Mercedes SL: Vom Renn- zum Traumwagen

Die neue Generation der SL-Klasse kündigt sich an. Fast 60 Jahre faszinieren die Nachfolger der «Silberpfeile» das Herz jedes Autonarren. Dabei half Mercedes ein Außenstehender, das Traumauto in Serie zu geben.

Von Thomas Flehmer

Der Zweite Weltkrieg war seit über sechs Jahren Geschichte, Deutschland bereitete sich auf das Wirtschaftswunder vor. Die ersten Autorennen fanden wieder statt. Mit dem Argentinier Juan Manuel Fangio gewann ein Alfa-Fahrer den ersten Grand Prix der Nachkriegszeit. Von den legendären «Silberpfeilen», die vor dem Weltkrieg für Respekt sorgten, fürchtete sich kein Konkurrent mehr. Doch der 15. Juni 1951 sollte zum Wendetag für Mercedes werden.

Vergleichsweise komfortabel

An diesem Tag beschloss der Vorstand in Stuttgart-Untertürkheim die Rückkehr in den Motorsport und beendete damit eine elfjährige Pause. Da die «Silberpfeile» im Altenteil blieben, musste ein konkurrenzfähiger Ersatz her. Der Serienmotor des berühmten «Dreihunderter» stand zur Verfügung. Um ihn herum baute Chefkonstrukteur Rudolf Uhlenhaut den 300 SL - die Geburtsstunde eines Traumwagens, der auch 57 Jahre später noch viele (oder alle) Autoliebhaber verzücken lässt.

Uhlenhaut verpackte das Triebwerk in einer Alukarosserie mit einem nur 50 Kilogramm leichten Gitterrohrrahmen. Neun Monate später trat der 300 SL seinen Siegeszug an, ausgestattet mit einem bis zu 180 PS-starken Sechszylinder, der schräg eingebaut wurde. «Zudem war der 300 SL für einen Rennwagen sehr komfortabel eingerichtet», sagt Peter Spieth, Leiter des Mercedes-Benz Classic Centers.

Flügeltüren als Markenzeichen

Mercedes 300 SL Panamericana von 1952 Foto: Daimler

Besonderes Kennzeichen des auf Langstrecken ausgelegten Rennwagens waren die Flügeltüren. Bei der Mille Miglia feierte der 300 SL Premiere mit einem zweiten Platz dank Werksfahrer Karl Kling. Danach folgten eindrucksvolle Siege: Der «Preis von Bern» war der erste Triumph der Nachkriegszeit. Übertroffen wurde er von den Erfolgen beim 24 Stunden-Rennen von Le Mans, wo gleich ein Doppelsieg gelang, und dem Vierfach-Triumph beim Sportwagen-Rennen auf dem Nürburgring.

Noch beeindruckender war der Triumph auf der 3300 Kilometer langen Carrera Panamericana im November 1952. In Mexiko siegte das Werksteam, obwohl ein Geier bei Tempo 250 durch die Windschutzscheibe ins Innere drang. Nach einer Behandlungspause wurde das Rennen fortgesetzt und der Zielstrich als erster passiert.

Anstoß aus den USA

Für damalige Zeiten sehr nobel: der Innenraum Foto: Daimler

Den wichtigsten Sieg aber feierte Mercedes erst nach dem Traditionsrennen. Der in den USA lebende Österreicher Max Hoffmann wollte den SL in Stuttgart kaufen. Rund 1000 Fahrzeuge könne er in Nordamerika verkaufen. In Untertürkheim fiel der Vorstand aus allen Wolken. Eine Serienversion war gar nicht geplant gewesen. Ein Nachfolger des ersten 300 SL war bereits gebaut worden, erstmals sogar als Benzin-Direkteinspritzer. Aber das war nur ein Prototyp und allenfalls für die Rennstrecke, aber doch nicht für die Straße. Doch Hoffmanns Argumente überzeugten.

So feierte die Straßenversion des 300 SL am 6. Februar 1954 auf der Internationalen Motorshow in New York ihre Weltpremiere. Schon allein der Ort verdeutlichte, wo der Hauptabsatzmarkt des Sportlich Leichten (SL) liegen sollte - in Amerika. Von 1954 bis 1957 wurde 1400 Stück des 215 PS-starken Boliden verkauft - der Traumwagen war Wirklichkeit geworden.

Drei Jahre später verschwanden die Flügeltüren zu Gunsten eines begehrten Roadsters mit Hardtop. Doch auch die Coupéversion gelangte zu Ehren und wurde mit dem Titel «Sportwagen des Jahrhunderts» bedacht. Bis 1963 wurden 1858 Stück verkauft, ab 1961 erstmals mit Scheibenbremsen. Blieben die Dreihunderter zunächst einem exklusiven Kreis Prominenter und Neureicher vorbehalten, die rund 29.000 Deutsche Mark für den Zweisitzer anlegen mussten, so begann ab 1963 mit der dritten Generation der Ausstieg aus der Kleinserie.

Enorm lange Laufzeit

Der Mercedes 280 SL Pagode Foto: Daimler

Zum ersten Mal wurde der 300 SL gesplittet. Der Einstieg begann nun mit dem 230 SL über den 250 SL bis zum 280 SL. Einen Dreihunderter gab es nicht mehr. Dafür erhielt der intern als W 113 bezeichnete Sportwagen eine eigentümliche Dachkonstruktion, die der Volksmund «Pagode» nannte, die insgesamt 48.912 Liebhaber fand.

Einen weiteren Höhepunkt hat aber die vierte Generation bis zum heutigen Tage gesetzt. «Der intern als R 107 bezeichnete SL weist mit 18 Jahren die längste Produktionszeit aller Mercedes-Personenwagen auf», sagt Spieth. Dank der breiten Palette vom 280 SL bis zum 560 SL konnte jeder der 237.287 Käufer sein passendes Modell heraussuchen. Es war zudem die erste Generation, die einen Achtzylinder im Programm hatte.

Ganze zwölf Jahre dauerte die kommende Modellreihe, die dann mit dem SL 600 gar einen Zwölfzylinder anbot, der 394 Pferdestärken sein eigen nannte. Im Vergleich war die Palette von 1989 bis 2001 gar noch erfolgreicher als der Vorgänger. Zwar kauften «nur» 204.940 Begeisterte den Wagen, doch das Angebot galt halt auch nur zwölf, anstatt 18 Jahre.

Enormer Wertzuwachs

Die aktuelle Ausgabe des SL Foto: AG/Flehmer

Gar als noch erfolgreicher entpuppte sich die aktuelle Generation. In den vergangenen sechs Jahren entschieden sich rund 140.000 Autofahrer für ihren Traumwagen. Als Geldanlage werden die meisten ihren SL dabei nicht mehr betrachten. Dafür gibt es mittlerweile zu viele.

Wer aber noch einen Flügeltürer in der Garage stehen hat, sollte ihn weiter pflegen. Die damals gezahlten 29.000 Deutschen Mark haben sich in den vergangenen 53 Jahren vervielfacht. Ein 300 SL der ersten Generation erzielt aktuell Preise bis zu 620.000 Euro. Und das ist für die meisten ein Traum.


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