«Müssen alte Stinker von der Straße bringen»

Hans Demant fordert für die Marktdurchdringung alternativer Antriebe mehr Unterstützung von der Politik. «Man kann nicht ständig die Automobilindustrie an den Pranger stellen und selbst untätig bleiben», sagte der Opel-Chef der Autogazette.

Opel-Chef Hans H. Demant hat Forderungen nach dem Bau eines Presswerkes für das Werk Eisenach eine Absage erteilt. «Eisenach hängt an der Komponentenversorgung von Zaragoza. Das macht das Werk sehr flexibel. So nebenbei 100 Millionen Euro für ein Presswerk auszugeben, macht keinen Sinn», sagte Demant im Interview mit der Autogazette.

Corsa Hybrid kommt 2012

Mit Blick auf die Marktdurchdringung alternativer Antriebe wünscht sich Demant mehr Unterstützung der Politik. «Man kann nicht ständig die Automobilindustrie an den Pranger stellen und selbst untätig bleiben. Wir brauchen Verkehrsleitsysteme, die den Verkehr im Fluss halten.» Für das Jahr 2012 kündigte Demant zudem den Marktstart des Opel Corsa Hybrid an, der auf 100 km nur 3,5 Liter verbraucht.

«Wünsche mir mehr Vertrauen»

Der Opel Corsa Hybrid Foto: Opel

Autogazette: Herr Demant, EU-Umweltkommissar Dimas hatte pünktlich zum Start der IAA der Autoindustrie mit Strafzahlungen gedroht, sollte sie bis 2012 nicht den EU-Grenzwert von 120 Gramm pro Kilometer erreichen. Braucht es solcher Aussagen, damit sich die Hersteller ihrer umweltpolitischen Verantwortung stellen?

Hans H. Demant: Nein, sicherlich nicht. Die Autoindustrie hat in den vergangenen Jahren eine Menge getan, um den Verbrauch zu senken. Denn wenn wir über C02 reden, reden wir über den Verbrauch eines Fahrzeuges. Wenn Sie sich den bei den Fahrzeugen von Opel/Vauxhall anschauen, dann brauchen wir uns nicht zu verstecken. Wir haben eine klare, weit umfassende Strategie und ein klares Commitment, umweltfreundliche Automobile zu bauen.

Autogazette: Den EU-Grenzwert von 120 Gramm sehen Sie also als realistisch an?

Demant: Ich kann nicht für die komplette Industrie, sondern nur für Opel reden. Wir sind ganz optimistisch, diesen Wert zu erreichen, obwohl das nicht einfach wird. Die neuen Technologien werden Geld kosten - und aus der Vergangenheit wissen wir, dass der Kunde nicht bereit war, dafür zu bezahlen.

Autogazette: Umweltverbände werfen der Autoindustrie vor, sie habe auf der IAA eine Klimashow veranstaltet, weil von den vorgestellten Fahrzeugen nur eine verschwindend geringe Stückzahl auf die Straßen kommt. Das ist ein nicht unberechtigter Vorwurf.

Demant: Ich kann das nicht nachvollziehen. Die Autoindustrie investiert Milliarden in die Entwicklung neuer verbrauchsgünstiger Technologien. Insbesondere GM und Opel sind da ganz vorne mit dabei. Was wir bisher versprochen haben, haben wir am Ende auch gehalten. Das wird auch in Zukunft so sein. Ich wünsche mir von daher mehr Vertrauen in die Autoindustrie.

«Es gibt nicht die Technologielösung»

Der HydroGen4 von GM Foto: GM

Autogazette: Auf welche Technologien setzen Sie primär, um die Verbräuche zu reduzieren?

Demant: Es gibt nicht die Technologielösung, die künftig alles abdeckt. Zunächst werden wir weiter konsequent unsere Benzin- und Dieselmotoren optimieren. Wir werden den Ansatz der Hubraumverkleinerung ganz intensiv verfolgen. Wir werden neue Getriebetechnologien entwickeln, wir werden über Gewichts- und Reibungsreduzierung reden. Alle diese Maßnahmen stehen im Focus.

