Opel-Vertriebschef Alfred E. Rieck will das Markenprofil des Autobauers schärfen. «Eines unserer Hauptprobleme ist, dass viele Menschen noch ein Bild von Opel haben, das von der Vergangenheit bestimmt ist», sagte der Manager der Autogazette.
Opel-Vertriebsvorstand Alfred E. Rieck hat einen massiven Markteintritt des Autobauers in China ausgeschlossen. «Für uns hat China derzeit für das Wachstum unserer Marke nicht die oberste Priorität. Trotzdem wollen wir in der Nische als deutsche Traditions- und Qualitätsmarke auch in China weiter wachsen», sagte Rieck im Interview mit der Autogazette. «Unsere Modelle – wie Astra und Insignia – laufen zudem unter dem Logo unserer Schwestermarke Buick in China; das sichert Jobs in unserem Rüsselsheimer Entwicklungszentrum.»
«Exportieren dorthin, wo wir Geld verdienen können»
Das Export-Geschäft solle in Zukunft indes ausgebaut werden. Dabei gäbe es auch keine Restriktionen seitens des Mutterkonzerns GM. «Um es vielleicht einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: GM verbietet es uns keineswegs, auch außerhalb Europas aktiv zu sein. Wir exportieren überall dorthin, wo wir Geld verdienen können.»
So sei man in diesem Jahr nach Chile, Israel und Australien gegangen. «Doch was wir nicht tun werden, ist auf jeden Zug aufzuspringen, der gerade in den Bahnhof einläuft. Wir werden perspektivisch jene Export-Märkte besetzen, die für Volumen und Profitabilität interessant sind.»
«Ich bin hier, um Probleme zu lösen»
Autogazette: Herr Rieck, Sie haben den Job als Opel-Vertriebsvorstand mitten in der Krise angetreten. Haben Sie Ihre Entscheidung schon bereut, von VW zu Opel gewechselt zu sein?
Alfred E. Rieck: Keine einzige Sekunde. Ich bin stolz, ein Mitglied des neu formierten Führungsteams zu sein. Dieses Team wird die 150 Jahre alte Qualitätsmarke Opel wieder nachhaltig zurück auf die Erfolgsspur bringen. Ich bin hier, um Probleme zu erkennen, anzupacken und zu lösen.
Autogazette: Dann lassen Sie uns über die Probleme reden, die Sie erkannt haben.
Rieck: Eines unserer Hauptprobleme ist, dass viele Menschen noch ein Bild von Opel haben, das von der Vergangenheit bestimmt ist. Unsere Aufgabe ist es, den Kunden zu vermitteln, wofür die Marke Opel steht. Da herrscht Nachholbedarf.
Autogazette: Ihr Problem sind nicht die Modelle, sondern das Marken-Image?
Rieck: Die Marke Opel hat einen hohen Bekanntheitsgrad. Ich weiß nicht, ob Marken-Image die richtige Umschreibung ist. Es geht vielmehr um die Markenprofilierung. Darauf müssen wir uns konzentrieren. Wenn wir von Nachholbedarf sprechen, sprechen wir primär vom Heimatmarkt Deutschland. In Großbritannien sind wir die am schnellsten wachsende Marke im Privatkundengeschäft; in Russland wachsen wir doppelt so schnell wie der Markt. Dort stimmt das Image, das Profil.
«Sind bewusst aus dem Vermietgeschäft ausgeschieden»
Autogazette: Wie erklären Sie sich dann, dass Opel in der EU mit einem Absatzminus von über 15 Prozent konfrontiert ist? So gut sieht es außerhalb Deutschlands mit dem Image doch nicht aus.
Rieck: Der Eindruck täuscht. Es gibt Faktoren beim Absatz, die auf bewusste Entscheidungen unsererseits zurückgehen. Wir machen in Europa nicht all das mit, was im Markt passiert. Ich verweise auf eine Vielzahl von taktischen Maßnahmen, die andere Hersteller nur machen, um ihren Absatz künstlich hochzuschrauben, um so der Marktschwäche zu begegnen.
Autogazette: Nämlich?
Rieck: Wir sind in diesem Jahr aus bestimmten Segmenten herausgegangen, weil sie nicht profitabel sind. Wenn man sich dafür entscheidet, hat das automatisch Auswirkungen auf den Marktanteil und das Volumen.
Autogazette: Aus welchen Segmenten ist Opel denn ausgeschieden?
