Wo ein Maybach ganz normal ist

Russlands Reiche

Russland und insbesondere die Hauptstadt Moskau gelten als einer der größten Luxusmärkte der Welt. Nirgends anders gibt es mehr S-Klasse-Modelle oder Maybachs pro Einwohner.

Von Stefan Grundhoff

Geld regiert die Welt. Besonders gilt diese Weisheit aber für Russland. Und nirgends wird dies deutlicher als in der russischen Hauptstadt Moskau. Autos spielen dabei eine gewichtige Rolle. Die Russen lieben ihre Autos. Für viele ist der fahrbare Untersatz trotz alltäglicher Stauorgien ihr ein und alles. Dabei ist nicht wichtig, wie viel Geld man für sein Auto ausgeben will. Egal ob Neu- oder Gebrauchtwagen - deutsche und japanische Produkte stehen in der Gunst der Kunden schichtenübergreifend ganz vorn. Meistverkauftes Auto ist der Ford Focus, dicht gefolgt vom Dacia Logan, der in Russland unter dem Renault-Label verkauft wird. Die Preise klingeln einem in den Ohren. Ein Focus kostet beim Ford-Händler weniger als 300.000 Rubel - ein Kampfpreis von nicht einmal 8400 Euro. Noch günstiger ist der Logan. Das Einstiegsmodell gibt es bereits ab rund 260.000 Rubel - rund 7200 Euro.

Heiß umkämpfter Luxusmarkt

Besonders heiß geht es jedoch auf dem Luxusmarkt her. Wer etwas auf sich hält, ist in deutschen Luxuskarossen Marke Audi, BMW oder Mercedes unterwegs. Gerne mit umfangreichen Begleitschutz und besonders oft mit schwerer Panzerung der schwersten Schutzklasse B6/B7 - obligatorisch mit Blaulicht für freie Fahrt auf allen Wegen. In diesem Jahr wird Mercedes in Russland mehr als 12.000 Mercedes S-Klassen verkaufen - mehr als von jedem anderen Modell. Verkaufsschlager ist dabei der S 500L 4matic. «Wir würden ansonsten mehr S 600 verkaufen», so Denis Parfenow, Verkaufsleiter von Mercedes-Benz Russland. «»ber der ist nicht mit Allradantrieb verfügbar.« Dieselfahrzeuge werden gar nicht angeboten. Erst im kommenden Jahr will man vorsichtig erste Geländewagen und SUV mit Dieseltriebwerken in den Markt führen.

Bar auf die Hand

Das Lächeln kostet übrigens nichts Foto: Press-Inform

Kaum zu glauben, aber eine Spartenmarke wie Maybach ist im wilden Moskauer Straßenbild durchaus wahrnehmbar. »Allein in Moskau sind derzeit rund 130 Maybachs unterwegs«, erzählt Anastasia Zbarskaya von Mercedes-Benz Avolin, dem größten Daimler-Händler in Osteuropa. »Wir verkaufen rund zwölf Maybachs pro Jahr. Viele Firmeninhaber fahren einen 62S - wegen der Liegesitze und der Trennwand.« Nicht ungewöhnlich, dass die exklusive und mindestens 25 Millionen Rubel teure Luxuskarosse in bar bezahlt wird. Denis Parfenov: »Es kommt vor, dass Autos cash bezahlt werden. Je teurer die Autos, desto mehr cash.« Aus diesem Grund haben die meisten Autohäuser im Keller eine eigene Hausbank.

