«Werden mit Smart ‚Krach‘ machen»

Stephen Cannon, Mercedes-Chef in den USA

«Werden mit Smart ‚Krach‘ machen»
Stephen Cannon, Amerika-Chef von Mercedes-Benz © Daimler

Stephen Cannon hat eine Bilanz seiner ersten 100 Tage als Chef von Mercedes-Benz Amerika gezogen. Im Interview mit der Autogazette spricht der Automanager über ein zu erwartendes Rekordjahr, den Zweikampf mit BMW und guten Aussichten für den Smart und Elektro-Smart.

Mercedes-Benz peilt in diesem Jahr in Amerika die Spitze der deutschen Premiumhersteller an. «Es ist eine Superzeit für Daimler, Mercedes-Benz und MB USA. Meiner Meinung nach haben wir aber eine gute Chance, mit unseren Neuheiten die erste Position zu erlangen», sagte Stephen Cannon im Interview mit der Autogazette, dass der Amerika-Chef, der im Laufe seiner Karriere bei Mercedes-Benz auch einige Zeit in Stuttgart verbracht hatte, auf Deutsch führte. «Für Sie leichter, für mich gutes Training.»

Zweikämpfe mit BMW und China

Die Premium-Spitze wird laut Cannon mit einem Rekordjahr erreicht werden. «Unser bisher bestes Ergebnis hatten wir 2007 mit 253.000 Verkäufen erreicht. Wir werden 2012 einen neuen Rekord setzen.» Zahlen nannte der Automanager aber nicht.

Bei dem Zweikampf um den größten Markt für Mercedes sieht Cannon die USA noch einige Zeit im Vorteil. «China wird 2015 wohl der größte Markt für Mercedes sein. Das ist für uns aber irrelevant. Die Hauptsache ist, dass wir in den USA erfolgreich sind.» Allerdings berge der einheimische Markt «noch ein enormes Potenzial. Der US-Markt lag im vergangenen Jahr bei 12,8 Millionen Verkäufen, normal sind 15 bis 16 Millionen. Ich gehe davon aus, dass dieses Niveau bis 2015 wieder erreicht wird. In diesem Zeitraum werden wir in den USA mindestens sieben neue Produkte auf den Markt bringen, die wir bisher nicht haben.»

«Wir machen viel 'Krach' mit Smart»

Stephen Cannon, Chef Mercedes-Benz Amerika
Hohe Erwartungen liegen auf dem Smart Daimler

Dabei werden auch der Smart und der Elektro-Smart eine große Rolle spielen. Aufgrund der gestiegenen Benzinpreise hat der Kleinwagen in den USA wieder an Beliebtheit gewonnen. «Wir haben zudem einige Marketingmaßnahmen eingeleitet, nachdem wir im vergangenen Jahr das Vertriebsgeschäft vom Unternehmen Penske in unser Haus gezogen haben. Wir machen viel 'Krach' mit Smart. Und wenn der Elektro-Smart kommt, wird auch er 'Krach' machen. Wir haben schon vor, einige tausend Einheiten von dem Elektro-Smart zu verkaufen.»

«Superzeit für Daimler»

Das Mercedes C-Klasse Coupé ist sehr beliebt in den USA Daimler

Autogazette: Mister Cannon, war Ostermontag ein besonderes Datum für Sie?

Stephen Cannon: Inwiefern?

Autogazette: An diesem Tag waren Sie 100 Tage Mercedes-Chef in den USA. Sind Sie zufrieden mit der ersten Bilanz?

Cannon: Wir haben etwas Rückenwind zurzeit, mein Timing ist gar nicht so schlecht.

Autogazette: Das ist aber etwas untertrieben. Aufgrund eines Wachstums in Nordamerika müssten Sie ein sehr glücklicher Mensch sein?

Cannon: Es ist eine Superzeit für Daimler, Mercedes-Benz und MB USA. Unsere Vertriebsgesellschaft in den USA hat viel hinter sich, aber noch sehr viel mehr vor sich. Der Markt hat sich positiv gedreht. Und unser Marktanteil ist auf einem Höchstniveau. Wir hatten das Glück, dass der Markt sich drehte, als wir neue Volumenmodelle in den Markt einführten.

