«Umweltfreundlichkeit ist DNA unserer Marke»

Opel-Markenchef Visser

Alain Visser sieht Opel trotz der Absatzeinbrüche der letzten Monate nicht schlechter aufgestellt als andere Volumenhersteller. Bereits für 2008/2009 rechnet der Opel-Markenchef mit Zuwächsen.

Der Rüsselsheimer Autobauer Opel verzeichnete im Mai auf dem Privatmarkt einen Einbruch von 28,8 Prozent. «Wenn wir unsere Leistung auf dem Privatmarkt betrachten, dann stehen wir nicht schlechter da als andere Volumenhersteller. Was wir bei Opel derzeit erleben, ist ein Markttrend», sagte Opel Markenchef Alain Visser. «Wenn Sie sich den Rückgang bei den Marktanteilen anschauen, dann hat das damit zu tun, dass wir das Geschäft nicht künstlich am Leben erhalten», fügte der Manager hinzu.

Im Interview mit Netzeitung.de. spricht Visser zudem über die Umweltstrategie von General Motors, die Zukunft der Marke Saab und seine Unzufriedenheit mit der deutschen Politik.

«Das ist manchmal schon frustrierend»

Autogazette: Herr Visser, leiden Sie derzeit mit Blick auf die Zulassungszahlen eigentlich unter Alpträumen?

Alain Vissser (lacht): Ja, ab und zu kommt das schon vor. Das gebe ich gerne zu. Schließlich will man eine gute Leistung bringen. Leider kann man in der momentanen Marktsituation nicht die Leistung bringen, die man gerne bringen würde. Das ist manchmal schon frustrierend.

Autogazette: Der Automarkt ist rückläufig. Im Mai gab es einen Einbruch bei den Zulassungszahlen von 11,1 Prozent, doch Opel hat es mit einem Minus von 28,8 Prozent auf dem Privatmarkt besonders getroffen. Warum läuft es bei Opel so schlecht?

Visser: Ich würde nicht sagen, dass es nur bei Opel schlecht läuft. Wenn wir unsere Leistung auf dem Privatmarkt betrachten, dann stehen wir nicht schlechter da als andere Volumenhersteller. Was wir bei Opel derzeit erleben, ist ein Markttrend. Wenn Sie sich den Rückgang bei den Marktanteilen anschauen, dann hat das damit zu tun, dass wir das Geschäft nicht künstlich am Leben erhalten. Ich nenne da nur Händler- oder Herstellerzulassungen. In diesem Bereich geht der gesamte Markt hoch, wir aber runter. Dieser «Kunstmarkt» macht nahezu 30 Prozent des Gesamtmarktes aus. Wenn man sich das vergegenwärtigt, relativiert sich unser Rückgang.

«Es gibt Hersteller, die schlechter sind»

Autogazette: Das beantwortet nicht hinreichend meine Frage: Weshalb hat es Opel so schwer?

Visser: Wir haben es nicht außergewöhnlich schwer im deutschen Markt...

Autogazette: ...beschönigen Sie bei einem Minus von fast 28,8 Prozent nicht die Situation?

Visser: Ein Minus von 28 Prozent im Privatkundengeschäft entspricht dem Durchschnitt im deutschen Markt. Und - es gibt Hersteller, die schlechter sind als wir.

Autogazette: Aber es gibt niemanden, der schlechter ist als Opel...

Visser:...das stimmt nicht. Es gibt Hersteller, die liegen beim Privatverkauf bei einem Minus von 51 Prozent.

«Wollen Marktanteil nicht künstlich steigern»

Opel Astra Foto: Werk

Autogazette: Ein schlechter Monat wäre ja noch zu verkraften, doch angesichts von gerade einmal 116.291 abgesetzten Fahrzeugen von Januar bis Mai - das ist ein Minus von 15,5 Prozent - könnte es für Opel sogar ein ganz schlechtes Jahr werden.

Visser: Das glaube ich nicht. Wie bereits angesprochen, wir verfolgen nicht das Ziel, unseren Marktanteil künstlich zu steigern. Im Gegenteil: Wir sind vielmehr dabei, unser künstliches Geschäft zu reduzieren, weil es kein profitables Geschäft ist. Wir konzentrieren uns voll und ganz auf das Privatgeschäft. Wichtiger als die monatliche Erhebung des Marktanteils ist, wie wir als Marke evaluieren. Hier sehen wir, dass Opel in ganz Europa, also auch in Deutschland, auf dem richtigen Weg ist. Mit unserer Produktstärke werden wir nicht weiter einbrechen. Vielmehr werden wir Wachstum sehen.

