Stelldichein der alten Autowelt in Genf

Innovationen Mangelware

Stelldichein der alten Autowelt in Genf
Der Ferrari 488 GTB startet im September. © Ferrari

Wo sind die großen Innovationen? Auf dem Autosalon in Genf werden sie nicht zu sehen sein. Hier präsentiert sich die alte Autowelt. Sie wird sich aber auch in diesem Jahr über Wachstum freuen können. Doch wie lange noch?

Wenn der Genfer Autosalon am Donnerstag offiziell seine Toren öffnet, dann erwartet den Zuschauer am Lac Leman nichts wirklich Neues. Die Autohersteller zeigen ihre aktuellsten Modelle, schönes Design, viel PS, etliche Plug-in-Hybride, aber Innovationen sind Fehlanzeige.

Apple und Google bleiben fern

Während Unternehmen wie Google mit seinen autonom fahrenden Autos und zuletzt Apple mit den Plänen für den Bau eines Elektroautos, dem iCar, für Schlagzeilen sorgten, haben sie die Reise in die Schweiz gar nicht erst angetreten.

Was die IT-Giganten mit Blick auf das vernetztes Auto – neben dem autonomen Fahren das Zukunftsthema der Branche schlechthin – wurde auf der Consumer Electronic Show (CES) Anfang des Jahres in Las Vegas gezeigt. In Genf trifft sich nun die alte Autowelt.

Treffen der konventionellen Autowelt

Der Aston Martin Vulcan soll nur 24 Mal aufgelegt werden.
In Genf ist PS statt Nachhaltigkeit Trumpf Aston Martin

Sie hat zwar ebenso wie Mercedes, Audi oder auch BMW bei den selbstfahrenden Autos einiges zu bieten, wie die Stuttgarter zuletzt mit dem Forschungsfahrzeug F 015 oder die Ingolstädter mit ihrer autonomen Fahrt über 900 Kilometer von Stanford nach Las Vegas zeigten – aber auf dem Autosalon ist das nicht das vorherrschende Thema. „Am Lac Leman trifft sich die konventionelle Autowelt. Inspiratives, das die Neuerfindung des Autos – besser gesagt der individuellen Mobilität antreibt – und den bekannten, alten Mustern und Strukturen neue Impulse verleihen könnte – fehlt. Das ist bedauerlich“, sagt der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen.

So zeigt Mercedes beispielsweise die C-Klasse mit Plug-in-Hybrid oder seinen CLA Shooting Brake, Aston Martin enthüllt den 750 PS starken Vulcan oder Ferrari den 488 GT mit 660 PS. Eine Nummer kleiner geht es bei Ford mit dem Focus RS mit 315 PS und bei Opel mit dem Corsa OPC weiter. Und die PS-Huberei könnte noch weiter gehen.

Opel zeigt Kleinstwagen Karl

Der Opel Karl bietet trotz geringer Größe viel Platz
Der Karl soll den Absatz von Opel weiter ankurbeln Opel

Abseits davon zeigt Opel den Kleinstwagen Karl, mit dem die GM-Tochter ihren Absatz in diesem Boom-Segment weiter steigern will, wie Deutschland-Vertriebschef Jürgen Keller gerade im Interview mit der Autogazette gesagt hat. Bei Skoda wird der Superb präsentiert, mit dem die VW-Tochter in der Mittelklasse wieder einmal für eine Ansage sorgt und Renault wartet mit dem Kompakt-SUV Kadjar auf.

Bei Europas größtem Autobauer VW, der seine Neuheiten wie gewohnt am Vorabend des ersten Pressetages am heutigen Montag zeigt, gibt es neben den Premieren der Konzerntöchter wie dem Audi Prologue Avant oder dem neuen Supersportwagen R8 auch den überarbeiteten VW Touran zu sehen. Man sieht, es ist Standardware.

Dudenhöffer erwartet Absatzsteigerung

Der neue Audi R8 kommt dieses Jahr auf den Markt.
Audi bringt den neuen Supersportwagen R8 Audi

Damit liefert der Autosalon einen Vorgeschmack auf das Autojahr 2015. Es wird geprägt „durch billigen Kraftstoff und für die europäischen Autobauer einen abgewerteten Euro“, so Dudenhöffer. Angesichts der Nullzins-Politik der Europäischen Zentralbank wird dies für die europäischen Hersteller und Zulieferer zu hohen Exportgewinnen führen, ist sich der Autoexperte sicher. Einzig der Einbruch des Russland-Geschäfts aufgrund der Ukraine-Krise trübt ein wenig die Aussichten.

Dennoch wird der Autoabsatz steigen – gerade auch wegen der Standardware, denn E-Autos sind nach wie vor ein Ladenhüter. Dudenhöffer erwartet dann auch nach 12,12 Millionen abgesetzten Pkw im Vorjahr für 2015 einen Anstieg von 3,7 Prozent auf 12,87 Millionen Einheiten.

Weltweiter Automarkt wächst

Einen Positiv-Trend sieht der Wissenschaftler auch für das weltweite Autogeschäft. Hier erwartet er einen Zuwachs von drei Prozent auf 76,1 Millionen Einheiten. Für diesen Anstieg sorgen insbesondere Länder wie Nordamerika und Asien, hier insbesondere China. „Die Welt-Pkw-Industrie bleibt trotz aller Krisen in Russland und Risiken über die Entwicklung der EU-Finanzverfassung eine klassische Wachstumsbranche“, stellt Dudenhöffer fest. Für China erwartet der Autoexperte dann mit 19,61 Millionen Pkw auch ein Wachstum von 6,8 Prozent.

Angesichts dieser Wachstumschancen könnte man fast meinen, die Autobauer liegen mit ihrer Produktstrategie richtig, in Genf die alte Autowelt zu präsentieren. Doch das dürfte ein Trugschluss sein, denn die derzeit niedrigen Kraftstoffpreise sind nicht mehr als eine Momentaufnahme. Es steht fest: zukünftig werden sie aufgrund der Endlichkeit fossiler Energie nur eine Richtung kennen – nämlich die nach oben. Wer das erkennt, der wird auch in naher Zukunft zu den Erfolgreichen zählen.

Für Dudenhöffer steht dann auch so gut wie fest, dass das Auto der Zukunft möglicherweise eher im Silicon Valley in den USA oder in der chinesischen Hauptstadt Peking seine Heimat haben wird. „Europa und Deutschland fahren bei dem großen Thema automatisiertes Fahren hinterher.“ So etwas wird man bei Audi und Co. nicht gern hören – und vor allem natürlich ganz anders sehen. (AG/FM)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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