Privatanzeigen gegen Falschparker nehmen bundesweit zu. Meist sind nur wenige Personen aktiv, die aber sind in ihrem Eifer kaum zu bremsen.
Routiniert stoppt Falko Görres sein Fahrrad, zieht das Handy aus der Tasche und fotografiert den Lieferwagen, der in der stark befahrenen Mainzer Landstraße in Frankfurt teilweise auf dem Radweg parkt. Zu Hause wird er mit dem Foto eine Mail schreiben und den Fahrer anzeigen. Fast täglich schickt Görres solche Privatanzeigen ab – um die 70 pro Monat. Sein Motiv: Er möchte, dass er selbst und andere sicher Fahrrad fahren können. Dies sei nicht möglich, wenn Falschparker Radwege blockierten, sagt der 42-Jährige.
Wie Görres gehen auch andere Menschen in Frankfurt am Main vor, Tausende Privatanzeigen kommen monatlich zusammen. Ein bundesweites Phänomen mit steigender Tendenz. In Wuppertal und Bochum zeichnet sich bereits jetzt eine höhere Zahl als in den Vorjahren ab. Bielefeld hat bemerkt, dass mehr als die Hälfte der Privatanzeigen von einer Einzelperson gestellt wird. Auch aus Baden-Württemberg melden mehrere große Städte steigende Zahlen. In Freiburg seien bis zu 40 Personen regelmäßig aktiv, etwa zehn von ihnen bildeten einen „harten Kern“ und zeigten fast täglich falsch parkende Fahrzeuge an.
Mehraufwand für die Bußgeldstellen
Bundesweite Schlagzeilen macht derzeit ein junger Mann, der sich „Anzeigenhauptmeister“ nennt. Die Debatte um ihn scheint Auswirkungen zu haben. Aus Erfurt heißt es, die Zahl der Bürgeranzeigen habe sich zuletzt verdreifacht: Im März gingen 848 ein, in den fünf Monaten zuvor waren es im Schnitt je 261. Der Großteil der Anzeigen im März entfiel laut Stadt auf zwei Menschen: Von einer Person seien 360 Anzeigen eingegangen, von einer anderen 216. Die Stadt stehe solchen Bürgeranzeigen generell neutral gegenüber.
Kritischer äußert sich die Berliner Polizei. Zwar sei Engagement für mehr Sicherheit auf den Straßen grundsätzlich zu begrüßen. „Allerdings fehlt es Privatanzeigen oft an fachlicher Kenntnis und einer angepassten Objektivität“, teilt die Pressestelle mit. Auch müssten die Angaben vollständig sein, um bearbeitet zu werden. „Daher bedeuten die Anzeigen einen beachtlichen Mehraufwand für die Bußgeldstelle.“
Parksünder gefährden die Sicherheit
Die Berliner Polizei weist auf einen Gerichtsbeschluss des Oberverwaltungsgerichts Niedersachsens vom September 2013 hin, wonach es keinen Bearbeitungsanspruch gebe, wenn Privatpersonen als selbst ernannte Hilfsermittler tätig würden. In der Bundeshauptstadt wurden den Angaben zufolge vergangenes Jahr 34 300 Privatanzeigen über ein entsprechendes Mailpostfach eingesandt, 2022 seien es rund 31 700 gewesen.
Vom Streben, eine möglichst hohe Zahl angezeigter Falschparker zu erreichen, distanziert sich Falko Görres. Er mache nicht gezielt Jagd, sondern zeige diejenigen an, die ihm auf seinen Alltagswegen mit dem Rad durch die Stadt auffielen. „Ich sehe mich auch nicht als Hilfspolizist, ich will einfach, dass ich und andere sicher von A nach B kommen können.“ Auch für Fußgängerinnen und Fußgänger seien zugeparkte Kreuzungen ein Sicherheitsproblem, da dann ihre Sicht auf die Straße eingeschränkt sei.
Anzeigen-Mails per Onlinetool
In Frankfurt gingen vergangenes Jahr 54 500 Privatanzeigen ein, 200 weniger als im Vorjahr und 15 400 mehr als 2021. Denunziantentum sehe man hier nicht, teilt das Ordnungsamt auf Anfrage mit. Allein schon deshalb nicht, da dem Anzeigenden kein Vorteil entstehe. Görres nutzt Onlinetools wie „weg.li“, mit dem sich aus den Fotos von vor Ort Anzeigen-Mails an die Stadt generieren lassen. Frankfurt hat zudem vor einigen Wochen ein Onlineportal eingerichtet, um rascher voranzukommen.
Denn in der Vergangenheit blieben viele Privatanzeigen unbearbeitet liegen, als Grund wurden Kapazitätsengpässe angegeben. Nach städtischen Angaben lag die Bearbeitungsquote im vierten Quartal 2023 bei knapp 40 Prozent. Anzeigen, die über das neue Online-Portal eingingen, würden nun zu 100 Prozent bearbeitet. Alles andere sei auch sehr frustrierend, sagt Görres, der im Ehrenamt Stadtverordneter für Die Partei ist. Er hoffe, dass sein stetiges Vorgehen irgendwann sichtbare Effekte habe.
„Ich habe es noch nicht erlebt, dass jemand einsichtig ist“, sagt Görres. Im Gegenteil, er sei schon angebrüllt und mit körperlicher Gewalt bedroht worden. Den Lieferwagenfahrer werde er wegen „Parkens auf dem Radweg mit Behinderung“ anzeigen – dafür seien 70 Euro fällig. (dpa)