Sechs Modelle für das elektrische Premium-Segment in nicht einmal zwei Jahren: Die chinesische Marke Nio drückt mächtig aufs Tempo im deutschen Markt. Mit Erfolg?
Gerade hat sie auf mehreren zeitgleichen Veranstaltungen ihr Flaggschiff der Öffentlichkeit vorgestellt – ein luxuriöses SUV der Zweieinhalb-Tonnen-Klasse. Das Modell trägt die Bezeichnung EL8 und ist schon der Bezifferung wegen oberhalb des bereits nicht ganz kleinen Hochdach-Kombis EL7 zu verorten. Es soll, so hieß es auf der Präsentation in Berlin, von den Kunden als „mobiler Lebensraum“ wahrgenommen werden.
Dabei sind nach offiziellem Nio-Verständnis die Kunden gar keine Kunden, sondern „User“. Egal, ob Besitzer eines Fahrzeugs oder lediglich Nutzer der Nio-App und Markenfans, alle gehören nach dieser Lesart zur „Community“ und können mit der Firma interagieren. Wer deshalb in Nio eine Art automobiles Tik-Tok sieht, liegt sicher nicht ganz falsch.
Ottomane in zweiter Reihe
Vorschläge zur Weiterentwicklung der Produkte sind ausdrücklich erwünscht und nach Auskunft des Herstellers auch schon in das Modell EL8 eingeflossen. So empfahlen User mehr Isofix-Kindersitzbefestigungen (realisiert wurden vier) und eine Bestuhlung mit Mittelgang, so dass in der zweiten Reihe nun Einzelsitze montiert sind und den Passagieren einen leichteren Zugriff auf die dritte Reihe erlauben. Eine weitere Eigenheit der 2. Reihe ist die Ausstattung der Sessel, die als beheiz- und belüftbare Ottomanen mit ausfahrbarer Wadenauflage sowie Massage-Funktion besonders entspanntes Reisen versprechen.
Damit die auf der Langstrecke mitgeführten Erfrischungen die richtige Temperatur haben, ist eine Mittelkonsole mit Kühlschrank erhältlich. Selbst in der 3. Reihe können die Sitze beheizt werden. Umgeben sind die maximal sechs Insassen von umweltgerecht erzeugten Rattan-Oberflächen und Polsterbezügen aus Recycling-Material. Damit die Verwerfungen auf reparaturbedürftigen Straßen unterschwellig bleiben, wurden für das Luftfahrwerk neue Zweikammer-Dämpfer entwickelt.
Mehr als 500 km Reichweite
Um dem mächtigen Luxusliner auch ein angemessenes Temperament zu ermöglichen, haben die Nio-Entwickler nicht mit Leistung gegeizt. Zwei E-Maschinen geben ihre zusammen 480 kW (625 PS) an Vorder- und Hinterachse ab, die mit 22-Zoll-Felgen bestückt werden können. Im Idealfall soll die Fuhre in unter fünf Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h sprinten. An der Ladesäule kann der EL8 240 kW verarbeiten, so dass Ladestopps für die 100 kWh-Batterie nicht zu lange dauern. Die Reichweite einer Füllung wird mit 510 km angegeben.
Auch Nio bekommt gerade zu spüren, dass der deutsche Markt nicht gerade sehnsüchtig auf das Erscheinen der Marke gewartet hat. Die Neunzulassungen von E-Autos zwischen Januar und Mai sind hierzulande im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 16 Prozent zurückgegangen, hinzu kommt die aktuelle Diskussion um etwaige Strafzölle. Doch die Zuversicht ist ungebrochen. Vor allem die Tatsache, dass das Unternehmen als einziger Hersteller mit Wechsel-Akkus und –Stationen entlang der Hauptverkehrswege operiert, werde zum Erfolg der Marke beitragen, heißt es.
Ein gewisser finanzieller Spielraum ist so oder so für die Anschaffung eines EL8 unerlässlich. Das Standard-Modell ist für 94.900 Euro zu haben, für die Executive-Variante mit Kühlschrank und 100 kWh-Batterie gelten 108.900 Euro als Berechnungsgrundlage für die monatliche Leasingrate.