Vom «Butterklumpen» zum «Cremeschnittchen»

Mit dem Renault 4 CV begann vor gut 60 Jahren die Massenmotorisierung in Frankreich. Zunächst mit Skepsis betrachtet wurden bis 1961 über 1,1 Millionen Einheiten vom «Katschewo» verkauft.

Mit einem «Cremeschnittchen» begann in Frankreich das automobile Zeitalter nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein Jahr vor dem Markstart der legendären «Ente» bereitet Renault mit dem 4 CV schon die Massenmotorisierung im Nachbarland vor. Dabei stand der «quattre Chevaux» («Katschewo»), benannt nach den so genannten Steuer-PS, schon vor seiner Welt-Premiere auf dem Pariser Autosalon 1946 gleich mehrmals vor dem Aus.

Zwei Mal vor dem Aus bewahrt

Zum einen untersagte die deutsche Zwangsverwaltung schon während des Krieges jegliche Neuentwicklungen, zum anderen wollte die französische Regierung, die am 27. September 1944 die Leitung von Renault unternahm, das Unternehmen als reinen Nutzfahrzeugproduzenten ausbauen. Zwei Männern ist es zu verdanken, dass der «Katschewo» eineinhalb Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bereits vorgestellt wurde.

1942 ließ Louis Renault heimlich den Kleinwagen im Renault-Werk in Billancourt konzipieren, 1944 setzte sich Pierre Lefaucheux für den Bau des Kleinwagens ein. Dabei musste der von der Regierung eingesetzte Firmen-Präsident auch interne Widerstände brechen. Denn seine Kollegen wollten lieber eine großen 11 CV-Limousine bauen, um mehr Geld zu verdienen. Lefaucheux jedoch wollte eine breite Käuferschicht gewinnen, um das Image der Marke aufzubauen. Als Kompromiss wurde aus dem zweitürigen Prototypen ein Viertürer.

Vom «Butterklumpen» zur «Cremeschnitte»

Auch als Cabrio unterwegs Foto: Renault

Auch das Publikum auf dem Autosalon tat sich zunächst schwer mit dem 3,61 Meter langen Vorserienwagen. Sie erwarteten Luxus und Eleganz statt eines gelben Kleinwagens, der sich stark von dem in schwarz geprägten Markt absetzte. Aufgrund seiner Form und Farbe wurde der 4 CV schnell als «La Motte de Beurre», als «kleiner Butterklumpen» oder «Cremeschnittchen», bezeichnet.

Ein Jahr später beseitigt der 4 CV mit einem 17 PS-starken Heckmotor die Zweifler. Der Kleinwagen mit der langen Schnauze und den breiten Kotflügeln wird schnell als vollwertiges Auto anerkannt. Im Innenraum haben alle Personen Platz, das Reserverad wird senkrecht im Kofferraum vorne platziert. Der Urahn der Renault-Kleinwagen kommt mit seinem Drei-Gang-Getriebe auf 90 km/h und verbraucht sechs Liter auf 100 km/h.

Bis zu 18 Monate Wartezeit

Mit dem Hubschrauber über Paris Foto: Renault

Schon kurz nach dem Verkaufsstart im Herbst 1946 fungiert der «Katschewo» als Begleitfahrzeug bei der Tour de France und erfreut sich steter Beliebtheit. Bis zu 18 Monate dauern die Lieferfristen. 1954 wird der 500.000. 4 CV ausgeliefert. Zu diesem Zeitpunkt laufen schon verschiedene Varianten des Basismodells, unter anderem als Cabrio und als Nutzfahrzeug, von den Bändern.

Zudem führt Renault ein neues Finanzierungsmodell ein, den «4 CV Sparkredit», einem Vorläufer des heutigen Leasings. Innerhalb von 25 Monaten kann der Wagen abbezahlt werden, nach dem neunten Monat geht er aber schon offiziell in den Besitz des Käufers über. Damit wurde der «Butterklumpen» besonders für Arbeiter und Familienväter erschwinglich. Als Werbung für die neue Finanzierungsform wurde der 4 CV an einen Hubschrauber gehängt und über Paris geflogen.

Klassensieger bei der Monte

Einsatz bei der Mille Miglia Foto: Renault

Neben dem Einsatz im Alltag feiert der 4 CV auch im Motorsport Erfolge. Nicht nur, dass bei der Rallye Monte Carlo 1949, bei den 24 Stunden von Le Mans 1951 oder auf der Mille Miglia ein Jahr später Klassensiege herausspringen, der 4 CV dient auch als technische Basis für den Renault Alpine.

Und auch im Ausland ist der «Katschewo» aktiv. Die Auslieferung erfolgt in England, Belgien und Spanien. Zudem haben ehemalige amerikanische Soldaten Freude gefunden. Bis zu 3200 Mal pro Monat wird der Kleinwagen bestellt. Doch erst ab 1956 wird der 4 CV über den Teich exportiert, weil auch die neu gebaute «Dauphine» in den USA Einzug hält.

Nachfolger führt Erfolg weiter

Puristisch eingerichteter Innenraum Foto: Renault

Ein Jahr später das Modell überarbeitet und kommt nun mit 21 PS auf rund 100 km/h bei jetzt nur noch 5,7 Liter auf 100 Kilometern. Ende 1958 läutet dann das einmillionste Modell auch das Ende der Ära 4 CV ein. Nach 1.105.543 ist am 6. Juli 1961 das Ende des «Cremeschnittchens» besiegelt, um Platz für den noch erfolgreicheren Nachfolger zu schaffen. Der Renault 4 wurde insgesamt über acht Millionen Mal verkauft, allerdings in 31 Jahren Produktionszeit. (AG)

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