«Es ist ein Puzzle auf Weg zum autonomen Fahren»

Magna-Entwicklungschef Swamy Kotagiri

«Es ist ein Puzzle auf Weg zum autonomen Fahren»
Swamy Kotagiri ist Entwicklungschef beim Zulieferer Magna. © Magna

Für Swamy Kotagiri sind auf dem Weg zum autonomen Fahren noch viele Fragen zu klären. Im Interview mit der Autogazette spricht der Magna-Entwicklungschef über nötige Standards und darüber, weshalb er sich ein Auto ohne Lenkrad nicht vorstellen kann.

Auf dem Weg zum autonom fahrenden Auto sind für Hersteller und Zuliefer noch eine Vielzahl von Problemen zu lösen. Zwar sei die technische Plattform für ein selbstfahrendes Fahrzeug bereits vorhanden, aber sie sei noch längst nicht ausgereift, sagt Magna-Entwicklungschef Swamy Kotagiri im Interview mit der Autogazette.

«Noch eine Vielzahl von Problemen zu lösen»

«Es geht beispielsweise um die Integration der Software, die Produktion, die Gesetzgebung, die Infrastruktur, besseres Kartenmaterial und so weiter. Das ist noch ein langer Weg, der vor uns liegt», so Kotagiri. Der Magna-Entwicklungschef geht davon aus, dass es noch mindestens sieben bis acht Jahren dauern wird, bis man vom teil- zum hochautomatisierten Fahren kommt.

«Es ist wichtig, sich Ziele zu setzen»

Die Mehrheit traut den Systemen beim Autonomen Fahren nicht.
Automatische Einparken mit Assistenzsystem von Magna Magna

Autogazette: Herr Kotagiri, Audi hat gerade einen RS7 in knapp über zwei Minuten vollkommen autonom über den Hockenheimring rasen lassen. Hat Sie das beeindruckt?

Swamy Kotagiri: Das war ohne Frage beeindruckend. Doch für mich sind andere Dinge noch wichtiger als eine derartige Aktion. Für mich ist relevant, dass wir mit Blick auf das autonome Fahren zu einem Standard kommen, der es uns ermöglicht, die Technologie des autonomen Fahrens einer breiten Masse von Kunden zugänglich zu machen. Darüber hinaus geht es darum, die gesetzlichen Regelungen zu schaffen, die man für selbstfahrende Autos benötigt.

Autogazette: Weckt eine solche Aktion wie die von Audi nicht Erwartungen an die Technologie, die weder die Zulieferer noch die Hersteller mit Blick auf vollautomatisiertes Fahren in naher Zukunft erfüllen können?

Kotagiri: Natürlich weckt das Erwartungen, die wir bislang nicht halten können, noch nicht. Doch es ist wichtig, sich Ziele zu setzen, die man zukünftig erreichen will. Das motiviert. Wenn man über Dinge nicht nachdenkt oder sie ausprobiert, werden sie nie Realität.

Autogazette: Ab welchem Jahr wird hochautomatisiertes und wann wird vollautomatisierten Fahren Ihrer Meinung nach möglich sein?

Kotagiri: Das teilautonome Fahren ist in einigen Bereichen ja schon Realität. Die Systeme sind so ausgelegt, dass der Fahrer jederzeit in der Lage ist, selbst die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen. Der Fahrer sitzt weiterhin hinter dem Steuer, hat ein Lenkrad, Bremse und Gaspedal. Bis wir allerdings vom teil- zum hochautomatisierten Fahren kommen, wird es noch mindestens sieben bis acht Jahre dauern.

«Noch ein langer Weg, der vor uns liegt»

Autogazette: Und wie lange dauert es, bis wir bei den vollautomatisiert fahrenden Autos angekommen sind?

Kotagiri: Das sehe ich persönlich nicht in den nächsten zehn bis zwölf Jahren. Bis wir diese Stufe erreicht haben, müssen noch eine Vielzahl von Fragen geklärt werden.

Autogazette: Wo liegt für Sie das größte Problem auf dem Weg zum autonomen Fahren: ist es technischer oder gesetzlicher Art?

Kotagiri: Das kann man nicht voneinander trennen. Wir haben bereits heute Autos, mit denen wir fünf bis sechs Minuten autonom fahren können, doch dann muss der Fahrer wieder das Lenkrad übernehmen, um das System erneut zu aktivieren. Die technische Plattform ist bereits vorhanden. Ist sie bereits ausgereift? Nein, da gibt es noch einiges zu tun. Es geht beispielsweise um die Integration der Software, die Produktion, die Gesetzgebung, die Infrastruktur, besseres Kartenmaterial und so weiter. Das ist noch ein langer Weg, der vor uns liegt.

Autogazette: Das Wiener Abkommen für den Straßenverkehr ist im März modifiziert worden. Wie wichtig ist das für Ihre Entwicklung?

Kotagiri: Die Wiener Konvention ist sicherlich wichtig, aber unsere Entwicklungsarbeit beeinflusst das nicht.Es kann gegebenenfalls Einflüsse für die Gestaltung des Innenraums haben, da der Fahrer nicht ständig das Lenkrad in der Hand halten muss.

Autogazette: Was heißt das für den Innenraum? Beispielsweise den Verzicht auf ein Lenkrad?

Kotagiri: Oh nein, das sehe ich vorerst nicht. Es geht um die Funktionalitäten. So kann ich mir beispielsweise vorstellen, dass der Fahrersitz in einem Auto auch leicht zur Seite verschoben wird, sodass der Fahrer eine andere, vielleicht entspanntere Sitzposition einnehmen kann. Beispielsweise kann er im Auto an einer Videokonferenz teilnehmen oder Emails beantworten.