Autogazette: Ist der Erfolg allein mit dem Wachstum zu erklären?

Cannon: Es hat immer mit den Produkten zu tun. Die Wirtschaft entwickelt sich im Hintergrund. Wenn wir aber nicht die M-Klasse sowie C-Klasse und C-Coupé gehabt hätten, hätten wir von dieser Situation nicht profitieren können.

«US-Markt hat ein enormes Potenzial»

Mercedes G-Klasse
Die neue Mercedes G-Klasse kommt Daimler

Autogazette: Der Jahresbeginn war noch nie so erfolgreich wie in diesem Jahr mit dem besten ersten Quartal überhaupt. 2011 konnten Sie insgesamt 245.231 Fahrzeuge in den USA absetzen und ein Absatzplus über 13,3 Prozent erzielen. Welche Zahl soll am Ende von 2012 stehen?

Cannon: Es wird für uns ein Rekordjahr werden, auch wenn wir keine Zahlen nennen. Unser bisher bestes Ergebnis hatten wir 2007 mit 253.000 Verkäufen erreicht. Wir werden 2012 einen neuen Rekord setzen.

Autogazette: Im Zuge der Wachstumsstrategie 2020 hat Dieter Zetsche für 2015 mehr als 1,6 Millionen Verkäufe angekündigt. Wie viele Verkäufe entfallen dabei auf die USA?

Cannon: Wir wollen unseren Beitrag beisteuern. Wir sind im ersten Quartal der größte Markt für Mercedes. China entwickelt sich sehr schnell. In zwei, drei Jahren werden wir das dann vielleicht nicht mehr sagen können. Dennoch haben die USA noch ein enormes Potenzial.

Autogazette: Inwiefern?

Cannon: Der US-Markt lag im vergangenen Jahr bei 12,8 Millionen Verkäufen, normal sind 15 bis 16 Millionen. Ich gehe davon aus, dass dieses Niveau bis 2015 wieder erreicht wird. In diesem Zeitraum werden wir in den USA mindestens sieben neue Produkte auf den Markt bringen, die wir bisher nicht haben.

Autogazette: In welchen Segmenten?

Cannon: Zusätzlich zu unserem bestehenden Programm werden wir Nischen besetzen, in denen wir bisher nicht vertreten sind. Da wir heute einen Rekordmarktanteil verzeichnen, kann der zukünftige Weg nur positiv sein.

«Gute Chance, die erste Position zu erreichen»

Die neue Mercedes M-Klasse verhalf zum Erfolg in den USA Daimler

Autogazette: Von den deutschen Premiumherstellern müssen Sie sich aber noch mit der Verfolgerrolle in den USA begnügen . . .

Cannon: BMW lag mit rund 2000 mehr verkauften Einheiten im letzten Jahr knapp vor uns, allerdings haben wir in den letzten Jahren den kontinuierlich Abstand verringert. Audi hat nur die Hälfte von unserem Volumen. Und wir wachsen in etwa genauso schnell wie Audi, nur auf einem anderen Niveau.

Autogazette: Ist es ein Ziel für 2012, am Ende vor BMW zu liegen?

Cannon: Wir werden nicht alles tun, um die Nummer eins zu werden. Sonderprogramme, um auf eine bestimmte Zahl zu kommen, werden wir nicht starten. Meiner Meinung nach haben wir aber eine gute Chance, mit unseren Neuheiten die erste Position zu erlangen.

Autogazette: Zurück zum Vergleich zwischen den USA und China. Im ersten Quartal hatten die USA 63.513 Verkäufe und China 51.328 Einheiten. Auf längere Sicht wird China aber auch die USA abhängen?

Cannon: China wird 2015 wohl der größte Markt für Mercedes sein. Das ist für uns aber irrelevant. Die Hauptsache ist, dass wir in den USA erfolgreich sind. Unser Ziel ist es, bis 2020 auf die erste Stelle im Premiumsegment zu kommen. Und ich bin zuversichtlich, dass wir das sogar früher erreichen können.