Rieck: Wir sind bewusst aus dem Vermietgeschäft ausgestiegen. Wir sind auch aus Segmenten mit dem Dienstleistungsgewerbe herausgegangen. Was weniger sinnvoll ist, setzen wir nicht fort. Wenn man so vorgeht wie wir, bleibt das nicht ohne Auswirkungen auf Marktanteil und Volumen.
Autogazette: Opel-Vize Thomas Sedran ließ unlängst wissen, dass er Opel zurück in die Champions League führen möchte. Wo spielen Sie denn jetzt, in der zweiten Liga?
Rieck: Opel spielt ganz klar in der Bundesliga. Opel/Vauxhall ist schon heute die drittstärkste Marke in Europa (Anm. der Redaktion: nach VW und Ford) und ebenfalls die drittstärkste Marke innerhalb des GM-Konzerns – nach Chevrolet und Wuling. Eines ist mir wichtig zu erwähnen: In der Vergangenheit ist versucht worden, von heute auf morgen eine Neupositionierung der Marke vorzunehmen. In der Folge fanden die traditionellen Kunden nicht zurück zur Marke, die sie geliebt haben; und die neuen Kunden waren noch nicht bereit, sich einen Opel zu kaufen. Damit saß Opel etwas zwischen den Stühlen. Das werden wir ändern.
«China hat nicht oberste Priorität»
Autogazette: Opel kann seine Modelle aufgrund von Restriktionen der Konzernmutter GM größtenteils nur in Europa absetzen. Wie wollen Sie es vor diesem Hintergrund schaffen, die Absatzeinbrüche in Europa auszugleichen?
Rieck: Glauben Sie doch bitte nicht das Märchen von der bösen amerikanischen Mutter. Wir sind in diesem Jahr nach Chile, Israel und Australien gegangen. Wir wachsen in Russland doppelt so schnell wie der Markt. Doch was wir nicht tun werden, ist auf jeden Zug aufzuspringen, der gerade in den Bahnhof einläuft. Wir werden perspektivisch jene Export-Märkte besetzen, die für Volumen und Profitabilität interessant sind.
Autogazette: Ihr früherer Arbeitgeber VW hat per August in China 1,74 Millionen Autos abgesetzt, Opel gerade einmal 5000. Doch perspektivisch planen Sie keinen einen massiven Markteintritt in China. Warum nicht?
Rieck: Sie vergleichen hier Äpfel mit Birnen – die Zahlen des VW-Gesamtkonzerns mit all seinen Marken mit jenen der einzelnen Marke Opel. Außerdem hat unser geschätzter Wettbewerber diese Absatzzahlen auch nicht über Nacht erreicht. Das ist das Ergebnis einer Entwicklung von 20 Jahren. Für uns hat China derzeit für das Wachstum unserer Marke nicht die oberste Priorität. Trotzdem wollen wir in der Nische als deutsche Traditions- und Qualitätsmarke auch in China weiter wachsen. Unsere Modelle – wie Astra und Insignia – laufen zudem unter dem Logo unserer Schwestermarke Buick in China; das sichert Jobs in unserem Rüsselsheimer Entwicklungszentrum.
Autogazette: Können Sie in Märkten wie Israel, Chile und Australien überhaupt nennenswerte Stückzahlen machen?
Rieck: Das sind die ersten Schritte einer Langfrist-Strategie, um Exportmärkte für uns zu entdecken und zu öffnen. Wir haben einen Plan und wir investieren in neue Produkte wie den Mokka und den Adam. Das sind Autos, die in Wachstumssegmenten unterwegs sein werden. Um es vielleicht einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: GM verbietet es uns keineswegs, auch außerhalb Europas aktiv zu sein. Wir exportieren überall dort hin, wo wir Geld verdienen können.
«Werden erneut mehr als eine Million Autos verkaufen»
Autogazette: In Europa konnten Sie im Vorjahr 1,2 Millionen Fahrzeuge absetzen. Ist in diesem Jahr überhaupt die Million zu schaffen?
Rieck: Ja, wir werden auch in diesem Jahr erneut mehr als eine Million Fahrzeuge verkaufen.
Autogazette: Wenn wir über wichtige Märkte reden: Ist Russland dann Ihr China?
Rieck: Russland ist der Wachstumsmarkt, auf den wir uns konzentrieren. Der Markt ist im Kommen, die Volumenentwicklung ist positiv, unsere Positionierung und unser Image sind sehr positiv.
Autogazette: Wir sieht Ihre Absatzplanung in Russland aus, wo Opel in 2011 über 67.000 Fahrzeuge verkauft hat?
