«Wir verkaufen Fahrzeuge, keine Daten»

Diskurs zum autonomen Fahren

«Wir verkaufen Fahrzeuge, keine Daten»
Der Mercedes F 015 - so sieht die Vision von Daimler aus. © Daimler

Mobilität verbindet. Unter diesem Motto steht die IAA in Frankfurt. Doch die Vernetzung der Fahrzeuge bietet nicht nur Vorteile, sondern auch Risiken. Darum ging es bei einer Fachtagung von Daimler zum autonomen Fahren.

Von Frank Mertens

Das Auto ist mittlerweile Teil des Internets. So steht die Internationale Automobilausstellung (IAA) in diesem Jahr unter dem Motto „Mobilität verbindet“. Doch die schöne neue Datenwelt bietet nicht nur Vorteile, sondern birgt auch Risiken. Wie schaut es beispielsweise mit dem Datenschutz aus? Wie sicher sind die durch die Vielzahl von Fahrassistenzsystemen gesammelten Daten vor Zugriffen Dritter?

Diese und andere Fragen stellte sich der Autobauer Daimler am Mittwoch auf der Fachtagung „Autonomes Fahren im Spiegel von Recht und Ethik“ am Frankfurter Messegelände, wo noch bis zum kommenden Sonntag die weltweit wichtigste Automesse stattfindet. „Wir verkaufen Fahrzeuge, wir machen keinen Datenhandel“, sagte Daimlers Datenschutzbeauftragter Joachim Rieß.

Konfrontiert mit rechtlichen Fragen

Durch die Vernetzung sei man mit einem Schlag mit einer Vielzahl rechtlicher Fragen konfrontiert. So geht es beispielsweise um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. „Wie kann beispielsweise der Fahrer bestimmen, wie mit seinen Daten umgegangen wird?“, fragte Rieß angesichts des Umstandes, dass man im Auto mittlerweile fast ständig online sei.

Zwar ist das ganz große Thema der Autobranche, das vollautonome Fahren noch mindestens zehn Jahr entfernt, doch bereits heute seien viele Dinge kein Zukunftsthema mehr. „Der Kunde kann mit seinem Fahrzeug interagieren, kann beispielsweise per Smartphone den Tankfüllstand abfragen oder von jedem Punkt weltweit sein Auto abschließen“, sagte Ralf Lamberti, bei Daimler Direktor User Interaction. Und natürlich ist der Fahrer in einem Mercedes, BMW, Audi oder dem Auto eines anderen Herstellers mittlerweile bereits teilautonom unterwegs, sei es mit einem aktiven Spurhalteassistenten oder einem Staupilot, der im Stopp-and-Go-Verkehr den Fahrer entlastet.

Zustimmung zur Nutzung bestimmter Dienste

Mercedes APP Connect Me neu Daimler
Mercedes connect me bietet eine Vielzahl von Diensten an Daimler

Doch wo bleibt der Datenschutz bei dieser Vernetzung? „Datenschutz funktioniert nur, wenn auch der Fahrer erfährt, wie das funktioniert.“ Deshalb stimme der Fahrer entweder bereits beim Kauf oder später bei der Nutzung bestimmter Dienste wie Mercedes connect me den Nutzungsbedingungen zu. „Er kann die Dienste wählen, aber auch abwählen“, sagte Rieß.

Das hört sich selbstbestimmt an, ist es dann aber nur teilweise. Denn wer kennt die Situation beim Herunterladen beispielsweise einer App auf seinem Smartphone nicht: Statt sich die Nutzungsbestimmungen durchzulesen, stimmt man ihnen meist zu, ohne sie überhaupt gelesen zu haben. Damit hat man der App erlaubt, Zugriff auf eine Vielzahl von Daten zu nehmen. Man gestattet der Technik etwas, weil man glaubt, mehr Vorteile als Nachteile von ihr zu haben.

Sichereres Fahren durch Vernetzung

Darauf setzen IT-Giganten wie Apple und Google, deren Geschäft das Sammeln von Daten ist. Was machen die Autobauer? Sie sehen sich nicht in der Rolle des Datenhändlers, wie neben Rieß bereits Daimler-Chef Dieter Zetsche in der Vorwoche auf der IAA gesagt hatte. Sie wollen Fahrzeuge verkaufen, die das Fahren im Idealfall durch die Vernetzung sicherer machen und den Fahrer entlasten. Die dabei von den Fahrassistenzsystemen gesammelten Daten würden dann auch abstrahiert, ließen sich nicht einem bestimmten Fahrer zuordnen. „Wir beschränken uns auf die Daten, die wir für die entsprechende Funktion des Assistenzsystems benötigen“, sagte Lamberti.

Joachim Rieß (l.) und Ralf Lamberti
Joachim Rieß (l.) und Ralf Lamberti Daimler

Andere Verkehrsteilnehmer, die beispielsweise von den Kameras oder Radarsensoren in einem Mercedes erkannt werden, würden einen nicht als Person interessieren. Interessant sei nur deren Verhalten, das Einfluss darauf nimmt, ob das Fahrzeug nun beispielsweise eine Notbremsung einleitet oder eben nicht. Die gewonnenDaten würden zudem über gesichertes System verarbeitet, dem Daimler-Backend-Server. Daten, die von Seiten Dritter genutzt werden, sind beispielsweise Verkehrsdaten für den Live Traffic beispielsweise des Navigationsspezialisten TomTom. Die Niederländer nutzen zwar Daten über die Verkehrssituation wie Staus, aber sie wissen nicht, wer sie ihnen liefert. „Das einzige, was TomTom weiß, ist, dass diese Daten von einem Mercedes kommen“, so Lamberti.

Doch für manche Fragen haben auch die Daimler-Entwickler und Datenschutzexperten noch keine Antwort. Deshalb sucht man den Dialog mit Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit. Neben Fragen zum Datenschutz geht es auch um die Haftung im Falle eines Unfalls mit einem autonomen Fahrzeug. Wer haftet, wenn es kracht? Der Fahrer, der Halter und/oder der Hersteller? Es sind viele Fragen, die derzeit noch unbeantwortet sind. Doch bis zum Jahr 2025, dann sollen frühestens die ersten vollautonomen Fahrzeuge unterwegs sein, ist ja noch etwas Zeit.

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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