Ein Lamborghini als Lieblingsspielzeug

Auffallen um jeden Preis Foto: Press-Inform

Das ist bei Lamborghini nicht anders als bei Mercedes oder Rolls Royce. Der italienische Hersteller von Luxussportwagen hat Russland längst zu einem seiner europäischen Lieblingsmärkte auserkoren. So gibt es nicht nur in der Nähe des Roten Platzes einen sehenswerten Verkaufsraum, sondern auch einen Glastempel im renommierten Barvikha Luxury Village an der Edelmeile Rubljovka. Im Erdgeschoss stehen Gallrado und Murcielago dicht an dicht mit den neuesten Bentley-Boliden. Der internationale Mercury-Konzern vertreibt in Russland nicht nur die Autofirmen Lamborghini und Bentley, sondern ganz nebenbei auch noch Luxusmarken wie Dolce & Gabbana, Ferrari, Maserati, Gucci oder Zegna. Der Rubel rollt und eben gerne auch in bar.

Junge Klientel

Die Kundschaft ist jung und meist sehr reich Foto: Press-Inform

Wird das Auto abgeholt, kommt der ein oder andere Kunde mit einem schmucken Geldkoffer. Bei den kleinen Scheinen viel Arbeit für die Kassiererin hinter der dicken Panzerglasscheibe, die das Geld zählen muss. Doch wo fährt man in den überfüllten Straßen von Moskau und Sankt Petersburg die teuren Renner von Maserati, Lamborghini, Mercedes und Porsche? «Wir verkaufen die allermeisten Autos in den Großstädten. Manche Kunden fahren am Wochenende im Umland oder mieten eine Rennstrecke, um die eigenen Sportwagen auch auszufahren», erzählt Tatiana Koroleva, Verkaufleiterin von Lamborghini Moskau. In den letzten beiden Jahren wurden 33 Lamborghinis; seit 2003 sind es mehr als 700 Bentleys. Tatiana Korolewa: «Unsere Kunden sind ebenso wie bei Mercedes, Maybach und Rolls Royce sehr jung. Die meisten sind zwischen 27 und 45 Jahren alt.»

Die Kundenstruktur im Luxussegment ist völlig anders als in Zentraleuropa, Asien oder den USA. Ein Beispiel ist der russische Wodka-König Rustam Tarika, der mittlerweile bereits seinen zweiten Maybach, einen dunklen 62S, bewegt. Anastasia Zbarskaya: «Er ist jung, hübsch und berühmt. Da zeigt man gerne, was man hat.» Maybachs und gepanzerte S-Klassen werden bevorzugt im Paket verkauft. Viele Kunden bestellen gleich noch ein paar Begleitfahrzeuge, gerne ML- oder G-Klassen, in identischer Lackierung. Der Kapitalismus hat zumindest in einigen Kreisen der russischen Bevölkerung schon Einzug gehalten. «Wir wissen von einem Moskauer, der hat allein 40 AMG-Modelle in seiner Sammlung - und noch ein paar andere Marken.»

Rollender Panzer

Aber bitte mit Panzerung: Mercedes G Foto: Press-Inform

Damit die Kunden nicht so lange warten müssen, werden einige Fahrzeuge im Voraus geordert. Das beliebteste Poolfahrzeug - wie könnte es anders sein - ist der S 500L 4matic; zumeist in Vollausstattung und dunkler Lackierung. Was nicht heißt, dass Extrawünsche nicht allzu gerne erfüllt würden. So lässt Mercedes-Avilon zum Beispiel exquisite Fußmatten aus echtem Pelz anfertigen. Ähnliche Schuhschmeichler gibt es übrigens auch bei Rolls-Royce. Was tut man nicht alles für die Kunden.

Ein besonders wichtiger Markt gehört den gepanzerten Fahrzeugen. Auch hier ist die Nachfrage deutlich größer als die Liefermöglichkeiten. «Besonders bei den gepanzerten G-Modellen tun wir uns schwer. Da eine gepanzerte G-Klasse als Kriegsfahrzeug gilt, wird die Ausfuhr jedes Fahrzeugs aufwändig von der Regierung geprüft», so Valentina Afonia, bei Mercedes-Benz Russland zuständig für die Sonderschutzfahrzeuge. «Wir könnten deutlich mehr verkaufen. Sehr viel mehr.»


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