Beim Autobauer Opel fanden am Montag Razzien statt. Es geht um Betrugsermittlungen im Zusammenhang mit Diesel-Abgasen. Opel verwahrte sich am Abend gegen die Vorwürfe.
Ermittler durchsuchten mehrere Stunden lang wegen möglichen Betrugs Geschäftsräume in Rüsselsheim und Kaiserslautern. Laut dem Bundesverkehrsministerium gibt es zudem einen amtlichen Rückruf für rund 100.000 Autos der Typen Insignia, Cascada und Zafira. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) habe Anfang 2018 bei den fraglichen Opel-Modellen eine weitere Abschalteinrichtung der Abgasreinigung entdeckt, erklärte in Berlin ein Sprecher von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Diese werde vom Bundesamt als unzulässig eingestuft.
Wie schon in den Verfahren zuvor habe Opel die dazu eingeleitete Anhörung mit immer neuen technischen Argumenten zeitlich verschleppt. „Der amtliche Rückruf der betroffenen rund 100.000 Fahrzeuge steht nunmehr kurz bevor“, hieß es aus dem Ministerium. Zuvor hatte es schon ähnliche Razzien bei Marken des VW -Konzerns und bei BMW gegeben – mit einem Schwerpunkt auf verdächtigen Abweichungen von Abgaswerten zwischen Messungen auf Prüfständen und im Straßenbetrieb.
Opel weist Vorwürfe zurück
Opel wies am Montagabend die Vorwürfe entschieden zurück, unzulässige Abschalteinrichtungen zu verwenden. „Opel-Fahrzeuge entsprechen den geltenden Vorschriften. Das hat Opel auch in dem laufenden Anhörungsverfahren gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) dargelegt. Dieses Anhörungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Es wird von Opel nicht verschleppt. Sollte eine Anordnung ergehen, wird sich Opel dagegen rechtlich zur Wehr setzen“, heißt es in der Stellungnahme des Unternehmens.
Laut „bild.de“ geht es im Fall Opel um Euro-6-Dieselwagen der Modelle Insignia, Zafira und Cascada. Die Ermittler hegen einen Anfangsverdacht des Betruges, weil die damalige General-Motors-Tochter Opel möglicherweise Dieselfahrzeuge mit manipulierter Abgas-Software in den Verkehr gebracht habe, erklärte die Frankfurter Oberstaatsanwältin Nadja Niesen.
In den Autos arbeitet ein Steuerprogramm, das die zusätzliche Stickoxid-Reinigung der Abgase etwa bei hohen Drehzahlen und in einem breiten Bereich von Außentemperaturen herunterregelt. Opel hat die Technik stets verteidigt, weil sie notwendig für den Schutz von Motorbauteilen sei und den Vorschriften entsprochen habe. Es sei nicht darum gegangen, Prüftechnik auszutricksen.
Schon länger Gegenstand der Prüfung
Die Opel-Modelle sind schon länger Gegenstand von Prüfungen des KBA in Flensburg, auf dessen Strafanzeige die aktuellen Durchsuchungen zurückgehen. Laut Ministerium hatte die Behörde die Frankfurter Strafverfolger bereits im April über die neuen Erkenntnisse zu Abschalteinrichtungen informiert. 2017 hatte die Staatsanwaltschaft ein erstes Ermittlungsverfahren eingestellt. Damals sei es um andere Autos und Vorwürfe gegangen, sagte Niesen.
Opel hatte betroffenen Kunden freiwillige Software-Updates angeboten, dazu aber keine Fallzahlen genannt. Der Sprecher Scheuers nannte eine Quote von nur rund 70 Prozent, die ebenfalls auf eine Verschleppung durch Opel zurückzuführen sei. Wie Opel hierzu mitteilte, habe man für die Diesel-Modelle Zafira Tourer mit 2.0 Liter und 1.6 Liter, den Cascada und Insignia mit 2.0 Liter-Motor der Baujahre 2013-2016 zwischen Februar 2017 und April 2018 Serviceaktionen gestartet. „Ein früherer Beginn war nicht möglich, weil die erforderliche Freigabe durch das KBA nicht früher erteilt worden war“, so Opel. In Deutschland seien ursprünglich rund 31.200 Fahrzeuge betroffen gewesen. Davon seien mehr als 22.000 im Rahmen der Serviceaktion umgerüstet worden, „so dass nur noch weniger als 9.200 Fahrzeuge von dem heute vom Ministerium angekündigten Rückruf betroffen wären.“
Die von der Bundesregierung geforderten Hardware-Nachrüstungen lehnt das Unternehmen weiterhin ab, weil diese „ökonomisch nicht sinnvoll und technologisch nicht ausgereift“ seien. Andere Autobauer sehen das ebenfalls so. „Wir glauben nicht, dass Nachrüstungen funktionieren“, hatte der Chef des Opel-Mutterkonzerns PSA, Carlos Tavares, jüngst auf der Pariser Automesse erklärt.
Ende der Dieselförderung gefordert
Die Umweltorganisation Greenpeace verlangte ein Ende der staatlichen Diesel-Förderung. „Es gibt keinerlei Rechtfertigung mehr, einen schmutzigen Antrieb weiterhin schönzureden und mit mehr als 7 Milliarden Euro im Jahr zu subventionieren“, erklärte Verkehrsexperte Benjamin Stephan. „Die Diesel-Privilegien gehören umgehend abgeschafft. Die dadurch frei werdenden Mittel werden gebraucht, um die längst überfällige Verkehrswende anzuschieben.“
Beamte des hessischen Landeskriminalamtes und der Polizei hatten im Auftrag der Frankfurter Staatsanwaltschaft Geschäftsräume des Autobauers am Stammsitz Rüsselsheim und im Komponentenwerk Kaiserslautern durchsucht. Im Juli hatte das Bundesverkehrsministerium eine „amtliche Anhörung gegen Opel“ wegen drei Fahrzeugmodellen bestätigt. Als Grund wurde ebenfalls der Verdacht von Software-Manipulationen bei der Abgasreinigung genannt.
Motorschutz als Grund für Abschalteinrichtung
Autobauer begründen Abschalteinrichtungen mit dem sogenannten Motorschutz vor allem bei Kälte oder Hitze. Bei vielen Modellen gibt es aber Zweifel daran, ob dies wirklich so weitgehend notwendig ist. Die fraglichen Opel-Katalysatoren sollen schon bei Außentemperaturen unterhalb von 18 Grad Celsius in ihrer Wirkung nachgelassen haben. Wenn die Abgasreinigung nicht richtig arbeitet, stoßen Diesel mehr gesundheitsschädliche Stickoxide aus. Da Luft-Grenzwerte in vielen Städten überschritten sind, drohen Fahrverbote für Dieselwagen. In Hamburg gibt es sie bereits auf zwei Streckenabschnitten; in Stuttgart, Frankfurt und Berlin stehen Verbote bevor.
Im Kern geht es um die Frage, wie wirksam die Abgasreinigung bei bestimmten Fahrzeugen ist, in welchen Bereichen diese voll zum Einsatz kommt und ob sie damit zulässig ist. Bei Autos mit auffälligen Emissionen hatte das KBA bereits 2016 Nachbesserungen angeordnet. Betroffen waren insgesamt 630.000 Wagen verschiedener Hersteller – darunter 90.000 von Opel. (dpa)