unterstützung. Natürlich konnten wir den roten Knopf auf dem Lenkrad nicht unangetastet lassen. Dieser sogenannte Sport-Response-Button hält Motor und Getriebe für 20 Sekunden auf maximaler Performance. Die Wirkung zum Beispiel bei einem Überholvorgang auf der Autobahn lässt sich kaum in Worte fassen. Noch mehr Spaß machen Kurven, die immer schon eine Domäne des 911 waren, mit Allrad und der jetzt serienmäßigen Hinterachslenkung ist dies mehr denn je der Fall.
Alle diese Fähigkeiten verbinden sich zudem mit den ohnehin immer vorhandenen 911er-Tugenden. Also einer perfekten Lenkung, einem unerschütterlichen Fahrwerk und Bremsen vom Feinsten. Kleiner Wermutstropfen: Es gibt nun überhaupt keine analogen Instrumente mehr, als letztes musste das Drehzahlmesser dran glauben und einem digitalen Display weichen, das unter anderem die Darstellung einer Navi-Karte erlaubt. Ansonsten bleibt das Cockpit allerdings unverändert, was wir durchaus goutieren.
Preis beginnt bei 193.000 Euro
Ein Wort noch zum Targa. Den GTS-Antrieb gibt es auch in anderen Varianten, etwa als Carrera 4. Wir aber lieben dieses Halbcabrio ganz besonders. Zum einen natürlich, weil es – elektrisch geöffnet – zwar etwas weniger als das Cabrio, aber deutlich mehr als die geschlossenen Varianten ein Gefühl von Leichtigkeit und Freiheit vermittelt und zum anderen, weil er für uns ganz subjektiv der schönste aller 911er ist. Der gleich hinter dem Kopf platzierte Überrollbügel und das anschließende Glasdach sorgen offen wie geschlossen für eine besonderes harmonische Silhouette.
So unglaublich wie die Leistungen und die Fähigkeiten ist auch der Preis für diesen gerade mal 4,55 Meter messenden 2+2-Sitzer. Knapp 193.000 Euro nimmt Porsche für den Targa 4 GTS, mit ein paar Extras kam unser Testwagen auf 222.600 Euro. Beneidenswert, wer sich diesen perfekten Sportwagen leisten kann. (SP-X)