Der chinesische Hersteller Niu ist mit eigener Niederlassung zurück. Die Reichweite des Rollers MQI GT 100 liegt locker bei 80 Kilometern.
Niu hat als elektrischer Roller-Pionier hierzulande eine wechselhafte Geschichte vorzuweisen: Nach einem höchst erfolgreichen Start litt der chinesische Hersteller unter der Insolvenz des Euro-Vertriebspartners KSR. Jetzt haben die Asiaten eine eigene Niederlassung gegründet – rechtzeitig zur Markteinführung des neuen MQi GT 100.
Ein Druck auf die mittige Taste am Transponder macht den Neuling scharf, via „Ready”-Taste dort, wo das Startknöpfchen an anderen Rollern sitzt, wird er aktiviert. Über die darüberliegende Wippe lassen sich drei Fahrmodi auswählen. Nach jeder Aktivierungsprozedur ist automatisch der E-Save-Modus eingelegt, der sehr zurückhaltend ans Werk geht und maximal 45 km/h erreicht. Spürbar ambitionierter geht’s in Dynamic zur Sache, dann fährt der Niu bis zu 75 km/h bei immer noch sehr sanftem Antritt.
Beeindruckender Durchzug
Die volle Brause sprudelt im Fahrmodus Sport, da spurtet der Chinese beim Ampelstart anderen Verkehrsteilnehmern locker davon. Auch aus dem Rollen ist der Durchzug beeindruckend und dazu noch laut- und vibrationslos – wie überhaupt die Manieren höchsten Ansprüchen genügen: Wunderbar gleichmäßig ohne Lastwechsel oder Schubpausen endet der Stromspaß erst bei echten 100 km/h, damit zählt der MQi GT zu den schnellsten Elektrorollern überhaupt.
Dafür verlangt der Antrieb naturgemäß nach höherem Strombedarf. In der Spitze ist der E-Motor für 8,2 PS gut, als Dauerleistung gibt Niu immer noch 6,8 PS an. Seine Energie bezieht er aus zwei Li-Ionen-Akkus mit je 1,87 kWh unterm Sitz, die fahrdynamisch anspruchsvoll bewegt eine realistische Reichweite von 80 Kilometern ermöglichen. Wer weniger als das beim Test erzielte Durchschnittstempo von sehr beachtlichen 79 km/h benötigt, dürfte vermutlich dreistellige Regionen erreichen.
E-Save-Modus bei schwacher Batterie
Nicht verschweigen darf man allerdings, dass die Fahrdynamik ab rund 45 Prozent Akku-Kapazität sukzessive eingedampft wird. Bei nur noch 15 Prozent Ladung gibt’s einen elektronischen Rückfall in den E-Save-Modus – die Autobahn sollte dann hinter einem liegen. Bestenfalls kommen die Batterien vorher an eine Stromtankstelle. Eingebaut oder herausgenommen dauert es bei einer Restkapazität von zwanzig Prozent rund vier Stunden bis zur erneuten Vollladung.
Während sich frühe Elektroroller lediglich über ihren lokal emissionsfreien Antrieb definierten, kommt es heute auch auf Komfort, Fahrspaß und Sicherheit an. Auf den üblicherweise ungnädigen bis verwahrlosten Untergründen unserer Städte kann das 14-Zoll-Fahrwerk trotz der sehr ungleichen Gewichtsverteilung zugunsten des Heckantriebs durchaus gefallen: Die Federelemente funktionieren manierlich, die CST-Pneus rollen recht neutral und einigermaßen zielgenau ab.
Allerdings sollte einem 100-km/h-Roller grundsätzlich ein ABS vergönnt sein, auch wenn es nicht vorgeschrieben ist und die beim Niu montierte Kombibremse durchaus griffig und effizient agiert. Beim eingeschränkten Stauraum zahlt der MQi den Tribut an die Elektrifizierung. Dass das Ladegerät nicht unter die Sitzbank passt, ist einfach nur ärgerlich. Keine Blöße gibt sich der Chinese hingegen bei der Verarbeitung, die ebenso edle wie exklusive Leichtmetallschwinge erhöht den Besitzerstolz. Wer all das genießen und im dreistelligen Tempo emissionslos unterwegs sein möchte, ist mit knapp 5.000 Euro nicht überteuert dabei. (SP-X)