TÜV Süd: Fahrverbot droht jedem vierten Auto

Schon im Frühjahr könnten in Deutschland die ersten Umweltzonen eingerichtet werden. Von Fahrverboten betroffen wären nach heutigem Stand auch ältere Wagen mit geregeltem Katalysator.

Ab März 2007 können in Deutschland die ersten so genannten Umweltzonen ausgewiesen werden, in denen Fahrzeuge mit zu schlechtem Abgasverhalten nicht mehr fahren dürfen. Und wenn alles so bleibt, wie es das Bundesverkehrsministerium plant, dann werden mehr als ein Viertel aller hierzulande zugelassenen Wagen von den Fahrverboten betroffen sein.

Fahrzeuge bis Baujahr 1997 betroffen

Auf 11,7 Millionen Fahrzeuge beziffert der TÜV Süd auf Basis des Pkw-Bestands vom 1. Januar 2006 die Zahl der Autos, die nicht die vom Gesetzgeber geforderten Abgaswerte aufweisen. Der ADAC kommt in seiner Zählung immerhin noch auf 6,7 Millionen Pkw. Neben älteren Dieseln ohne Partikelfilter und Kat-losen Fahrzeugen sind nämlich auch Benziner betroffen, die mit einem geregelten Katalysator der ersten Generation ausgestattet sind - erkennbar an Typschlüsselnummern zwischen 01 und 13 (in alten Fahrzeugscheinen unter Feld 1, fünfte und sechste Stelle, in EU-Papieren zwei Zeilen unterhalb der Euronorm).

Betroffen sind von den Verboten danach Fahrzeuge bis zum Baujahr 1997. Teilweise können die Wagen allerdings technisch nachgerüstet werden. Aber auch wer über einen Wagen verfügt, der sauber genug für die Umweltzonen ist, darf nicht automatisch fahren. Er muss sich eine der Umweltplaketten besorgen, die es unter anderem bei den Zulassungsstellen, beim Tüv sowie bei Werkstätten geben wird, die berechtigt sind, Abgasuntersuchungen durchzuführen. Voraussichtlich ab Februar sollen die Aufkleber dort erhältlich sein.

Je nach Schadstoffgruppe des Wagens werden die Plaketten in rot, gelb oder grün zugeteilt, es steht den Kommunen frei, ob sie auf dieser Basis noch zusätzliche Unterteilungen bei den Fahrverboten vornehmen. Motorräder brauchen übrigens keine Plakette - Sonderregelungen für Anwohner sind laut TÜV Süd nicht vorgesehen.

Stuttgarts OB für Verschiebung

Insgesamt herrscht kurz vor dem möglichen Start der Umweltzonen jedoch noch große Unklarheit darüber, wie die Politik die Regelungen ausgestalten wird. In Berlin etwa, wo ab 2008 der Bereich innerhalb des S-Bahn-Rings zur Umweltzone erklärt werden soll, liegen innerhalb des Bereichs auch große Teile der einkommensschwachen Stadtteile Neukölln, Wedding und Kreuzberg. Ein rigoroses Fahrverbot würde hier für einen nennenswerten Teil der Bevölkerung bedeuten, dass der eigene Wagen nicht mehr nutzbar wäre - auch dann, wenn ein jüngeres Fahrzeug schlicht nicht finanzierbar ist. Über die Reaktionen der Betroffenen dürften sich Kommunalpolitiker deshalb hinter verschlossenen Türen durchaus ihre Gedanken machen.

In Stuttgart etwa geht Oberbürgermeister Wolfgang Schuster davon aus, dass mehr als 50.000 Wagen von dem Verbot betroffen sein werden. Da auch eine Umrüstung angesichts der kurzen Zeit nicht zu leisten sei, forderte er bereits eine Verschiebung des Stichtages in den Luftreinhalteplänen des Landes Baden-Württemberg. Zudem gebe es in der Verwaltung nicht genügend Personal, um die absehbare Flut von Ausnahme-Anträgen zu bearbeiten. Schuster verwies auf Städte in anderen Ländern, die den Termin auf 1. Oktober oder sogar auf 1. Januar 2008 verschoben hätten.

Auch ist unstritten, welche Auswirkungen die Fahrverbote auf die Feinstaubbelastung in den Städten haben werden: Denn der Begriff Feinstaub ist nur durch die Größe der Partikel definiert, nicht durch die stoffliche Zusammensetzung. Feinstaub kommt daher auch unabhängig von Abgasen in der Atmosphäre vor, der ADAC beziffert den Anteil des Straßenverkehrs an der Staub-Belastung auf lediglich neun Prozent.

Ungerecht an der Regelung ist nach Meinung des ADAC nicht zuletzt, dass Pkw mit Otto-Motor ohnehin keine Partikel ausstoßen. Der Club fordert daher, auf die die Einführung von Fahrverboten weitestgehend zu verzichten. Zwingend erforderlich wären in jedem Fall umfassende Ausnahmeregelungen, insbesondere für Anwohner.

Vorheriger ArtikelDie Entdeckung der Stromlinie
Nächster ArtikelDer zweite Versuch

Keine Beiträge vorhanden