«Einer der Key-Trends in der Autoindustrie»

Magna sorgt mit seinen Kameras für eine Rundumsicht.
Ein erprobungsfahrzeug von Magna Magna

Autogazette: Steht die Politik in anderen Ländern, insbesondere in den USA, Innovationen offenen gegenüber als beispielsweise in Europa?

Kotagiri: Da kann ich Ihnen nur meine persönliche Meinung sagen: Ich denke, dass in Europa sehr strukturiert vorgegangen wird und in den USA ist man offener dafür, Dinge einfach auch mal auszuprobieren.

Autogazette: Wie wichtig ist autonomes Fahren für Magna unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten?

Kotagiri: Es ist ohne Frage einer der Key-Trends in der Autoindustrie, entsprechend wichtig ist es auch für Magna.

Autogazette: Wie schätzen Sie denn die soziale Akzeptanz der Kunden für autonomes Fahren ein?

Kotagiri: Ich glaube, dass viele Kunden derzeit noch nicht wissen, was ein vollautomatisiert fahrendes Fahrzeug bedeutet. Sie sehen die Vorteile, die es unter Komfortgesichtspunkten bieten kann. Aber sie können nicht abschätzen, was es heißt, beispielsweise ohne Lenkrad unterwegs zu sein.

Autogazette: Hängt die Akzeptanz auch damit zusammen, ob man bereits Erfahrungen mit Fahrassistenzsystemen gemacht hat?

Kotagiri: Natürlich. Wenn Menschen eine neue Technologie noch nicht kennen, stehen sie dieser skeptischer gegenüber als wenn sie mit ihr bereits Erfahrungen gesammelt haben.

Autogazette: Ein autonom fahrendes Auto muss letztlich auch für den Kunden bezahlbar sein. Welche Mehrkosten werden dafür auf den Autofahrer zukommen?

Kotagiri: Ich kann diese Frage nicht beantworten. Die Kosten hängen letztlich davon ab, welche Anforderungen die Technik auch mit Blick auf die gesetzlichen Anforderungen erfüllen muss. Eines ist aber klar: die Technik muss bezahlbar bleiben.

«Ich weiß nicht, ob Google hier weiter ist»

Die Knutschkugel von Google fährt autonom
Der Google-Prototyp Google

Autogazette: Was sagen Sie zu dem Google-Auto, das ohne Brems-, Gaspedal und Lenkrad auskommt?

Kotagiri: Für mich ist es ein Technologieträger. Es zeigt, was technisch möglich ist.

Autogazette: Ist der IT-Gigant hier weiter als die Autobauer oder Zulieferer?

Kotagiri: Ich weiß nicht, ob Google hier weiter ist. Aber ohne Frage bringt Google eine Menge an Expertise mit, wie ihre Versuche mit autonom fahrenden Fahrzeugen in den zurückliegenden Jahren zeigen. Doch wir gehen mit einem anderen Ansatz an die Sache ran: Wir entwickeln unsere Produkte für den Kunden. Also dafür, was er verlangt und an Innovationen von uns erwartet.

Autogazette: Gibt es etwas, was Sie von Google lernen können?

Kotigari: Um diese Frage beantworten zu können, müsste ich das Google-Car besser kennen. Doch es zeigt uns, was mit Blick auf die Zukunft bei autonom fahrenden Autos möglich ist - und das ist durchaus beeindruckend. Es wird auch zeigen, ob die Menschen so etwas wollen oder nicht.

Autogazette: Datenschutz spielt für die Kunden eine immer wichtigere Rolle. Wie wollen Sie diesem Anspruch gerecht werden, wenn Sie das Auto zu einem fahrenden Computer machen?

Kotagiri: Die entscheidende Frage ist doch: Wer bekommt die Daten, wer will sie haben? Ist es der Hersteller, ist es der Fahrer oder ist es eine dritte Stelle? Wir haben sicherzustellen, dass unsere Systeme vor den Eingriffen Fremder geschützt werden. Entsprechend sicher gestalten wir sie.

«Start-Ups können in vielen Bereichen schneller agieren»

Tempoerkennung bei Magna
Tempo-Erkennung im Display Magna

Autogazette: Wie versuchen Sie das sicherzustellen? Sind Ihre Systeme nicht hackbar?

Kotagiri: Wir entwickeln sie so, dass sie nicht von außen angreifbar sind. In diesem Zusammenhang lassen wir auch Spezialisten unsere Systeme auf Sicherheitslücken testen. Es gehört auch zu unserer Strategie, dass wir auf die Expertise von außen zurückgreifen . Deshalb arbeiten wir in vielen Bereichen auch mit Start-Ups oder Universitäten zusammen.

Autogazette: Sind Start-Ups flexibler als ein Konzern wie beispielsweise Magna?

Kotagiri: Ich würde uns nicht als unflexibel bezeichnen. Aber Start-Ups oder Universitäten können in vielen Bereichen sicherlich schneller agieren.

Autogazette: Was wird die nächste größere Innovation von Magna mit Blick auf das autonome Fahren sein?

Kotagiri: Wir werden unsere bestehenden Systeme Schritt für Schritt weiterentwickeln. Und hier kann man die einzelnen Systeme nicht losgelöst voneinander betrachten. So gehört beispielsweise auch unser System Flex4 dazu: Es bietet Antrieb, wenn man Antrieb benötigt, es geht weiter über die Hybridsierung und Elektrifizierung bis hin zu unseren Kamerasystemen. Es ist ein Puzzle auf dem Weg zum autonomen Fahren.

Das Interview mit Swamy Kotagiri führte Frank Mertens

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