Niu hat sich als noch junges Startup gleich an die Spitze der Elektroroller gesetzt. Der N1S sorgt nicht nur für ein reines Gewissen, sondern zudem auch noch für eine Portion Fahrfreude – wenn die Distanz nicht zu lang ist.
Von Thomas Flehmer
Es ist die Ruhe, die viele Menschen mit diversen Konfusionen zurücklässt. Dass ein Roller fast lautlos an Fußgängern vorbeizieht, ist für viele Verkehrsteilnehmer immer noch ein exotisches Ereignis. Sie erwarten Krach machende Zweiräder mit dem nervigen Timbre eines Rasenmähers. Doch der Niu N1S bewegt sich lautlos durch die Stadt. Denn der Roller fährt mit Strom statt mit Öl.
Erkennbar ist das an dem fehlenden Auspuff, der ansonsten auch für die Musik sorgt. Das gerade einmal 90 Kilogramm wiegende Leichtgewicht verteilt dafür ein Neuntel seines Gewichtes auf das 29 AH-Akkupack, das zudem schnell herausgenommen werden kann, um im Büro oder daheim aufgeladen zu werden.
Niu N1S in sechs Stunden aufgeladen
Doch der N1S besitzt auch die Möglichkeit, direkt an die Steckdose angeschlossen zu werden, was den Ladevorgang vereinfacht. Nach gut sechs Stunden ist der Elektroroller aufgeladen und die Fahrt kann beginnen. Mit 70 Kilometern haben die Chinesen die Reichweite angegeben, doch die wird nur erreicht, wenn im ersten von drei Fahrmodi die Fahrt abgespult wird, die dann höchstens mit 18 Stundenkilometern absolviert werden kann.
Doch so richtig Spaß macht der Niu im höchsten Modus, in dem 45 Sachen drin sind – in der Realität zeigte die digitale Anzeige auch 49 km/h an. 22 Kilometer sind es von daheim ins Büro. Die Krux daran ist, dass die ersten 16 Kilometer aus der eher ländlichen Gegend im Norden Berlins über lange Straßen ohne Ampeln absolviert wird, sodass der Roller fast ständig am höchsten Limit gehalten wird und eine Rekuperation unmöglich macht – auch wenn die Rekuperation beim Niu eh recht gering ausfällt.
Ab 15 Prozent im Notprogramm
Nach den 16 Kilometern hat die Kraft bereits um 31 Prozent abgenommen, auf den nächsten sechs Kilometern im urbanen Verkehr kommen weitere zehn Prozent Akkuleistung hinzu, sodass 59 Prozent für die Rückfahrt bleiben, da der Roller während der Arbeitszeit nicht aufgeladen werden kann aufgrund fehlender Infrastruktur.
So geht es also ein wenig mulmig zurück. Auf dem letzten Kilometer schaltet der Niu bei 16 Prozent Restreichweite auf das Notprogramm um, sodass er nur noch 15, 16 km/h fährt. Zum Glück waren nicht viele Fußgänger und Radfahrer auf der Straße, die ihre Freude gehabt hätten. Am Ende standen 47 Kilometer zu Buche, die der Roller problemlos zurückgelegt hatte.
120 Newtonmeter für den schnellen Start
Und auf diesen 47 Kilometern bereitete der N1S sehr viel Fahrfreude. Die fast geräuschlose Fahrt macht auch dem Fahrer Spaß, die 120 Newtonmeter des mit Bosch gemeinsam entwickelten Motors, die beim Ampelstart sofort bereitstehen, sorgen bei so manch einem Auto- oder Rollerfahrer mit Rasenmähermotor für Stirnrunzeln – auch für diese Verkehrsteilnehmer ist ein Elektroroller noch immer etwas Exotisches. Doch genauso schnell wie der kleine Roller auf seine Höchstgeschwindigkeit kommt, genauso schnell wird er vom nachfolgenden Verkehr wieder eingeholt. Ein Verkehrshindernis ist er aber nicht und kann durch seine Leichtigkeit auch sehr agil durch den Stadtverkehr pilotiert werden – hier machen sich die Vorzüge eines Rollers ganz deutlich bemerkbar.
Aufpassen muss der Fahrer auf die am Straßenrand haltenden Fahrzeuge, denen Fahrer oder Beifahrer entsteigen. Diese hören beim Ausstieg zunächst auf Motorengeräusche. Und die kann der Niu nicht bieten. Bevor dann die jeweilige Person verschreckt ins Auto zurückspringt, hilft ein kurzer Druck auf das Signalhorn, um die Situation von vornherein zu entschärfen.
Warten auf die Infrastruktur
Natürlich darf die Vernetzung nicht fehlen – schon gar nicht bei innovativen Exoten. So ist der N1S immer mit der Niu Cloud verbunden und Informationen über das Smartphone abrufbar. Neben der verbleibenden Reichweite oder dem Ladestand meldet sich das Phone auch, wenn der Roller unautorisiert bewegt wird. Und auch der Weg des Diebes wird aufgezeigt, sodass ein Diebstahl nicht ungeahndet bleibt.
Somit kann der jeweilige Besitzer beruhigt sein, die 2699 Euro, die für den Kauf abgegeben werden mussten, gut angelegt zu haben. Zwar sind Roller mit Rasenmähermotor günstiger, doch der Elektrozwerg bereitet nicht nur Fahrfreude, sondern verschafft einem selbst den grünen Daumen dank emissionsfreier Fahrten durch die Stadt, wenn der richtige Strom getankt wird. Und sollte einmal die Infrastruktur optimiert werden, sind auch Reichweitenängste ausgestanden.