«2008/2009 werden wir Zuwächse sehen»

Autogazette: Ab wann?

Visser: Ich glaube, dass wir 2007 beim Marktanteil runtergehen werden. Doch das ist gewollt, weil wir das Großflottengeschäft und Eigenzulassungen deutlich reduziert haben. Spätestens in 2008/2009 werden wir beim Marktanteil wieder Zuwächse sehen.

Autogazette: In welcher Höhe?

Visser: Sie werden von mir keine ambitiösen Ziele hören.

Autogazette: Nachdem man 2006 einen Marktanteil von zehn Prozent verpasst hat, peilen Sie in diesem Jahr also nicht mehr als neun Prozent an?

Visser: Zehn Prozent werden wir in diesem Jahr nicht mehr erreichen, das wäre unrealistisch. Aber ein Marktanteil von neun Prozent wäre für mich enttäuschend. Ich gehe von einem Marktanteil zwischen neun und zehn Prozent aus. Ich glaube aber, dass wir ein Unternehmen mit einer Zehn-Prozent-Marke sind.

Autogazette: Bereits vor einem Jahr haben Sie den Rückgang des Marktanteils mit einem Strategiewechsel im Großkundengeschäft verantwortlich gemacht. Wie lange kann das noch als Argument für die enttäuschenden Zahlen herhalten?

Visser: Ich gehe davon aus, dass wir Ende 2007 ein ausgeglichenes Mixed-Niveau erreicht haben. Mein Ziel ist, dass wir im Privatmarkt unsere Leistung verbessern.

«Einbrüche ganz normal»

Autogazette: Das einzige Auto, das sich derzeit bei Opel verkauft, ist der Corsa mit einem Plus von fast 45 Prozent. Volumenmodelle wie der Zafira verloren indes fast 36 Prozent, der Astra und der Meriva je 27 Prozent. Warum treffen diese Autos nicht den Nerv der Käufer?

Visser: Unser Segmentanteil beim Vectra ist konstant geblieben. Das heißt, dass unser Rückgang beim Vectra segmentgetrieben ist. Bei Astra und Zafira ist unser Segmentanteil gesunken. Das liegt am Lebenszyklus. Von daher sind die Einbrüche ganz normal.

Autogazette: Als Opel das Facelift des Zafira Anfang des vergangenen Jahres vorstellte, wollte man Bestseller im Van-Segment werden und den VW Touran verdrängen. Hat man diese Zielsetzung aufgegeben.

Visser: Nein, haben wir nicht. Wir haben immer gesagt, dass wir in Kombination mit dem Meriva Nummer eins sein wollen. Derzeit liegen wir gerade ein paar Hundert Einheiten hinter dem Touran, doch den Rückstand wollen wir aufholen. Beim Corsa sind wir nach wie vor Nummer eins, haben den Polo von Platz eins verdrängt. Doch es ist richtig: allein der Corsa bringt noch nicht den notwendigen Deckungsbeitrag.

Autogazette: Liegt die Kaufzurückhaltung der Kunden daran, dass man kein Vertrauen in die Produktqualität hat, obwohl die seit langer Zeit auf hohem Niveau liegt?

Visser: Wir haben bis vor ein paar Jahren gesehen, dass unsere Produktschwierigkeiten der 90er Jahre negativen Einfluss auf die Verkäufe hatten. Vor zwei Monaten haben wir diese Frage in einer Studie nachgefragt. Das Ergebnis: Diese Meinung lebt kaum noch. Es kann nicht als Begründung herhalten, weshalb die Marke nicht gekauft wird. Das ist für uns ein gutes Zeichen.

«Astra liegt voll im Plan»

Autogazette: Bislang sprachen Sie immer davon, dass der neue Astra nicht vor 2009 auf den Markt kommen wird. Bleibt es angesichts des enttäuschenden Absatzes dabei?