«Elektroantrieb kann länger dauern als erwartet»

Der Smart wird in den USA wieder beliebter Daimler

Autogazette: Wie kommt es, dass der Smart auf einmal wieder eine besondere Beliebtheit erlangt?

Cannon: Die Benzinpreise sind gestiegen. Wir liegen auf einem Niveau von fünf Dollar pro Gallone. Wir haben zudem einige Marketingmaßnahmen eingeleitet, nachdem wir im vergangenen Jahr das Vertriebsgeschäft vom Unternehmen Penske in unser Haus gezogen haben. Wir machen viel «Krach» mit Smart.

Autogazette: Überhaupt keinen Krach macht der Elektro-Smart. Welche Rolle wird er spielen?

Cannon: Noch ist er ja nicht auf dem Markt. Aber wenn er kommt, wird auch er «Krach» machen. Wir haben schon vor, einige tausend Einheiten von dem Elektro-Smart zu verkaufen.

Autogazette: Sind die amerikanischen Autofahrer empfänglicher für Elektroantriebe als derzeit die deutschen?

Cannon: Ob empfänglicher, weiß ich nicht. So lange die Benzinpreise zwischen drei und vier Dollar liegen, wird die Entwicklung langsamer voranschreiten. Man sieht es beim Nissan Leaf und dem Chevrolet Volt, deren Verkäufe sich auch nur langsam entwickeln. Zudem gibt es halt die Grenzen der Reichweite und lange Ladezeiten. Wenn das Benzin günstig ist, gibt es keine Notwendigkeit ein Elektroauto zu fahren. Sicher wird der Elektroantrieb irgendwann kommen, aber es kann möglicherweise länger dauern, als erwartet.

«Werden Car2Go nach und nach ausweiten»

Ein Elektro-Smart in San Diego Daimler

Autogazette: Wahrscheinlich wird dem Car2Go-Programm mehr Bedeutung zukommen. In Europa wachsen die Standorte. Wie sieht es in den USA aus?

Cannon: Wir haben derzeit vier Standorte in den USA mit Austin, San Diego, Portland und Washington DC. Und wir werden Car2go nach und nach ausweiten. Aber Carsharing ist als Konzept relativ neu in den USA. Man darf deshalb nicht zu rasch expandieren.

Autogazette: Wie wird das Programm derzeit angenommen?

Cannon: Ganz gut. Wir sehen den Effekt, dass smart an viele Kunden verkauft werden, die vorher Car2Go genutzt haben. In den USA gab es seit Start des Programms 70.000 Mieten. Der rasche Anstieg zu Beginn pendelt sich jetzt auf einem guten Niveau ein.

Autogazette: In Deutschland geht die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander. Ein Auto wird sich nicht jeder leisten können, sodass Carsharing eine lohnenswerte Alternative sein könnte. Ist das vergleichbar mit der Situation in den USA?

Cannon: Es gibt in den USA auch eine Schere, aber der Gebrauchtwagenmarkt liegt bei 40 Millionen Verkäufen pro Jahr.

Autogazette: Dieselmotoren werden in den USA immer noch gemieden. Der neue GLK soll ab 2013 als Vierzylinder-Diesel angeboten werden . . .

Cannon: . . . der Sechszylinder-Diesel ist bereits im Programm. Zudem laufen Selbstzünder auch bei GL-, R-, M- und E-Klasse. Beim GL liegt der Dieselanteil schon bei 30 Prozent. Ich glaube aber nicht, dass sich der Diesel in den USA in europäische Dimensionen entwickeln wird. Es wird aber ein Teil der Gesamtlösung sein. Und wir sind Vorreiter: Wir verkaufen mehr Selbstzünder als BMW, Audi und VW und wir werden das Programm weiter ausweiten.

Das Interview mit Stephen Cannon führte Thomas Flehmer

Vorheriger ArtikelKaum Staugefahr am Wochenende
Nächster ArtikelMehr Leistung für den Toyota Land Cruiser V8
Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

Keine Beiträge vorhanden