MG Cyberster: Ein Exot mit Spaßfaktor

Roadster mit attraktivem Preis

MG Cyberster: Ein Exot mit Spaßfaktor
Der MG Cyberster ist ein schick gezeichneter Roadster. © MG

Klar, der MG Cyberster ist ein Exot. Viel Absatz wird er nicht machen. Das ändert aber nichts daran, dass er er wirklich gutes und vor allem emotionales Auto ist.

Die Rechnung, die der MG Cyberster aufmacht, ist verblüffend simpel: ordentliches E-Auto + guter Roadster = ein hervorragender Spaß-Stromer, der mehr liefert als die Summe seiner Teile. Ein Exot wird der offene Zweisitzer aus China in Deutschland trotzdem bleiben – ein echtes Problem dürfte damit aber nicht einmal der Hersteller haben.

Auch wenn auf der Fronthaube das traditionsreiche Logo der „Morris Garages“ aus dem britischen Oxford prangt. Und obwohl die Fahrzeuggattung des Roadsters auf der Insel eine lange Tradition hat – der Cyberster kommt aus China, wurde dort entwickelt, gebaut und wird dort auch in den Bilanzen verbucht. Nämlich beim Staatskonzern SAIC Motor, der nicht zuletzt durch Joint Ventures mit VW und General Motors groß geworden ist.

MG mit viel Selbstbewusstsein

Dass nun ein echtes Prestige-Mobil aus Shanghai nach Europa kommt, ist auch ein Zeichen erwachten Selbstbewusstseins. Auf seinem europäischen Stammmarkt Großbritannien ist MG zuletzt mit vor allem preiswerten Volumenmodellen aufgefallen – der Cyberster ist keines von beiden. Mit einem Startpreis von 65.000 Euro ist er das aktuell mit Abstand teuerste Auto der Marke – und die Absatzaussichten sind angesichts der seit Jahren weltweit dahinsiechenden Cabrio-Verkaufszahlen eher mau. Wer viele Autos verkaufen will, baut aktuell eher SUVs.

MG will mit seinem Roadster aber nicht in erster Linie Geld verdienen, sondern vor allem beeindrucken – und zieht dabei alle Register. Angefangen beim rassigen Design mit klassisch langer Haube, kurzem Heck und knackigen Proportionen, bei dem die Gestalter geschickt das füllige Batteriepaket im Unterboden kaschieren konnten. Und nicht endend bei den spektakulären Scherentüren.

Alles ist auf den Fahrer abgestimmt: das Cockpit des MG Cyberster. Foto. MG

Die sind im Alltag zwar wegen ihrer langsamen Elektrostellmotoren eher unpraktisch – aber hey… in Sachen Auftritt kaum zu toppen. Hinwegsehen muss man allerdings über das umständliche und unübersichtliche Bediensystem, was in einem Roadster aber eher möglich sein sollte als in einem nutzwertrationalen Alltagsauto. Obwohl: Wer auf die Idee kam, das Navi samt Bedienung in den toten Winkel links hinter dem Lenkradkranz zu verbannen muss sowohl überdurchschnittliche Orientierungsfähigkeiten haben als auch Linkshänder sein. Für alle anderen jedenfalls ist die Bedienung eine echte Strafe.

Gut gemachtes Stoffverdeck

Komplettiert wird das klassische Roadster-Paket beim Cyberster durch ein formschönes Stoffverdeck, das sich auch während der Fahrt bis Tempo 50 öffnen und schließen lässt. Beinharte Roadster-Fans – und die gibt es angesichts der Markengeschichte bei MG mit Sicherheit – dürften trotzdem nicht ganz glücklich sein: Vor allem die Sitzposition ist gewöhnungsbedürftig, hockt man doch viel zu hoch auf dem dicken Batteriepaket im Unterboden.

Trotz der insgesamt guten Platzverhältnisse im Cockpit ragen größer Gewachsene somit zudem mit der Schädeldecke über die obere Fensterkante hinaus. Weder für offenen Fahrspaß noch für das persönliche Sicherheitsempfinden („Überschlag!“) ist das optimal. Hinzu kommt: Mit 4,50 Metern ist der Cyberster zwar gerade noch kompakt genug, neben puristischen klassischen Roadstern wirkt der Chinese jedoch ziemlich massig. Und das ist er auch in Sachen Gewicht: Mit gut zwei Tonnen ist der fast doppelt so schwer wie der aktuelle Mazda MX-5 mit Verbrennungsmotor.

Leistung von 510 PS

Die 375 kW/510 PS der beiden im Testwagen montierten E-Motoren haben zwar bei der Fahrt geradeaus leichtes Spiel, in schnellen Kurven können der MG und seine Batterien die stark zerrenden Fliehkräfte aber nicht verhehlen. Ein großes Problem ist das nicht, da der Zweisitzer vom Charakter her weniger flinker Sportler als souveräner Gran Turismo ist.

Auch, weil er elektro-typisch leise und selbst der herbeikomponierte künstliche Motorsound vergleichbar dezent ist. Das ruhige und kraftvolle Gleiten mit offenem Dach ist die wahre Domäne – und ein Alleinstellungsmerkmal zwischen der eher auf akustische und fahrwerkstechnische Dynamik hin optimierten Konkurrenz. Diese ist sowieso klein und letztlich kaum vergleichbar – Autos wie Porsche 718 Boxster oder Mercedes-AMG SL sind nicht nur wesentlich teurer, sondern auch immer noch konventionell motorisiert.

Raodster mit attraktivem Preis

Der MG Cyberster macht auch von hinten eine gute Figur. Foto: MG

Komplett überzeugen kann der E-Antrieb aber nicht. Und das liegt vor allem an den mäßigen Ladezeiten. Der Bordlader kommt immerhin auf die weitgehend üblichen 11 kW, an der Schnellladesäule fließt die Energie aber maximal mit 144 kW in den 77 kWh großen Akku. Der Verbrauch geht mit rund 20 kWh – je nach Fahrweise auch 3 kWh mehr oder weniger – grundsätzlich in Ordnung, ein Effizienzwunder ist der flache MG aber trotzdem nicht. Immerhin: Die Normreichweite von 443 Kilometern ist zumindest im Sommer durchaus erreichbar – und für einen ausgedehnten Wochenendtrip über die Landstraße reicht sie allemal.

Bleibt die Frage nach dem Preis. Der wurde von allen befragten Nachbarn und Passanten viel zu hoch getippt. Der Roadster wirkt deutlich teurer als die tatsächlich aufgerufenen 65.000 Euro (Basisversion mit Heckantrieb und 250 kW/340 PS) beziehungsweise 70.000 Euro (Allradmodell). In E-Auto-Währung entspricht das etwa einem BMW i4 xDrive, einem VW ID.Buzz Pro oder einem gut ausgestatteten Hyundai Ioniq 5 LR. Alles starke und schicke Autos, die aber aus eher bürgerlichen Segmenten stammen und weniger Luxus-Flair vermitteln als der China-Roadster.

Am Ende ist es eben auch dieses emotionale Plus, das den Cyberster zu einem gelungenen Auto macht: weder als Roadster noch als Stromer ist er perfekt – doch die Mischung ist einmalig. (SP-X)

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