Von der Verdopplung einer Legende

Mythos Ferrari: Seit Jahren streiten sich ein Museum und ein Sammler darum, wessen Le-Mans-Wagen der echte ist. Beide Wagen tragen die gleiche Seriennummer.

Von Carola Frentzen

Als Graham Hill und Jo Bonnier im Jahr 1964 beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans den zweiten Platz errangen, war die Welt für ihren roten Ferrari 330 P noch in Ordnung. Der Wagen, mit dem auch Ludovico Scarfiotti zahlreiche WM-Punkte holte, gehört zu den Rennwagen, die den Mythos des Rennstalls aus Maranello begründet haben. Aber wer sich den legendären Boliden mit den aufregenden Rundungen heute anschauen will, der muss sich entscheiden. Denn heute gibt es zwei Exemplare. Beide weisen sogar die gleiche Fahrgestellnummer auf.

«0818» existiert zweimal

Einer der Wagen steht im Ferrari-Museum Maranello Rosso in San Marino, der andere in der Garage eines österreichischen Sammlers. Und beide Eigentümer behaupten, das Original zu besitzen. «Das Mysterium der identischen Ferraris, einer ist eine Fälschung», titelte sogar die Zeitung Corriere della Sera».

Seit inzwischen acht Jahren streiten sich Ferrari und der Österreicher Egon Hofer darum, wer im Besitz des echten Graham-Hill-Wagens ist. Nun sollen Sachverständige das Rätsel lösen - auf Anweisung eines Gerichts aus dem norditalienischen Modena. «Schließlich ist der Wagen heute mindestens eine Million Euro wert», bemerkt ein Beobachter. «Zwei wunderschöne Stiefschwestern, identisch - oder fast», umschrieb ein Journalist das Dilemma.

Von den Ferraris 330 P sollte es eigentlich nur drei auf der Welt geben: Einen mit der Karosserienummer 0820, der sich in den USA befindet, einen mit der Nummer 0822, der in Frankreich steht und den mit der Nummer 0818, um den es in dem Streit geht.

Beide Historien angeblich dokumentiert

«Wir haben unser Auto von einem Signor Violati gekauft, der es auf einer Versteigerung des FBI erstanden hatte, nachdem es von einem Drogenhändler beschlagnahmt worden war», erklärt Sandra Lodi, die Chefin des Ferrari-Museums. «Wir kennen die ganze Geschichte.»

Aber auch Hofer hat Argumente: Er hält dagegen, er habe seinen Ferrari bereits 1967 gekauft und verfüge über die gesamte Dokumentation, die die Echtheit des Models beweise. Trotzdem ist er skeptisch, ob er sich im Streit durchsetzen kann, vor allem deshalb, weil der Hersteller auf der anderen Seite steht: «In Maranello haben die doch eh schon entschieden, dass ihr Ferrari authentisch ist und meiner falsch», sagt er. «Ich lade die Gutachter ein, auf meine Kosten nach Salzburg zu kommen und die nötigen Analysen durchzuführen.»

Vom Grund des Meeres auferstanden

Dabei ist die magische Verdopplung des Rennwagen keine ungewöhnliche Sache: Bei Hochpreis-Klassikern, zu denen der Ferrari ganz sicher gehört, kommt es immer wieder vor, dass Blechkünstler Fälschungen erstellen. Als Basis dienen Chassis und Technik ähnlicher Modelle, «echte» Fahrgestellnummern werden recherchiert, der erzielbare Preis macht auch hohen handwerklichen Aufwand lohnend. Nicht nur Zwillinge sind auf diese Weise schon entstanden - auch Wagen tauchten wieder auf, die definitiv schon vor Jahren zu Schrott gefahren wurden, oder die sich nach einem Schiffsunglück eigentlich auf dem Grund des Meeres befinden müssten. Dem Magazin «Oldtimer Markt» gelang es einst sogar, auf das Gelände einer norditalienischen Fälscherwerkstatt vorzudringen, in der automobile Raritäten fast schon in Kleinserie gefertigt wurden.

Im Fall der zwei Ferraris wäre auch denkbar, dass jemand aus dem Unfallwrack des Originalwagens einfach zwei neue Autos gemacht hat, die jeweils zum Teil aus Originalteilen bestehen. «Eigentlich muss man heute nur ganz genau darauf achten, wie die Nummern in die Karosserie, den Motor und das Getriebe gestanzt sind, die Zahlen müssen sich immer in einer ganz bestimmten Position befinden», erklärt Gianni Rogliatti, einer der renommiertesten Ferrari- Experten Italiens. «Wenn die Analysen richtig durchgeführt werden, kommt am Ende ganz sicher heraus, welches Auto gefälscht ist.» (dpa)

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