Motorradfahren: Keiner kommt um, alle kommen an

Neues Fahrsicherheitstraining

Motorradfahren: Keiner kommt um, alle kommen an
Motorradfahrer sollten vor der ersten Ausfahrt einige Tipps beachten. © DVR

Motorradfahren ist und bleibt eine gefährliche Angelegenheit. Um es nun sicherer zu machen hat der Deutsche Verkehrssicherheitsrat zusammen mit Partnern ein neues Trainingskonzept aufgelegt.

Ein neues Trainingskonzept soll Motorradfahren in Deutschland sicherer machen. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR), die Unfallforschung der Versicherer (UDV) und das Institut für angewandte Verkehrspädagogik (avp) entwickelten gemeinsam ein Fahrsicherheitstraining, das im realen Straßenverkehr stattfindet und damit sehr praxisbezogen ist.

In der Praxis getestet und für gut befunden wurde diese Trainingsform im Rahmen der "German-Safety-Tour 2010" mit zehn Trainingsterminen in ganz Deutschland. In diesem Jahr soll nun eine breite Öffentlichkeit in den Genuss dieser zweitägigen Trainings kommen, die unter anderem vom avp und den Automobilclubs ACE und ADAC zu Preisen von rund 200 Euro durchgeführt werden. Termine und Veranstaltungsorte finden sich ab Anfang Juli an im Internet unter: www.sicherheitstrainings-auf-der-strasse.de. "Das Sicherheitstraining auf der Straße ist aber kein Ersatz, sondern vielmehr Ergänzung zu den bekannten Trainings auf Verkehrsübungsplätzen", sagt Wolfgang Stern vom avp, der Motorradfahrer dazu ermuntert, jährlich ein Sicherheitstraining zu absolvieren.

Sicherheitsstrategie Vision Zero

Keiner kommt um, alle kommen an. So lautet das Ziel der Sicherheitsstrategie Vision Zero des DVR. Dagegen sprechen jedoch aktuelle Unfallzahlen. "Jeder dritte Motorradfahrer, der in Deutschland umkommt, stirbt allein durch eigene Fahrfehler", weiß UDV-Sprecher Siegfried Brockmann. Laut einer Statistik aus dem Jahr 2009 kamen 211 Motorradfahrer (rund 32 Prozent) bei einem Alleinunfall ums Leben. Weitere 439 Motorradfahrer starben bei Zusammenstößen mit einem oder mehreren anderen Fahrzeugen - und waren hier in 39 Prozent aller Fälle selbst schuld.

"Die unter Motorradfahrern gepflegte Aussage, dass die Autofahrer die Hauptschuld an solchen Unfällen tragen, stimmt also heute definitiv nicht mehr", sagt Brockmann und ergänzt "Und selbst in den Fällen, in denen Autofahrer Schuld hatten, macht das den Motorradfahrer nicht wieder lebendig." Dieser könne aber selbst durch vorausschauendes Fahren und eingeübte Sicherheitsstrategien möglicherweise Fehler anderer ausgleichen.
Genau hier setzt das Motorrad-Sicherheitstrainings auf der Straße an. "Wir wollen nicht nur Fertigkeiten vermitteln, sondern diese auch im realen Verkehr einüben", sagt Wolfgang Stern. Dabei sind die Übungsstationen stets so gewählt, dass die Sicherheit sowohl für Motorradfahrer wie auch für andere Verkehrsteilnehmer gewährleistet bleibt, war bei einer Demonstration des Konzeptes in Attendorn im Sauerland zu erleben.

Nach einer kurzen theoretischen Einführung in Fahrphysik und das Verhalten von Motorradfahrern in der Gruppe, geht es mit dem Trainer und maximal sieben Teilnehmern auf die Straße. Und schon hier beginnt die Schulung, weil die Fahrer mit Beobachtungsaufgaben auf die Reise geschickt werden, die Aspekte sicheren Motorradfahrens prägen: Was beeinflusst die eigene Wahrnehmung? Von wem wurden wir nicht rechtzeitig erkannt? In welchen Kurven ist eine Flucht ins Gelände möglich? Was finden wir auf der Fahrbahn, das uns gefährlich werden kann? Wann kommen uns entgegenkommende Fahrzeuge gefährlich nahe? Diese Fragen werden gleich beim ersten Stopp auf einem Parkplatz besprochen. Es entsteht schnell eine muntere Diskussion. "Genau das ist ein elementares Ziel dieses Trainingskonzepts", sagt Stern, "Denn diese Diskussionen schaffen bei den Bikern ein aktives Sicherheitsbewusstsein."

Unterschiedliche Übungen

Der Parkplatz wird dann auch für erste Übungen genutzt. Langsam fahren steht auf dem Programm. "Denn nur wer gut langsam fahren kann, kann auch beherrscht schnell fahren" sagt Trainer Martin Fellmer, der im Hauptberuf Fahrlehrer ist. Auch Bremsen sei eine elementare Fertigkeit. "Da hilft heute zwar in vielen Fällen das ABS, aber auch das muss geübt werden." Ein geschotterter Parkplatz bietet hier gute Möglichkeiten und auch den notwendigen Schonraum. Abwechslung und Praxisbezug schaffen weitere Fahretappen auf kurvigen Straßen dritter und vierter Ordnung. Dabei nimmt der Trainer etappenweise abwechselnd immer einen Teilnehmer hinter sich und filmt ihn während der Fahrt mit einer am Gepäckträger befestigten Kamera. Diese Videos werden abends von den Trainern analysiert, sind dann aber auch innerhalb der Teilnehmer anhaltender Gesprächsgegenstand. Wieder wird Sicherheitsbewusstsein geschaffen.

Der zweite Trainingstag widmet sich ausschließlich dem Thema "Fahren in der Gruppe". Jeder Teilnehmer muss mit vorgegebenem Start und Ziel eine Teilstrecke ausarbeiten und diese auch führen. Dies vermittelt Lerneffekte dem Führungsfahrer ebenso wie der Gruppe. "Der Straßenverkehr als solches, aber speziell eine Gruppe Motorradfahrer, sind ein soziales System", sagt Wolfgang Stern. "Das soziale Verhalten lässt sich auf einer gemeinsamen Tour am besten einüben. Außerdem macht das Spaß. Und genau dieser Spaß erzeugt wiederum Motivation, sich sicher auf dem Motorrad zu bewegen." (mid)

Keine Beiträge vorhanden