Autogazette: Und was ist mit den alternativen Kraftstoffen?

Demant: Natürlich spielen auch die eine wichtige Rolle in unseren Planungen. Opel ist Pionier in der Erdgasfahrzeug-Entwicklung und einer der Marktführer in diesem Segment. Wir werden das Thema Bioethanol weiter vorantreiben und auch am Biodiesel als Kraftstoff arbeiten wir, obwohl hier noch einiges an Entwicklungsarbeit zu leisten ist.

Autogazette: ...daneben zeigen Sie auf Ihrem Stand das E-Flex-Konzept, hinter dem unter anderem ein Elektrofahrzeug steht...

Demant: ...ja, und in den USA sind wir dabei, große Volumen an Hybriden in den Markt einzuführen, die auch für den europäischen Markt zur Verfügung stehen. Alle diese Umwelttechnologien werden bei Opel unter der Eco-Flex- Linie laufen, mit der wir spezielle Modelle anbieten, die besonders verbrauchsgünstig sind. Ich bin gespannt, wie die Kunden jetzt reagieren. Wie Sie wissen, hatten wir bereits vor einigen Jahren Eco-Modelle mit besonders günstigen Verbräuchen auf dem Markt, die wir damals zum gleichen Preis wie das Basismodell angeboten hatten. Da sie jedoch von den Kunden nicht angenommen wurden, mussten wir die Fahrzeuge nach einem Jahr wieder vom Markt nehmen.

Mehr Support seitens der Politik

Der 1.3 CDTI Opel Corsa Ec-Flex Foto: dpa

Autogazette: Welche Erwartungshaltung haben Sie mit Blick auf die Marktdurchdringung alternativer Antriebe von der Politik?

Demant: Ich wünsche mir mehr Unterstützung. Man kann nicht ständig die Automobilindustrie an den Pranger stellen und selbst untätig bleiben. Wir brauchen Verkehrsleitsysteme, die den Verkehr im Fluss halten. Wir reden immer von den Verbrauchswerten der Neuwagenflotten, doch kaum jemand über den Altfahrzeugbestand. Die Autos in Deutschland haben inzwischen ein Durchschnittsalter von 8,1 Jahren, europaweit liegen wir damit weit hinten. Der beste Weg, den C02-Ausstoß zu reduzieren, liegt darin, die alten Stinker von den Straßen zu bringen. Wir sind aktiv geworden, haben neben unserer Eco-Flex-Kampagne auch eine subventionierte Verschrottungsaktion gestartet. Über diese Kampagne konnten wir bereits 20.000 alte Fahrzeuge aus dem Markt nehmen. Damit kann man nicht nur die Wirtschaft ankurbeln, sondern auch der Umwelt was Gutes tun.

Autogazette: Es ist geplant, in jeder Modellreihe ein Eco-Flex-Fahrzeug anzubieten. Bis wann soll das geschehen?

Demant: Mit jedem neuen Modell, das auf die Straße kommt, wird es auch ein Eco-Flex-Modell geben. Den Anfang macht der Opel Corsa 1.3 CDTI. Den Ausbau der anderen Baureihen werden wir im kommenden Jahr in Angriff nehmen.

Autogazette: Welche Zukunft hat für Sie der Diesel mit Blick auf die Stickoxide?

Demant: Wir werden die Euro 5 und auch die Euro 6 schaffen. Ich glaube, dass der Diesel mit Blick auf die Reduktion der Stickoxide noch nicht am Ende seiner Entwicklung ist. Der Diesel hat nach wie vor Vorteile. Ich unterstütze die Meinung fast aller meiner Entwicklungskollegen, dass ein Hybrid nicht die beste aller Lösungen ist. Der kostet mehr in der Anschaffung und funktioniert nur dann wirklich gut, wenn er steht, nämlich im Stau.

