Der Antrieb von morgen funktioniert elektrisch. Das eröffnet auch der Allrad-Technik beim Zulieferer Magna neue Möglichkeiten.
Der Rallye-Legende Walter Röhrl verdanken wir nicht bloß Hochämter der Quertreiberei, sondern auch Orientierungshilfe im Niemandsland der Fahrphysik. Dass der Drift die Kunst sei, einen instabilen Zustand stabil zu halten zum Beispiel. Oder dass ein Auto mit nur zwei getriebenen Rädern halt eine Notlösung sei. Und auch wenn man mit Kraft an lediglich einer einzigen Achse den Grenzen der Naturgesetze technisch mittlerweile nahe kommt wie nie zuvor: Beide Befunde gelten noch immer.
Bei Magna verstehen sie sich lange auf das Geschäft mit dem Allradantrieb. Vor sechs Jahrzehnten und zu seligen Steyr-Puch-Zeiten begann alles mit dem „Haflinger“, es folgten Legenden wie der „Pinzgauer 6×6“, ein Dreiachser für schwerstes Gelände – heute stecken Getriebe und Sperren des kanadisch-österreichischen Konzerns in Modellen von BMW, Mercedes, Volkswagen oder Alfa Romeo. Manche Hersteller wie Fisker lassen im Auftrag sogar ganze Autos fertigen.
In den weltweit 91 Entwicklungszentren indes haben die Magna-Leute auch erkannt, dass sich die Zeiten oszillierender Kolben und herkömmlicher Triebstränge tendenziell dem Ende nähern, weil die Zukunft in elektrischem Fortkommen besteht. Allerdings glauben sie in Aurora wie in Wien fest daran, dass E-Mobilität bezahlbar bleiben muss. Die Philosophie heißt daher: Baukasten. Leistung, Größe, Effizienz – alles in Stufen wählbar. Das spart jede Menge Kosten.
Weltpremiere „EtelligentCommand“
Das Angebot reicht vom Fronttriebler samt Stromes sanfter Stütze bis zum brandneuen „EtelligentCommand“ – ein mit einem Verbrenner gepaartes elektrisches Allrad-System mit 120 kW vorne und 160 kW inklusive Torque-Vectoring hinten. Wobei der Benziner über die Nebenrolle des Range-Extenders kaum noch hinauskommt. „Wir denken zuallererst E-Auto“, sagt Produktmanager Walter Sackl. „Der Weg ist eindeutig.“
Getüftelt wird darum an vielen Fronten. In der Energiedichte der Batterien schlummert Potenzial, ebenso bei Leichtbau, Aerodynamik und speziellen Reifen, in intelligenten Betriebsstrategien durch Navi-Daten oder Car2X-Informationen – aber eben auch durch effizientere Motoren, kluge Software, genaueres Temperatur-Management. In Summe sind um die 140 Kilometer zusätzlich drin. Bei einer Fahrt vom europäischen Magna-Sitz in Wien Richtung Süden macht das den Unterschied zwischen Udine und Venedig.
Entscheidender Baustein ist das Entkoppeln von Teilen des Antriebs. Jedes Watt Schleppverlust ist schließlich eines zu viel. Bei „EtelligentCommand“ sollen so mit einer 20-kWh-Batterie unter der Rückbank 110 Kilometer elektrische Reichweite Realität werden. Kollateralnutzen der dreimotorigen Konstruktion: Im DCT-Getriebe können die Gänge 1 und R entfallen. Deren Job stemmen allein die E-Maschinen. Weshalb selbst ein offiziell leerer Akku stets Reserven für ein paar Meter bunkert. Man will ja noch rückwärts aus der Garage kommen.
Ausflug in die Zukunft
Aktuell laufen im schwedischen Arjeplog die Testfahrten. Dort, nahe am Polarkreis können interessierte Autobauer bei Minusgraden erfahren, wie die verschiedenen Systeme arbeiten. Die meisten Konzepte sind serienreif, andere noch in der Entwicklungsphase. Verbaut in Autos, die nur oberflächlich nach Jaguar I-Pace oder Range Rover Evoque aussehen. Vor allem aber sind die schnellen Kurven auf sorgfältig präpariertem Eis außer Spaß vor allem ein Ausflug in die Zukunft. Schließlich muss so langsam geordert werden, was Magna-Kunden ihrerseits in etwa zwei Jahren vom Band rollen lassen wollen.
Die Herausforderungen beim Klimaschutz werden bis dahin sicherlich nicht weniger – die Ansprüche der Autofahrer aber vermutlich auch nicht. Und deshalb bedarf das Zusammenspiel aus Reichweite, Fahrdynamik und Sicherheit ausgeklügelter Steuerung. Auch da sieht der Welt viertgrößter Zulieferer eine seiner Kernkompetenzen. Zehn Mal in der Zeit eines Wimpernschlages berechnen Prozessoren aus allerlei Fahrdaten die sinnreichste Kraftverteilung zwischen allen vier Rädern.
Jüngster Kniff bei Magna Powertrain: Hinten wird Drehmoment im Bedarfsfall bis zur einseitigen Vollpackung verschoben, vorne sorgen gezielte Bremseingriffe für die nötige Stabilität. Derart assistiert kommt ein gepflegter Drift plötzlich mit der Hälfte des üblichen Lenkeinschlags aus – und damit ohne Hektik am Volant. Selten durfte man sich selbst bei extremer Querfahrt derart sicher fühlen. Daran hätte womöglich sogar Walter Röhrl seine Freude.