«Ökobilanz von Bioethanol nicht berauschend»

Interview mit Guido Reinhardt vom Ifeu Heidelberg

Guido Reinhardt spricht sich für ein Umdenken bei der Biokraftstoff-Strategie aus. So müsse beim Biosprit solange auf die Bremse getreten werden, bis er nachhaltig produziert werden könne, sagte der Wissenschaftler im Interview mit der Autogazette.

Nach dem Aus der Biosprit-Verordnung fordert Guido Reinhardt vom Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) in Heidelberg ein Umdenken bei der Biokraftstoffstrategie. «Bei den Biokraftstoffen sollte zunächst auf die Bremse getreten werden und zwar solange, bis gewährleistet ist, dass sie nachhaltig produziert werden», sagte Reinhardt im Interview mit der Autogazette.

Schlecht Ökobilanz

Wie Reinhardt sagte, der Fachbereichsleiter für nachwachsende Rohstoffe am Ifeu ist, müsse darüber hinaus entschieden werden, «wie viel und welche Biomassen wir zukünftig nachhaltig in den Sektoren Verkehr, Energie, Industrie und Chemie nutzen wollen». Mit Blick auf Bioethanol stellte der Wissenschaftler fest, dass dessen «Ökobilanz nicht besonders berauschend» sei. Allerdings müsse man sich deshalb nicht grundsätzlich vom Biosprit verabschieden. «Mit bestimmten Biokraftstoffen lassen sich durchaus Klimagase und fossile Energien einsparen. Aber eben nicht mit allen und es gibt auch ökologische Nachteile wie verstärkten Sauren Regen. Insgesamt ist die Nutzung von Biomasse vorzuziehen.»

«Biospritstrategie in Frage stellen»

Autogazette: In der vergangenen Woche wurde die sogenannte Biosprit-Verordnung gekippt. Damit bleibt vorerst alles wie es ist. Benzin wird weiter nur fünf statt zehn Prozent Bioethanolanteil enthalten, der Sprit wird nicht teurer, Autofahrer müssen keine Schäden an ihren Fahrzeugen befürchten und auch dem Klima ist geholfen. Ist Biosprit nun generell am Ende?

Guido Reinhardt: Sicherlich nicht, denn das war ja nur ein kleiner Baustein der Biokraftstoffstrategie. Andererseits ist durchaus zu hinterfragen, wie nachhaltig der ein und andere Biokraftstoff wirklich ist. Und da nicht alle wirklich nachhaltig sind, muss auch die Biokraftstoffstrategie in Frage gestellt werden.

Autogazette: Was ist aus ökologischer Sicht überhaupt von Bioethanol, insbesondere von E85, zu halten?

Reinhardt: Die Ökobilanz von Bioethanol ist nicht besonders berauschend. Dabei ist es aber egal, ob Bioethanol zu 85 Prozent oder in anderen Mischungen eingesetzt wird.

Autogazette: Das klingt, als wäre es ökologisch sinnvoller, sich völlig von dem Biosprit zu verabschieden …

«Biomasse vorziehen»

Reinhardt: Mit bestimmten Biokraftstoffen lassen sich durchaus Klimagase und fossile Energien einsparen. Aber eben nicht mit allen und es gibt auch ökologische Nachteile wie verstärkten Sauren Regen. Insgesamt ist die Nutzung von Biomasse vorzuziehen.

Autogazette: Die Autoindustrie wollte knapp acht Prozent ihres Ziels zur Senkung des Kohlendioxid-Ausstoßes mit Biosprit-Sprit erreichen. Glauben Sie, dass sie dies nun kompensieren kann? Gibt es Alternativen?

Reinhardt: Na, klar! Die deutsche Automobilindustrie kann verbrauchsarme Fahrzeuge bauen. Aber will das der Verbraucher? Die Industrie produziert doch das, was nachgefragt wird.

Autogazette: Der Verband der deutschen Automobilindustrie spricht inzwischen bereits vom Biokraftstoff der zweiten Generation. Was ist das?

Reinhardt: Das sind zum Beispiel aus Holz oder Stroh gewonnene Biokraftstoffe, die heute noch nicht am Markt sind.

«Keine Konkurrenz zum Nahrungsmittelbau»

Autogazette: Wo liegen die Vorteile?

Reinhardt: Erstens ist die für die Produktion erforderliche Biomasse in sehr großen Mengen vorhanden. Zweitens steht dieser Grundstoff nicht in Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau. Und außerdem können einige dieser Biokraftstoffe der zweiten Generation als sogenannte synthetische Kraftstoffe derart hergestellt werden, dass sie bessere Kraftstoffeigenschaften als die herkömmlichen Kraftstoffe haben. Und damit weniger Schadstoffe emittieren.

Autogazette: Wann wird der Kraftstoff in relevanten Mengen zum Einsatz kommen können?

Reinhardt: Da muss man sich noch einige Jahre gedulden. Unserer Einschätzung nach wird das nicht vor 2020 geschehen. Denn dazu bedarf es sehr großer, praktisch milliardenschwerer Bioraffinerien.

«Auf die Bremse treten»

Autogazette: Wie steht es eigentlich um den Biodiesel. Derzeit hält die Bundesregierung daran fest, dem herkömmlichen Dieselöl ab 2009 sieben statt fünf Prozent Biodiesel beizumischen. Ist das noch gerechtfertigt?

Reinhardt: Das muss die Politik entscheiden und auch die Automobilindustrie dafür ihr Plazet erteilen, denn sieben Prozent Beimischung sind außerhalb der DIN-Norm. Da die Ökobilanz von Biodiesel von vielem abhängt, und es keineswegs unerheblich ist, ob er aus einheimischem Raps oder aus brasilianischem Sojaöl gewonnen wird, für das tropischer Regenwald gerodet wurde, empfehlen wir auch in diesem Punkt, die Biokraftstoffstrategie neu zu überdenken und so anzupassen, dass der Einsatz von Biokraftstoffen zukünftig wirklich nachhaltig ist.

Autogazette: Das heißt?

Reinhardt: Bei den Biokraftstoffen sollte zunächst auf die Bremse getreten werden und zwar solange, bis gewährleistet ist, dass sie nachhaltig produziert werden. Darüber hinaus muss insbesondere aber darüber entschieden werden, wie viel und welche Biomassen wir zukünftig nachhaltig in den Sektoren Verkehr, Energie, Industrie und Chemie nutzen wollen.

Das Interview mit Guido Reinhardt führte Jochen Knoblach

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