Wenn ich einen Motor indes aus- und wieder anschalte, kann man schon bis zu 50 Prozent des Vorteils des Hybrid wettmachen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Hybride machen in bestimmten Fahrzyklen und Fahrzeugsegmenten Sinn, wir haben selber welche im Angebot, doch letztlich speichern sie nur Energie in eine Batterie zu Zeiten, in der sie die Energie nicht benötigen. Der Hybrid bietet in der Stadt emissionsfreies oder emissionsreduziertes Fahren. Dafür emittiert er außerhalb der Stadt entsprechend mehr. Wir sind daran interessiert, den CO2-Ausstoß in Gänze zu reduzieren.

«Aus dem Auspuff kommt Wasser»

Der Opel Flextreme Foto: Press-Inform

Autogazette: Wenn der Hybrid für Sie nicht die beste Lösung ist, wie schaut es dann mit Wasserstoff aus, für dessen Herstellung ein hoher Energieaufwand notwendig ist?

Demant: Wenn man sich vergegenwärtigt, wie viel Wasserstoff in der chemischen Industrie als Abfallprodukt anfällt, einfach verheizt oder abfackelt wird, und diese Mengen speichern würde, könnten wir allein in Deutschland 20.000 Autos betreiben, die pro Jahr damit 15.000 bis 20.000 km fahren könnten. Die Frage ist, wie wird der Wasserstoff gespeichert und in ein entsprechendes Netzwerk gespeist. Fakt ist: Bei der Verwendung von Wasserstoff als Energiequelle kommt aus dem Auspuff nur Wasser. Wenn wir uns diesem Thema intensiv annehmen, können wir eines Tages unsere Autos unabhängig vom Erdöl bewegen.

Autogazette: GM startet noch in diesem Jahr eine Testphase mit dem HydroGen4, der von einer wasserstoffbasierten Brennstoffzelle angetrieben wird. Wann wird das Fahrzeug in Serie gehen können, 2010?

Demant: Die Fahrzeuge werden bereits in Mainz-Kastell aufgebaut und Anfang nächsten Jahres fertig gestellt. GM wird 100 Fahrzeuge in Kundenhand geben, 90 davon gehen in die USA und zehn nach Berlin. In Berlin läuft bereits seit zwei Jahren ein Wasserstoffauto, der Hydrogen3, der bei Ikea im Einsatz ist. Mit diesem Auto haben wir im Alltag sehr positive Erfahrungen gemacht. Derzeit ist die Wasserstofftechnologie jedoch noch nicht zu Kosten darstellbar, um sie an größere Kundenkreise weitergeben zu können.

Autogazette: Wird Wasserstoff den normalen Verbrennungsmotor ersetzen können?

Demant: Davon gehe ich heute nicht aus. Wir werden in absehbarer Zeit jedoch Wasserstofffahrzeuge im Markt haben, die funktionieren. Technisch ist ein solches Fahrzeug eher darstellbar als kostenseitig.

Autogazette: Auf der IAA stand ein Corsa Hybrid, der gerade einmal 3,5 Liter verbrauchen soll. Wann kommt er auf den Markt.

Demant: Das Fahrzeug kann Anfang der nächsten Dekade auf den Markt kommen, also ab 2012.

«Bin von Zahlen nicht begeistert»

Corsa GSI Foto: Werk

Autogazette: In den ersten acht Monaten des Jahres konnte Opel auf dem deutschen Markt nur 187.303 Fahrzeuge verkaufen, das sind 13 Prozent weniger als im Vorjahr. Beunruhigen Sie diese Zahlen?

Demant: Ich bin von diesen Zahlen natürlich nicht begeistert, da der deutsche Markt für uns ein sehr wichtiger Markt ist. Doch so wie uns geht es auch anderen Wettbewerbern. Der Privatkäufer ist mit dem Autokauf zurückhaltend, weil die Politik keine klaren Zeichen setzt.

Autogazette: Doch wieso ist Opel so stark eingebrochen?

Demant: Es liegt schlicht daran, dass wir im Gegensatz zu Mitkonkurrenten weniger Tageszulassungen tätigen. Zudem haben wir uns beim Flottengeschäft neu aufgestellt. Es gibt auf dem Markt Firmen, die haben ihren Rückgang im Privatkundengeschäft durch Eigenzulassungen ergänzt.

