«Der Kunde soll wählen können, was für ihn das Beste ist»

Daimler-Entwicklungschef Ola Källenius

«Der Kunde soll wählen können, was für ihn das Beste ist»
Daimler-Entwicklungschef Ola Källenius. © dpa

Daimler arbeitet mit Nachdruck an der emissionsfreien Mobilität. Nun wird durch den Verdacht einer möglichen Manipulation von Abgaswerten ein Schatten auf die Anstrengungen geworfen.

Von Frank Mertens

Monat für Monat vermeldet Mercedes neue Absatzbestwerte. Die Kunden stehen auf die Modelle der Stuttgarter. Doch die heile Welt der Stuttgarter hat seit Ende Mai Schaden genommen. Denn da führte die Staatsanwaltschaft Stuttgart an verschiedenden Standorten des Autobauers eine Razzia wegen des Verdachts der Manipulation der Abgasnachbehandlung an Diesel-Pkw durch. Seither war es ruhig geworden um die Ermittlungen der Anklagebehörde - bis zum gestrigen Mittwoch.

Verdacht auf Abgasmanipulation

Da wurde von der Süddeutschen Zeitung mit Verweis auf den dafür zu Grunde liegenden Durchsuchungsbeschluss berichtet, dass Daimler bei einer Million zwischen 2008 und 2016 produzierter Dieselfahrzeuge den Abgaswert manipuliert haben soll. Bewiesen ist das noch nicht, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern nach wie vor an. Doch mit den neuen Details wächst der Druck auf Daimler, auch wenn der Autobauer bereits kurz nach der Razzia beteuerte, keine illegale Abschalteinrichtung verwendet zu haben.

Doch die neue Meldung zu dem Ausmaß einer möglichen Verstrickung hat bei den Schwaben für weitere Unruhe gessorgt, auch wenn man sich davon am Mittwoch nichts anmerken ließ. Denn an diesem Mittwoch stellte Daimler-Entwicklungsvorstand Ola Källenius in Zürich die neue S-Klasse vor, das Topmodell des Autobauers.

Kein Kommentar zu laufenden Ermittlungen

Kurz nachdem in Deutschland gerade die Meldung mit den Details aus dem Durchsuchungsbeschluss über den Ticker gingen, lobte Källenius die effizienten neuen Motoren der S-Klasse, darunter auch den Dieselsechszylinder OM 656, den "großen Bruder des OM 654".

Es ist das Aggregat, das bereits die strengen Anforderungen des RDE erfüllt, den neuen Real Driving Emissions. Zu den Meldungen aus Deutschland sagte Källenius nichts, auch nicht nach der Präsentation. Zu laufenden Ermittlungen äußere man sich nicht, sagte er der Autogazette. Doch wie schaut es mit den Anstrengungen von Daimler auf den Weg zu emissionsfreien Mobilität aus? Die Schwaben halten mit Vehemenz am Verbrenner und vor allem am Diesel fest - trotz kommender Fahrverbote für EU5-Diesel. Ein Hersteller wie Volvo beispielsweise - die Schweden haben gerade den langsamen Abschied vom Verbrenner bekannt gegeben - investiert nicht mehr in neue Dieselgenerationen. Ist man bei Daimler rückwärtsgewandt?

„Wir sind vorwärtsgerichtet“

"Definitiv nicht. Wir sind vorwärts gerichtet", sagte Källenius. Er verweist darauf, dass Daimler bis 2025 von einem Anteil von 15 bis 25 Prozent an Elektroautos am Gesamtabsatz ausgehe. Legt man diese Annahme zu Grunde, so der Entwicklungsvorstand, wären bei einem Anteil von bis zu 25 Prozent Elektroautos noch 75 Prozent der Fahrzeuge mit einem Verbrenner mit 48 Volt oder einem Plug-in-Hybrid unterwegs. Und da es immer Fahrsituationen geben werde, in denen man verbrennerisch unterwegs sei, benötige man dafür auch Hightech-Aggregate. "Also muss man das eine tun, ohne das andere zu lassen."

Das heißt, dass man die verschiedenen Technologien auf dem Weg zum emissionsfreien Fahren entwickle. Källenius rechnet damit, dass sich die Märkte in den kommenden zehn Jahren verändern, der Anteil „an vollelektrischen, batterieelektrischen Fahrzeugen deutlich steigen wird“. Dazu habe man mit EQ nicht nur eine neue Marke gegründet, sondern investiere zehn Milliarden Euro in eine neue Familie von Elektroautos. Källenius verweist zudem darauf, dass man seinen Kunden bis Ende des Jahres zehn Modelle mit Plug-in-Hybrid anbieten werde und die neue S-Klasse verfüge nicht nur über ein 48 Volt-Bordnetz, sondern auch einen integrierten Startergenerator. „Sie sehen, dass Mercedes mit Blick auf die Null-Emissions-Mobilität die Spitze mitgestalten wird.“

Doch braucht es für die Mobilitätswende nicht ein Signal wie einen Zulassungsstopp für fossile Verbrenner, wie ihn die Grünen ab 2030 fordern? In Frankreich ist dieser ab 2040 geplant, wie die neue Regierung kürzlich bekannt gab. Für Källenius mache es keinen Sinn, über ein spezielles Datum in 15 bis 20 Jahren zu spekulieren, wie er sagte. Sinn mache indes, mit einem hohen Tempo die Technologien voranzutreiben, die zu einem Wandel im Markt beitragen. „Der Kunde soll wählen können, was für ihn das Beste ist. Das ist unsere Aufgabe.“

Mercedes sieht sich als Vorbild

Entsprechend sieht Källenius vor dem Hintergrund der eigenen Anstrengungen auch nicht Volvo als Vorbild für die Branche, sondern Mercedes. „Es ist wichtig, was man real im Markt tut. Dazu gehört zum einen eine konsequente Umsetzung der Elektrfizierung mit einem breiten Produktportfolio.“ Zum anderen müssen auch die Kunden im Blick behalten werden, die nach wie vor mit einem Verbrenner fahren. Dazu würde man die derzeit besten Hightech-Aggregate am Markt anbieten.

Dass SUVs am Gesamtabsatz von Mercedes mehr als ein Drittel ausmachen, bereitet Källenius mit Blick auf das Erreichen des CO2-Grenzwertes von 100 g/km bis 2021 keine Sorgen, wie er sagte. Die Verbrauchsunterschiede hätten sich durch 48 Volt-Systeme und Plug-in Hybride immer weiter angeglichen.

Mit Blick auf die Diskussion um Dieselfahrverbote für EU5-Diesel und die Kosten für deren Umrüstung zeigte sich Källenius zuversichtlich, dass es hierzu in Kürze eine „gute Lösung“ geben werde. Hierzu würde die Autoindustrie seit Monaten konstruktive Gespräche führen. Dass die Autohersteller dann auch die Kosten für die Umrüstung der betroffenen EU5-Diesel übernehmen, wie von einigen Ministerpräsidenten wie Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg gefordert, wollte Källenius mit Verweis auf die laufenden Gespräche nicht sagen.

Doch die mögliche Umrüstung von EU5-Dieseln dürfte derzeit auch nicht das größte Problem der Stuttgarter sein. Für diesen Donnerstag hat das Bundesverkehrsministerium Daimler-Manager wegen der jüngsten Meldungen zum Rapport bestellt. Dann dürfte es nicht mehr reichen, sich mit Bezug auf laufende Ermittlungen zu den Vorwürfen auszuschweigen. Es werden Antworten erwartet.

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