Visser: Es bleibt dabei. Die Entscheidung von Volkswagen, den neuen Golf bereits im Jahr 2008 zu bringen, beruht auch auf dem Erfolg des Astra. Der Astra ist und bleibt ein Erfolg, auch wenn die Verkaufszahlen jetzt runter gehen. Die Unterschiede auf europäischer Ebene zwischen Golf- und Astra-Verkäufen konnten um 50 Prozent reduziert werden. Wir haben unseren Produktzyklus-Plan, den wir nicht über Nacht ändern können und wollen. Der Astra liegt trotz der derzeitigen Verluste voll im Plan, deshalb bleibt es beim Timing.

«Rabatte sind kein Allheilmittel»

Alain Visser (l.) und Hans Demant enthüllen den Corsa 1.3 CDTI Eco-Flex Foto: dpa

Autogazette: Wie wollen Sie die Kunden wieder dazu bringen, einen Opel zu kaufen, ausschließlich über Rabatte?

Visser: Nein, Rabatte sind kein Allheilmittel. Ich habe immer gesagt, dass wir uns in einem aggressiven Marktumfeld befinden. Der deutsche Markt hat sich in den letzten Jahren von einem durchschnittlich aggressiven Markt zum aggressivsten Markt in Europa entwickelt. Diesen Kampf muss man mitgehen. Wer den Hochmut hat zu sagen, dass er diesen Kampf nicht aufnimmt, verliert. Sie werden aber nie eine deutschlandweite Werbung von Opel sehen, die dem Kunden einen Nachlass von 5000 oder 6000 Euro offeriert. Sie sehen das bei anderen Herstellern, aber Sie werden es nie bei Opel sehen.

Autogazette: Am Freitag hat GM-Europachef Carl-Peter Forster in Berlin eine umfassende Umweltstrategie vorgestellt. Wie wichtig ist der Umweltaspekt unter Absatzgesichtspunkten?

Visser: Er ist extrem wichtig. Opel will in der Umweltfrage eine führende Rolle spielen. Bereits 1989 haben wir als Unternehmen den Katalysator eingeführt. Seither steht das Thema Umwelt ganz oben auf der Agenda. Alle Umfragen belegen, dass Opel bei der Umweltfreundlichkeit seiner Produkte eine starke Glaubwürdigkeit hat. Das ist unsere DNA, die Seele der Marke. Das Thema C02 ist kein kurzfristiges, es wird uns auch zukünftig beschäftigen.

«Konnten schon 1000 Autos verschrotten»

Autogazette: Der erste Schritt der langfristigen Umweltstrategie von GM ist die Aktion «Opel macht Deutschlands Straßen sauberer.» Sie wollen durch satte Rabatte von bis zu 5000 Euro die Kunden dazu bewegen, ihr altes Auto zu verschrotten und sich einen Opel zu kaufen. Ist die Aktion erfolgreich?

Visser: Die Aktion ist gerade erst angelaufen, aber sie zeigt schon erste Erfolge. Bislang konnten wir schon 1000 Fahrzeuge verschrotten. Das Durchschnittsalter der Fahrzeuge auf deutschen Straßen beläuft sich auf acht Jahre. Vor diesem Hintergrund kann man der Umwelt am besten nützen, in dem man diese Autos durch neue ersetzt. Genau das wollen wir mit dieser Aktion erreichen. Wir machen Absatz und die Dreckschleudern verschwinden von der Straße. Das ist eine klassische Win-Win-Situation:

Autogazette: In Berlin wurden gerade die so genannten EcoFlex-Fahrzeuge vorgestellt. Dazu gehört beispielsweise ein Fahrzeug wie der Corsa 1.3 CDTI, der nur 119 CO2 pro Kilometer emittiert. Wie geht es weiter?

Visser: Unsere Strategie ist ja deutlich breiter aufgestellt als beispielsweise bei Toyota. Wir haben nicht nur einen Hybriden - und das ist es dann. Wir sind vielfältiger aufgestellt. So setzen wir perspektivisch auf Fahrzeuge, die überhaupt keine Schadstoffe ausstoßen. So arbeiten wir langfristig an der Wasserstoff basierten Brennstoffzellentechnologie und mittelfristig an verschiedenen Hybrid-Versionen. Ich möchte in diesem Zusammenhang eines festhalten: Unsere CO2-Werte sind bereits heute in Summe deutlich besser als bei Toyota. Leider bekommen wir dafür nicht den Credit, wie ihn Toyota bekommen hat. Doch wir gehen jetzt in die Offensive und werden den EcoFlex-Corsa im Januar auf den Markt bringen. Wir werden aber auch einen Zafira. Astra und Meriva nachschieben. Über die gesamte Produktpalette werden wir jeweils ein EcoFlex-Fahrzeug mit dem niedrigsten C02-Wert auf den Markt bringen. Auf der Internationalen Automobilausstellung im September in Frankfurt werden wir zudem ein Opel E-Flex-Modell, also ein Elektrofahrzeug als Hybrid, vorstellen.

