«Opel hat in Europa Wachstumspotenzial»

Interview mit Opel-Vizepräsident Alain Visser

Opel-Vizepräsident Alain Visser rechnet weiter mit Staatsbürgschaften für das Unternehmen. Im Interview mit der Autogazette spricht der Manager über die Verunsicherung der Kunden, neue Modelle und die Absatzziele für 2010.

Ungeachtet negativer Signale aus der Politik geht Opel-Vizepräsident Alain Visser davon aus, dass der Rüsselsheimer Autobauer Opel Staatshilfen erhält. «Ich bin zuversichtlich, dass wir nun in den nächsten Tagen auch die finale Entscheidung zugunsten der angestrebten Staatsbürgschaften erhalten werden.»

«Einigung ein wichtiger Schritt»

In diesem Zusammenhang bezeichnete Visser die Beteiligung der Mitarbeiter an der Sanierung des Unternehmens als wichtigen Schritt. «Sie zeigt, dass alle bei Opel an einem Strang ziehen und ein gemeinsames Bild von der Zukunft haben», sagte Visser. «Bei der Einigung geht es übrigens nicht allein um die Sanierung. Wir haben uns auf die Umsetzung einer klar definierten Produktoffensive geeinigt. Dazu gehört ein Kleinwagen im Segment unterhalb des Corsa genauso wie etwa ein Cabrio oder ein neuer Combo.»

«Ich schlafe immer gut»

Autogazette: Herr Visser, können Sie mit Blick auf die ungewisse Zukunft von Opel und die schlechten Zulassungszahlen noch ruhig schlafen?

Alain Visser (lacht): Ich schlafe immer gut.

Autogazette: Im April konnte Opel auf dem deutschen Markt nur etwas mehr als 17.000 Autos verkaufen. Das sind fast 55 Prozent weniger als zum Vorjahreszeitraum. Sorgt so ein Einbruch nicht für Alpträume?

Visser: Aber nein. Die Jahre 2009 und 2010 sollte man wegen der Sondereffekte durch die Abwrackprämie nicht vergleichen. Und wir schauen auch nicht allein auf Deutschland, sondern auf Gesamt-Europa. Dort verzeichnen wir mit Blick auf die Marktanteile einen ausgesprochen positiven Trend. Das liegt vor allem an unseren neuen Fahrzeugen, die beim Kunden gut ankommen.

«Kunden haben mit Autokauf gewartet»

Alain Visser präsentiert den neuen Opel Meriva
Alain Visser präsentiert den Meriva Opel

Autogazette: Woran liegt der Rückgang in Deutschland? Nur am Ende der Abwrackprämie?

Visser: Es gibt zwei Gründe: Zum einen haben wir in der Tat im Jahr 2009 stark von der Abwrackprämie profitiert. Entsprechend müssen wir nun auch ein relativ hohes Minus hinnehmen. Zum anderen haben Kunden nach anderthalb Jahren Spekulationen um die Zukunft von Opel mit dem Autokauf gewartet, wie es mit dem Unternehmen Opel weitergeht.

Autogazette: Nun gibt es eine Einigung mit den Mitarbeitern, die sich an der Sanierung des Unternehmens beteiligen...

Visser: ...ja, diese Einigung ist ein wichtiger Schritt für uns. Sie zeigt, dass alle bei Opel an einem Strang ziehen und ein gemeinsames Bild von der Zukunft haben. Bei der Einigung geht es übrigens nicht allein um die Sanierung. Wir haben uns auf die Umsetzung einer klar definierten Produktoffensive geeinigt. Dazu gehört ein Kleinwagen im Segment unterhalb des Corsa genauso wie etwa ein Cabrio oder ein neuer Combo. Ich bin zuversichtlich, dass wir nun in den nächsten Tagen auch die finale Entscheidung zugunsten der angestrebten Staatsbürgschaften erhalten werden. Dann können wir uns wieder auf das konzentrieren, was wir am besten können – nämlich gute Autos zu bauen.

Autogazette: Wenn man sich aufgrund der Abwrackprämie schon nicht am Jahr 2009 orientiert, was ist für Sie denn dann das Referenzjahr? 2008?

Visser: Nicht 2008, da hatten wir schon mit den ersten Ausläufern der Krise zu tun. Wir nehmen das Jahr 2007 als Kenngröße.

«Wenn das gelingt, wäre ich zufrieden»

Der Opel Insignia Opel

Autogazette: Damals kamen Sie auf einen Absatz von 285.000 Fahrzeugen. Ist das auch der Absatz, der Sie am Ende des Jahres zufrieden stellen würde?

Visser: Genau, wenn das gelingt, wäre ich zufrieden.

Autogazette: Und wo soll der Marktanteil liegen?

Visser: Der Marktanteil von Opel in Deutschland liegt nach den ersten vier Monaten bei 7,3 Prozent. Am Ende dieses Jahres wollen wir deutlich darüber abschneiden, ohne dass ich mich jetzt schon festlegen möchte.

Autogazette: Sie sagten einmal, dass Opel eine 10%-Plus-Marke sei. Wann wird man dieses Ziel erreichen können?

