Autobranche: Neue CO2-Grenzwerte sind unrealistisch

Autobranche: Neue CO2-Grenzwerte sind unrealistisch
Die Autoindustrie muss sich auf strengere CO2-Grenzwerte einstellen. © dpa

Die Autobranche hat die neuen CO2-Grenzwerte der EU als unrealistisch bezeichnet. Bis 2030 müssen die Hersteller den CO2-Ausstoß deutlich reduzieren.

Bis dahin müssen sie laut einer Vorentscheidung von Mitgliedstaaten, Europaparlament und EU-Kommission die Emissionen des Treibhausgases bei Neuwagen im Schnitt um 37,5 Prozent gegenüber dem für 2021 angepeilten Niveau absenken.

Dies beschlossen Unterhändler am Montagabend in Brüssel. Die Autoindustrie kritisierte die Vorgaben als überzogen und unrealistisch. Befürworter schärferer Klimaschutz-Regeln verlangen demgegenüber noch größere Reduktionen.

Autobranche wollte nicht so strikte Ziele

Die Autobranche mit Hunderttausenden Jobs allein in Deutschland und die Bundesregierung wollten ursprünglich nicht so strikte CO2-Ziele. Zu schaffen sind sie nur, wenn neben sparsameren Benzin- und Dieselautos auch immer elektrisch angetriebene Fahrzeuge verkauft werden. Die Hersteller müssen sich also schnell umstellen und warnen vor Jobverlusten. VW-Chef Herbert Diess kündigte an, dass die milliardenschweren Umbaupläne tiefergehen müssten als bisher geplant.

Der europäische Verbraucherverband BEUC unterstreicht aber, dass niedrige CO2-Werte auch weniger Verbrauch bedeuteten und Fahrer bei neuen sparsamen Modellen Sprit und Geld sparen könnten.

Altmaier zeigt sich skeptisch

Peter Altmaier. Foto: dpa
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Foto: dpa

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) äußerte sich am Dienstag skeptisch zu den neuen Regeln für Pkw. «Wir waren von Anfang an für realistische Grenzwerte, die man auch erreichen kann», sagte er. Die Werte seien «sehr ambitioniert» – aber letztlich ein Kompromiss. Dennoch betonte er: «Ich bin grundsätzlich optimistisch, dass wir – wenn auch mit Bedenken und mit Sorgen – diesen Kompromiss versuchen umzusetzen.» Der Bund werde dies am Mittwoch entscheiden.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) reagierte mit scharfer Kritik. «Diese Regulierung fordert zu viel und fördert zu wenig», meinte sein Präsident Bernhard Mattes. «Niemand weiß heute, wie die beschlossenen Grenzwerte in der vorgegebenen Zeit erreicht werden können.» Nirgends sonst gebe es ähnlich strikte CO2-Ziele. Somit werde Europas Autoindustrie im internationalen Wettbewerb belastet.

Österreichs Umweltministerin Elisabeth Köstinger, die das Paket mitverhandelt hatte, wies die Einwände ab. Die für 2030 vorgesehenen Kohlendioxid-Werte seien «ambitioniert, aber machbar». Österreich hat derzeit den EU-Vorsitz inne und hatte die Gespräche geleitet. Sie erklärte, die Technik sei sehr weit – und es seien elf Jahre Zeit, um die neuen CO2-Werte zu erreichen. Durch ein Zwischenziel von 15 Prozent bis 2025 gebe es «genügend Zeit, Anpassungen durchzuführen».

Ursprünglich 35 Prozent im Gespräch

Die EU-Staaten hatten Anfang Oktober für eine Senkung des CO2-Werts bei neuen Autos und leichten Nutzfahrzeugen um durchschnittlich 35 Prozent bis 2030 plädiert. Deutschland wollte ursprünglich nur 30 Prozent Minderung, trug den Beschluss aber mit. Das Europaparlament ging mit einer Forderung nach minus 40 Prozent in die Verhandlungen.

«Es waren harte und sehr zähe Verhandlungen», erklärte Köstinger. «Nach dem erfolgreichen Abschluss der Weltklimakonferenz in Kattowitz ist dies nun ein nächster wichtiger Schritt, damit wir unsere Klimaziele erreichen.» EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete nannte die Vereinbarung ehrgeizig und ausgewogen.

Daimler bezog sich in einer Stellungnahme nicht direkt auf den Brüsseler Beschluss – erklärte aber, nach der Umstellung der Messverfahren für den Abgasausstoß in diesem und im kommenden Jahr zunächst mit höheren CO2-Werten zu rechnen. Doch auch die hohe Nachfrage nach leistungsstarken Fahrzeugen spiele eine Rolle. Bei dem neuen Messerverfahren WLTP geht es um eine bessere Abbildung des tatsächlichen Verbrauchs sowie der Schadstoff- und CO2-Emissionen.

Daimler mit 125 g/km in 2017

Umweltschützer fordern verschärfte CO2-Regeln für Autos. Foto: dpa

2017 war der durchschnittliche Wert der gesamten Daimler-Flotte leicht auf 125 Gramm CO2 je Kilometer gestiegen (2016: 123 Gramm). Bis 2021 muss der Autobauer den CO2-Ausstoß seiner in einem Jahr verkauften Autos auf rund 100 Gramm drücken – etwas oberhalb des generellen Zielwertes. «Es ist weiterhin unser Ziel, die anspruchsvollen gesetzlichen CO2-Vorgaben zu erfüllen.»

Bisher ist in der EU festgelegt, dass Neuwagen im Flottendurchschnitt 2021 generell nicht mehr als 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen sollen. Von dieser Basis aus soll die Senkung folgen. Doch ist die auch aktuelle Vorgabe für viele Hersteller noch nicht in Reichweite. Die Vorgaben sollen helfen, Klimaschutzziele zu erreichen. Insgesamt stammt rund ein Viertel aller Klimagase der EU aus dem Verkehr, Autos und Lkw machen den Großteil aus. Grünen-Fraktionsvize Anton Hofreiter sagte: «Nur mit ambitionierten Grenzwerten wird die europäische Autoindustrie den Anschluss an Schrittmacher aus Ostasien halten.»

Die wegen Klagen für Diesel-Fahrverbote heftig kritisierte Deutsche Umwelthilfe (DUH) prüft derweil die Chancen für ein Tempolimit von 120 auf deutschen Autobahnen. Damit lasse sich Klimaschutz im Verkehr auch bei denjenigen Autos erreichen, die schon auf der Straße seien. Der Wirtschaftsexperte der Unions-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer (CDU), meinte: «Unstreitig muss auch der Verkehrssektor seinen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Ziele müssen aber realistisch sein und dürfen die Wirtschaft nicht überfordern.»

Kritik auch von ACEA

Der europäische Herstellerverband Acea äußerte sich ähnlich: «Eine CO2-Minderung um 37,5 Prozent zu liefern, mag sich plausibel anhören, aber gemessen am heutigen Stand ist es völlig unrealistisch.» Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Holger Lösch, bemängelte: «Eine reine Regulierung über Flottengrenzwerte nimmt lediglich die Hersteller in die Pflicht, mehr Elektroautos in den Markt zu bringen.

Dies blendet die notwendigen Randbedingungen, wie zum Beispiel den Ladeinfrastrukturausbau, für den auch die Regierungen verantwortlich sind, gänzlich aus.» VW-Chef Diess kritisierte zudem, dass auch die Erzeugung umweltfreundlichen Stroms völlig ungeklärt sei. (dpa)

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