Bei der Berliner Stadtreinigung (BSR) ist die Hälfte der Müllfahrzeuge mit einem Mercedes Econic NGT mit Erdgas unterwegs. Und das Unternehmen ist mittlerweile auch zum Produzenten aufgestiegen.
Von Thomas Flehmer
Eine Vorreiterrolle haben die Verantwortlichen der Berliner Stadtreinigung (BSR) gleich in mehrfacher Hinsicht übernommen. Bereits Ende der 90er Jahre begann das Unternehmen, Erdgas-Fahrzeuge in die Müllfahrzeugflotte aufzunehmen. "Wir haben vier, fünf Modelle der einzelnen Hersteller auf dem Hof getestet und uns dann entschieden", sagt BSR-Sprecher Thomas Klöckner der Autogazette.
2002 bereits über 50 Erdgasfahrzeuge
Als bewusste „Entscheidung des Unternehmens für Erdgas“ bezeichnet Karsten Schwanke, Produktmanager Abfallwirtschaft bei der BSR, den mittlerweile zum Meilenstein angewachsenen Schwenk zum alternativen Kraftstoff. 2002 war die mit Erdgas fahrende Flotte bereits auf über 50 Fahrzeuge angewachsen, mittlerweile machen die 150 eingesetzten Fahrzeuge die Hälfte der gesamten Müllfahrzeuge aus. "Immer wenn ein alter Diesel das Zeitliche segnete, wurde er gegen ein Erdgas-Modell ausgetauscht", so Klöckner weiter.
Dabei waren die Anfänge nicht unbedingt leicht, weil sie bei den Fahrern Unmut erzeugten. „Die ersten Erdgas-Fahrzeuge waren beim Anfahren schwach“, sagt Klaus-Dieter Hinz. Doch der technische Fortschritt hat auch den Fahrzeugführer Schritt für Schritt überzeugt. „Das hat sich durch eine neue Motorsoftware und die Verbesserung des Turboladers geändert. Zudem gab es früher Zündkerzenprobleme“, die heute nicht mehr existieren.
Leises Vorankommen im Mercedes Econic NGT
Hinz, der einen der 150 Mercedes Econic NGT fährt, fügt zudem ein in heutiger Zeit immer mehr beachtetes Argument ins Feld. „Heute sind die Fahrzeuge zudem leiser.“ Im Vergleich mit Dieselfahrzeugen ist der knapp sieben Liter große Reihensechszylinder mit 205 kW/279 PS kaum vernehmbar. Und die eingesetzten Fahrzeuge sind noch mit Euro 5 unterwegs. Bald sattelt die BSR um und fährt dann den Econic mit Euro 6, der noch leiser unterwegs sein wird, worauf sich dann nicht nur Hinz freuen kann.
Der 55-Jährige, der in Erwägung zieht, auch privat das nächste Auto mit Erdgas anzuschaffen, benötigt für seine Tour rund 40 Kilogramm Erdgas, die vor der Abfahrt auf dem Hof getankt werden. „Das dauert fünf Minuten“, sagt Hinz. Dabei wird der Großteil des Erdgases dazu benutzt, um die Abfälle im Müllraum des Fahrzeugs zu pressen, um mehr Inhalt zu erhalten.
Erdgas-Lkw bis zu 50.000 Euro teurer als ein Diesel
Denn bei allen Vorteilen, die Erdgas gegenüber dem Diesel hat, gibt es auch Hindernisse. „Die Erdgasfahrzeuge sind schwerer, und sind somit nutzlastempfindlicher.“, sagt Schwanke. Bedingt durch den speziellen Aufbau der Müllfahrzeuge fehlen im Vergleich zum Diesel ein paar Liter Stauraum für den Müll, die sich im Laufe des Jahres summieren und durch häufigere Fahrten ausgeglichen werden müssten, was natürlich den Verbrauchs- und CO2-Vorteil stark mindern würde. „Mit ordentlicher Logistik aber geht es schon“, so Schwanke.
Auch die wirtschaftliche Logistik muss in die Reihe gebracht werden. Für den rund eine Viertel Million Euro teuren Econic als Müllfahrzeug mit Sammelaufbau und Lifter müssen zwischen 30.000 und 50.000 Euro von Beginn an mehr investiert werden als für den vergleichbaren Diesel. Immerhin konnten die nach zehn Jahren abgeschriebenen und nach zwölf Jahren verkauften Lkw im letzten Jahr noch in einem Bieterverfahren verkauft werden. „Das hat weniger wehgetan, als wir 2002 befürchtet hatten“, sagt Schwanke. Immerhin war die Technik der 50 im Jahr 2002 gekauften Fahrzeuge noch sehr jung, war dann aber immer noch so attraktiv, dass sich Käufer fanden, um die Wirtschaftlichkeit wieder ein wenig anzuheben.
BSR bietet technische Lösungen an
Denn der im Vergleich zum Diesel günstigere Kraftstoff mindert den wirtschaftlichen Nachteil nur zum Teil, „da auf der anderen Seite höhere Kosten bei der Wartung entstehen zum Beispiel für Teile, die es bei den Dieselfahrzeugen gar nicht gibt“, sagt Schwanke.
Nicht nur um höhere Kosten bei der Wartung zu verhindern, sondern das Gesamtkonzept zu verbessern, „sind wir sind eng mit dem Hersteller im Kontakt“, sagt Schwanke. Während am Produktionsort die Spezialisten für das neue Fahrzeug sitzen, haben sich Fahrer und Mechaniker im Laufe der Zeit zu Spezialisten für den Erdgas-Econic entwickelt. Neben praktischen Lösungen im Innenraum „haben wir auch technische Lösungen offeriert, um den neuen Econic CNG in Euro 6 vom Gewicht zu befreien."
BSR seit 2013 mit eigener Biogasanlage
Luft nach oben haben die Verantwortlichen dabei 2013 bereits gezeigt und sind beim Thema Erdgas erneut in die Vorreiterrolle geschlüpft – und erneut mit einem Schritt, der sich rechnerisch erst nach langer Zeit amortisieren wird, aber bereits jetzt der Umwelt hilft. Seit Juni 2013 arbeitet am Standort Ruhleben in der Nähe des Olympiastadions eine Biogasanlage, die laut Klöckner jährlich 67.000 Tonnen Bioabfall in Methangas umwandelt, das dann in das Berliner Stadtgasnetz eingespeist wird und von dem dann die 150 Fahrzeuge profitieren, die dann quasi ihr selbst erzeugtes Gas auf drei Berliner BSR-Höfen benutzen können.
Dabei helfen die Berliner auch kräftig mit, damit dieser Kreislauf funktioniert. Denn der Bio-Abfall von Eierschalen bis Kaffeefiltern muss eine hohe Qualität aufweisen, damit das Biogas am Ende die Kriterien erfüllt, um auch wirklich ins Stadtgasnetzt eingespeist werden zu dürfen. Voraussetzung ist dafür eine gute Trennung des Mülls. "Und die Berliner trennen sehr gut", sagt Klöckner. Und auch die Vergärungsreste aus der Biogasanlage erfüllen weitere Zwecke und werden in der Landwirtschaft zur Verbesserung der Böden eingesetzt. Und das wird noch nicht das Ende der Fahnenstange der Liaison zwischen der BSR und dem Kraftstoff Erdgas sein, wie Schwanke ankündigt: "Wir sehen Potenzial für die Zukunft, da es für Verbesserungen mehr Luft nach oben gibt als beim Diesel.“