«Opel will Vorreiter sein»

Autogazette: Wird dieser Maßnahmenkatalog dazu führen, dass Opel bis zum Jahr 2012 die Vorgabe der EU-Kommission erfüllen wird, den C02-Ausstoß auf durchschnittlich 130 g/km zu reduzieren?

Visser: Diese Zielvorgabe ist für jeden Hersteller sehr ambitioniert. Wir haben als Hersteller aber alle gesagt, dass wir das schaffen werden. Opel will auch hier Vorreiter sein.

Autogazette: Wann wird es denn den ersten Hybriden geben?

Visser: Das Timing steht noch nicht fest, aber er könnte innerhalb der nächsten drei Jahre kommen.

«Fordere Regierung zum Umdenken auf»

Der neue Saab 9-3 Foto: AG/Mertens

Autogazette: Saab ist auf dem schwedischen Markt mit Bio-Ethanol-Fahrzeugen erfolgreich. Nun wurde am Freitag angekündigt, dass Opel bis zum Jahr 2010 auch Bio-Ethanol-Fahrzeuge anbieten wird. Bis dahin muss sich jedoch noch einiges an der Infrastruktur ändern...

Visser:...absolut und hier ist die deutsche Politik gefragt. Damit es diese Infrastruktur gibt, braucht es die Unterstützung des Staates. Doch die Regierung ist daran scheinbar nicht interessiert. Dabei ist es ein deutlicher Schritt zu mehr Umweltfreundlichkeit, zu einer nachhaltigen Mobilität. Ich fordere deshalb die Regierung zum Umdenken auf. Hier ist eine deutliche finanzielle Förderung der Tankstellenbetreiber und der Autofahrer gefragt. In Schweden beispielsweise gibt es Anreizsysteme wie kostenloses Parken in der City für Bioethanol-Fahrzeuge. Wenn Deutschland eine Voreiterrolle beim Klimaschutz spielen will, müsste man hier aktiv sein.

Autogazette: Saab dümpelt derzeit bei einem Absatz von 5300 Fahrzeugen dahin. Stellt Sie das zufrieden?

Visser: Absolut nicht. Saab ist eine Boutique-Marke, also eine wirklich spezielle Marke. Auf dem deutschen Markt hat es Saab natürlich besonders schwer. Hier ist das Premiumsegment von Audi, BMW oder Mercedes besetzt. Jeder andere, der versucht, in dieses Segment hineinzukommen, scheitert. Ich verweise nur auf Lexus oder Jaguar. In anderen Ländern funktioniert es, nur nicht in Deutschland. Wir leiden unter dem gleichen Phänomen: Der Deutsche will seinen Audi, BMW, Mercedes. Doch ich bin der Meinung, dass es mehr als 5300 Deutsche gibt, die einen Saab fahren wollen.

Autogazette: Wie lange gönnte man sich bei GM noch den Luxus, sich Saab zu leisten?

Visser: Der Saab-Business-Case basiert ja nicht auf 5300 Fahrzeugen...

«Saab muss eine Boutique-Marke bleiben»

Autogazette: ...aber 133.000 Fahrzeuge europaweit sind ja auch nicht unbedingt befriedigend...

Visser:...das Ziel bei Saab sind ja nicht 300.000 Fahrzeuge, Saab muss eine Boutique-Marke bleiben. Das Problem bei Saab ist, dass man hier keine großen Marketingaktivitäten fahren kann. Hier müssen die Leute fast schon individuell angesprochen werden. Ich bin der Meinung, dass Saab eine Traummarke ist. Wir haben in die Marke Saab investiert, entsprechend bin ich überzeugt, dass die Marke mit den kommenden Produkten wachsen wird.

Autogazette: Was kommt denn noch außer dem SUV?

Visser: Zunächst kommt das Facelift des 9-3er, danach kommt ein SUV und weitere Modelle, über die ich noch nicht reden kann. Aber das Portfolio von Saab wird deutlich breiter, als es bislang ist.

Das Interview mit Alain Visser führte Frank Mertens

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