Visser: In der Tat: Opel ist eine 10%-Plus-Marke. Das werden wir in diesem Jahr nicht erreichen. Aber ich denke, dass wir im Jahr 2011 mit unserer Produktoffensive in 2011 den Marktanteil nach vorne bringen können. Dazu haben wir auch schon eine ganz klare Strategie.

«Opel hat in Europa Wachstumspotenzial»

Der Opel Astra 1.3 CDTI EcoFlex
Opel Astra Opel

Autogazette: Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer bezeichnet Opel angesichts rückläufiger Marktanteile als Marke im Sinkflug. Hat er damit recht?

Visser: Mit Blick auf das Feedback der Kunden auf unsere neuen Produkte ist eine solche Aussage nicht haltbar: Ganz im Gegenteil. Opel hat in Europa Wachstumspotenzial.

Autogazette: Unlängst sprach Herr Dudenhöffer auch von einem schlechten Absatz des Astra in Deutschland. Dem wurde von Ihnen widersprochen. Doch sind die von ihnen kommunizierten Neuzulassungen von über 10.000 Autos von Dezember 2009 bis März 2010 in Deutschland wirklich ein Erfolg?

Visser: Absolut. In Gesamt-Europa hat der neue Astra unsere Erwartungen übertroffen; bislang liegen uns über 150.000 Bestellungen vor. Ursprünglich wollten wir in diesem Jahr 180.000 neue Astra verkaufen, nun planen wir aufgrund der hohen Auftragseingänge für 2010 bereits mit 200.000 Astra. Deshalb haben wir uns entschlossen, in unserem Werk im polnischen Gleiwitz eine dritte Schicht zu fahren. So etwas würden wir nicht machen, wenn wir Verkaufsprobleme hätten. Die Verkäufe des neuen Astra in den ersten vier Monaten dieses Jahres liegen 50 Prozent über den Zahlen des Vorjahreszeitraumes. Betrachtet man den April separat, sind es sogar 76 Prozent.

Autogazette: Mit wie vielen Verkäufen des neuen Astra rechnen Sie in Deutschland in diesem Jahr?

Visser: Wir rechnen mit deutlich über 30.000 Fahrzeugen.

Autogazette: Ende des Jahres kommt der volumenträchtige Astra Sports Tourer auf den Markt. Welcher Anteil entfällt in Deutschland bei den Verkäufen auf den Kombi?

Visser: Wir rechnen mit einem Anteil von etwa 50 Prozent.

«Wollen führend bei Alternativen Antrieben sein»

Nick Reilly im Opel Ampera Opel

Autogazette: Schaut man sich die Modellpalette an, dann fehlt Opel ein Kleinstwagen im Angebot. Wann ist mit ihm zu rechnen?

Visser: Ein solches Auto kann innerhalb von 24 Monaten auf den Markt kommen, also Anfang 2013. Design und Entwicklung laufen bereits.

Autogazette: Lange spielte ein Hybrid-Auto für Opel in der Planung keine Rolle. Seit Nick Reilly an Bord ist schon. Gibt es schon eine Entscheidung, wann ein solches Auto kommt?

Visser: Nick Reilly hat kommuniziert, dass wir im Bereich alternativer Antriebe führend sein wollen. Mit unserem elektrischen Opel Ampera geht es Ende 2011 los. Wir wollen aber die gesamte Bandbreite alternativer Antriebe abdecken, bis hin zum Brennstoffzellenfahrzeug.

Autogazette: Zur Marktdurchdringung der Elektromobilität bedarf es Anreizsysteme des Staates. Im Gegensatz zu Frankreich beispielsweise wird es sie in Deutschland vorerst nicht geben. Eine Fehlentscheidung?

Visser: Noch hat die Bundesregierung nicht entschieden. Aber wenn der Staat will, dass die Technologie schnell vorankommt, wird es sicherlich gewisser Anreize bedürfen. Es gibt da vielfältige Möglichkeiten.

«Absatzziel steht unvermindert bei 1,2 Millionen»

WM-Sondermodell des Opel Corsa Opel

Autogazette: Ursprünglich hatte der Konzern für 2010 mit einem weltweiten Absatz von 1,2 Millionen Autos kalkuliert, bevor Nick Reilly nur noch von einer Million Autos sprach und damit für Unverständnis beim Betriebsrat sorgte. Wo steht denn nun das Absatzziel?

Visser: Nick Reilly wurde falsch zitiert. Unser Ziel für 2010 steht unvermindert bei 1,2 Millionen Fahrzeugen. Trotz der negativen Entwicklung auf dem deutschen Markt entwickelt sich der europäische Markt leicht zu unseren Gunsten.

Autogazette: Betriebsratschef Klaus Franz kann sich vorstellen, dass die Marke im Jahr 2015 weltweit zwei Millionen Autos verkauft. Ein realistisches Ziel?

Visser: Jedes Unternehmen braucht Visionen. Da sich Opel zu einer globalen Marke entwickeln will, schauen wir uns derzeit in allen Ländern der Welt ganz genau an, welche Potenziale es für uns gibt.

Das Interview mit Alain Visser führte Frank Mertens

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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