Autogazette: Derzeit liegt der Marktanteil von Opel bei neun Prozent. Was würde Sie am Ende des Jahres zufrieden stellen?

Demant: Mich stellt am Ende des Jahres nie ein Marktanteil zufrieden, weil man letztlich immer noch etwas mehr hätte machen können.

Autogazette: Ist Opel nicht eine Zehn-Prozent-Marke?

Demant: Mit Blick auf Gesamteuropa ist Opel eine wachsende Marke. Was mich stört, ist der Rückgang auf dem deutschen Markt. Aber Sie können mir glauben - wir arbeiten mit Hochdruck an diesem Thema.

Autogazette: Neben schlechten Absatzzahlen droht Ihnen offenbar eine Klage des Gesamtbetriebsrates und der IG Metall, weil sie eine Schäumerei mit 20 Mitarbeitern auslagern wollen. Bleibt es bei diesem Schritt?

Demant: Das ist überhaupt kein Thema. Ich weiß überhaupt nicht, woher es herkommt.

Autogazette: Es wird also nicht ausgelagert?

Demant: Wir arbeiten im Management seit einiger Zeit daran, Opel fit zu machen für die Zukunft und wir werden nicht aufhören, Opel noch besser aufzustellen, um eine langfristige Konkurrenzfähigkeit zu erzeugen. Das Thema Schäumerei wurde dabei bisher nicht diskutiert.

«Gespräche mit Betriebsrat»

Fertigung im Werk Eisenach Foto: dpa

Autogazette: Der Zukunftsvertrag sieht vor, dass Ihre Mitarbeiter statt der vereinbarten 70 Prozent wieder 100 Prozent Weihnachtsgeld erhalten, sollte das Unternehmen die Gewinnzone erreichen. Können sich Ihre Mitarbeiter zu Weihnachten über mehr Geld freuen?

Demant: Wir werden im Oktober anfangen, mit dem Betriebsrat über dieses Thema zu verhandeln. Wir werden diese Verhandlungen intern führen, erst dann die Öffentlichkeit informieren.

Autogazette: Der Gesamtbetriebsrat fordert von Ihnen Investitionen für das Opel-Werk Eisenach. Geht es nach den Gewerkschaftlern, dann soll dort ein Presswerk für 90 Millionen Euro errichtet werden. Was halten Sie von dieser Forderung?

Demant: Eisenach hängt an der Komponentenversorgung von Zaragoza. Das macht das Werk sehr flexibel. So nebenbei 100 Millionen Euro für ein Presswerk auszugeben, macht keinen Sinn. Unter Kostengesichtspunkten ist es unverständlich, sich mit einer solchen Summe belasten zu wollen, obwohl man über genügend Presskapazitäten in der Welt verfügt.

Autogazette: Unter Kostengesichtspunkten macht es also mehr Sinn, die Karosserieteile weiter aus Zaragoza zu beziehen?

Demant: Aus Kostengründen und unter Qualitätsaspekten. Die Qualität, die wir in Zaragoza produzieren, kann in Eisenach problemlos verbaut werden, weil die Komponenten identisch sind. Wenn sie ein separates Presswerk in Eisenach hätten, müssten sie die Innenraumteile entsprechend anpassen. Dies bedeutet einen zusätzlichen Loop in der Produktion. Beide Werke auf einem Niveau zu halten, würde zu Ineffizienzen führen. Ein Presswerk in Eisenach müsste auf den dortigen Modellmix und die Kapazitäten ausgerichtet werden. Und das birgt für ein Werk dieser Größe hohe Risiken, die Flexibilität schwindet und mit der Änderung des Modellmixes kann man dann schnell ohne Produktion dastehen. Derzeit ist Eisenach sehr flexibel aufgestellt, produziert den drei- und fünftürigen Corsa. Sollte es nötig werden, könnte in Eisenach sogar der Astra gebaut werden.

Das Interview mit Hans H. Demant führte Frank Mertens

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