Rieck: Wir sind zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr dort mehr als 80.000 Autos verkaufen können. Wir sehen aber durchaus Tendenzen, dass es auch mehr werden können.
Autogazette: Ist Russland partiell in der Lage, die Verluste in Europa auszugleichen?
Rieck: Keine Frage: Russland hilft uns, die Marktschwäche in West-Europa auszugleichen.
«SUV-Markt ist in Russland ganz wichtiges Segment»
Autogazette: Welches Modell ist für Russland besonders wichtig?
Rieck: Der Opel Mokka, der dieser Tage in Deutschland in den Handel kommt. Der SUV-Markt ist in Russland ein ganz wichtiges Segment. Bislang wurde der SUV-Markt in Russland über Luxusmodelle definiert, doch das ändert sich gerade. Entsprechend versprechen wir uns viel vom Mokka. Russland wird Prognosen zufolge bis zum Jahr 2014 mit bis zu 3,4 Millionen Zulassungen zum Hauptmarkt Europas aufsteigen. Auch mit der neuen viertürigen Astra-Limousine haben wir ein weiteres hervorragendes Angebot für diesen Wachstumsmarkt.
Autogazette: Ist der Mokka neben dem Adam, den Sie auf dem Autosalon Paris präsentiert haben, der Hoffnungsträger für die Marke?
Rieck: Jedes neue Auto ist ein Hoffnungsträger. Mit dem Mokka und dem Adam haben wir zwei tolle Autos im Angebot, die in Wachstumssegmenten positioniert sind, in denen wir bislang nicht vertreten waren. Die dritte starke Neuheit in kürzester Zeit wird unser neues Cabrio Cascada sein, das wir schon Ende des ersten Quartals 2013 in den Markt bringen.
«Adam wird Marke weiter emotionalisieren»
Autogazette: Mit 11.500 Euro haben Sie den Adam attraktiv eingepreist. Wie schauen Ihre Absatz-Planungen für das erste volle Jahr aus?
Rieck: Der Verkaufsstart ist gerade erst erfolgt, entsprechend kann ich keine seriösen Zahlen nennen. Ich bin aber hoffnungsvoll, dass der Adam genauso gut ankommt wie der Mokka. Der Adam hat auf jeden Fall das Potenzial, neue Kunden zur Marke zu bringen und vor allem wird er die Marke weiter emotionalisieren.
Autogazette: In Deutschland liegen Sie gerade bei einem Marktanteil von knapp über sieben Prozent. Wann ist Opel wieder eine 10-Prozent-Marke?
Rieck: Wenn wir diese sieben Prozent genau analysieren und uns die einzelnen Segmente anschauen, dann kommt man auf einen Segmentanteil von 13 Prozent. Wir werden Schritt für Schritt wachsen. Dazu wird auch unsere neue Kampagne mit der Geld-zurück-Garantie beitragen, bei der die Kunden 30 Tage ohne Risiko ein Modell ausprobieren können. Das ist ein selbstbewusstes Statement, aber wir haben allen Grund für dieses Selbstbewusstsein. Unabhängige Experten attestieren uns: Die Opel-Produktpalette ist so gut wie nie zuvor. Und sie wird noch besser.
Autogazette: Opel versteht sich als grüne Marke, hat eine Vielzahl von Spritsparmodellen im Angebot. Überrascht es Sie, dass deutschlandweit die Nachfrage nach Erdgasfahrzeugen so gering ist?
Rieck: Was mich viel mehr überrascht, ist der Umstand, dass das Segment bei der Elektromobilität nicht wächst. Aber in diesem Segment sind wir mit dem Opel Ampera in ganz Europa führend. Hier haben wir die richtige Technologie im Angebot. Beim Thema Erdgas müssen wir die Vorteile dieser Antriebsform unseren Kunden offensichtlich noch besser vermitteln. Insgesamt sind wir auf einem guten Weg: In den vergangenen acht Jahren haben wir den durchschnittlichen Flottenverbrauch um 16 Prozent gesenkt. EcoFlex heißen bei Opel jene Varianten einer Baureihe, die besonders verbrauchsgünstig sind. Bis 2016 werden wir nicht nur 23 neue oder aufgefrischte Modelle auf den Markt bringen, sondern auch 13 neue Motoren. Damit werden wir uns noch wettbewerbsfähiger aufstellen.
Das Interview mit Alfred E. Rieck führte Frank Mertens