Nissan: 25.000 Kilometer autonom durch England

Pilotprojekt evolv D

Nissan: 25.000 Kilometer autonom durch England
Nissan hat in London autonomes Fahren getestet und in England 25.000 Kilometer zurückgelegt. © Nissan

Autonomes Fahren war lange ein Boom-Thema. Doch das fahrerlose Fahrzeug ist weiter Zukunftsmusik. Nissan hat nun ein Pilotprojekt beendet.

Teure und aufwendige Pilot-Projekte zum automatisierten und hochautomatisierten Fahren gab es und gibt es reichlich. So ziemlich jeder Hersteller tüftelt daran, und auch die gesetzlichen Grundlagen nehmen längst Fahrt auf. Als weltweit erstes Land hatte Deutschland bereits im Mai 2021 in Bundestag und Bundesrat einem Gesetz zugestimmt, nachdem „autonome Fahrzeuge ohne physisch anwesende Fahrer am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen können“. Größere Technologiesprünge finden seitdem allerdings weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Bei der Weiterentwicklung der komplexen Regel- und Fahrsysteme im Rahmen von Forschungsprojekten will man sich schon längst nicht mehr auf eine verbindliche Timeline festnageln lassen. Die Zeit der vollmundigen Ankündigungen ist vorbei. Dafür ist das Thema viel komplexer als Anfangs gedacht.

Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen USA und China

International scheinen sich die USA und China ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die technologische Führerschaft beim autonomen Fahren zu bieten. Nachdem GM Ende 2024 in Folge eines tödlichen Unfalles ihr zehn Milliarden US-Dollar teures Taxi-Projekt Cruise begrub, bleibt die Google-Schwester Waymo mit rund 250 autonomen Robotaxis in San Francisco die amerikanische Sperrspitze.

China soll derweil bereits in mehr als 30 Städten Lizenzen für autonomes Fahren erteilt haben. Haupttreiber ist der Suchmaschinen-Gigant Baidu. Unter dem Namen Apollo Go betreibt das Unternehmen hunderte fahrerloser Robotaxis, die größte Flotte mit über 400 Fahrzeugen ist in Wuhan unterwegs.

Ältere mobil halten

Der globale Wettbewerb um die Kommerzialisierung autonomer Fahrzeuge hat gerade erst begonnen. Auch Nissan will dabei in Zukunft ein gewichtiges Wörtchen mitreden. Nach Pilotprojekten in Japan und im kalifornischen Silicon Valley sollen 2027 erste vollautonome Mobilitätsdienste im Stadtteil Minato Mirai in Yokohama starten. Mit selbstfahrenden Bussen und Taxen plant Nippons Nummer drei die immer älter werdende Gesellschaft mobil zu halten und den Betrieb zu gewährleisten. Das Durchschnittsalter japanischer Taxifahrer beträgt mittlerweile 66 Jahre.

Wichtige Erkenntnisse liefert dabei ein aufwendiger Feldversuch, der in diesen Tagen in England endete. Acht Jahre lang hat Nissan die Herausforderungen des Inselreichs erkundet. Besonderes Augenmerk galt dabei den zahlreichen Kreisverkehren, die es so in Japan und den USA nicht gibt, sowie der eher forschen Fahrweise der Briten im Vergleich zu der höflichen Gangart der Japaner. Im Fokus standen ebenso die Bewährungsproben auf den engen, kurvenreichen Landstraßen bei hohen Geschwindigkeiten rund um Nissans Technical Center Europe in Crainfield sowie die komplexen Anforderungen im teilweise einspurigen innerstädtischen Bereich Londons.

Konsortium mit fünf Partnern

Das in zeitliche Abschnitte unterteilte Projekt evolv AD (Autobahn, Stadtzentrum, Wohngebiet, Landstraße) wurde von Nissan, einem Konsortium aus fünf Partnern sowie der britischen Regierung finanziert. Die auf dem elektrischen Leaf basierenden Prototypen waren mit 14 Kameras, zehn Radar- und sechs Lidar-Sensoren ausgestattet und erreichten Level 4 des autonomen Fahrens. Was bedeutet, dass sich kein Fahrer mehr zum Eingreifen bereithalten muss. Trotzdem saß zur Sicherheit bei allen Testfahrten stets ein Ingenieur hinterm Steuer. Für die Fahrten auf den Landstraßen wurde ein Testfahrzeug zusätzlich mit Brake- und Steer-by-wire-Technologie ausgestattet, was eine deutliche bessere Kontrolle des Grips sowie der Reaktionszeiten garantieren sollte.

Probleme bei Schlechtwetter

Insgesamt wurden nach Angaben von Nissan im Rahmen des Forschungsprojektes rund 25.000 Kilometer komplett autonom und ohne einen Unfall zurückgelegt. Erste Eindrücke vom Beifahrersitz aus unterstrichen, dass die Technik – zumindest in definierten Testzonen – nahezu fehlerfrei funktioniert. Das absolut sichere autonome Fahren bei Extremwetter wie starkem Schneefall oder bei kompletter Dunkelheit bleiben nach Angaben der Ingenieure noch eine große Herausforderung.

Bis hier technische Lösungen gefunden werden, die unter allen Bedingungen unfallfreies, vollautonomes Fahren garantieren, dürfte es noch viele Jahre dauern. Zudem sind weiterhin entscheidende gesetzliche Regularien ungeklärt und die Akzeptanz bei den Kunden ungewiss. Kein Wunder also, dass sich selbst die Fachleute von Nissan noch immer nicht auf einen Starttermin in Großserie festlegen wollen. 5 Jahre? 10 Jahre? 15 Jahre? Achselzucken! Hoffen wir nur, dass aus dem Traum vom fahrerlosen Auto kein Alptraum wird. (SP-X)

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